Zwei Monate nach der Bundestagswahl ist es endlich soweit: Bühne frei für die Ampel. SPD, Grüne und FDP stellten den Koalitionsvertrag vor, den Fahrplan für die gemeinsame Politik der nächsten vier Jahre. Punkt 15:00 Uhr traten die Spitzen der Parteien am vergangenen Mittwoch in Berlin vor die Presse. Die Kulisse: Ein Industriehafen im Westen der Stadt.
Das Ergebnis der wochenlangen Verhandlungen – bei denen die drei Parteien allen Unterschieden zum Trotz einen gemeinsamen Nenner gefunden haben – ist 177 Seiten lang und trägt den Titel “Mehr Fortschritt wagen”. Der Koalitionsvertrag soll die Weichen für die Zukunft des Landes stellen. Und weil Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft eine große globale Verantwortung trägt, haben wir ganz genau nachgelesen, ob der Vertrag dieser Verantwortung auch gerecht wird.
Hier sind 6 Dinge, die du über den Koalitionsvertrag und die Regierungsbildung wissen musst:
1. Klares Bekenntnis zu den Global Goals der Vereinten Nationen (UN) und zu internationaler Zusammenarbeit
Der erste Blick zeigt: SPD, Grüne und FDP bekennen sich klar zu den Global Goals, den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, und dem Pariser Klimaabkommen. Internationale Vereinbarungen werden also wichtige Leitlinien der kommenden Jahre sein.
Was sich vielleicht wie eine Selbstverständlichkeit anhört, ist in Zeiten weltweiter Krisen ein wichtiges Zeichen. Wiederholt wird betont, dass die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden soll, unter anderem durch die Stärkung der UN. Die drei Parteien wollen die globale Verantwortung Deutschlands also Ernst nehmen.
Was heißt das jetzt aber im Detail? Während der Koalitionsverhandlungen haben wir uns gemeinsam mit tausenden Global Citizens für drei Forderungen stark gemacht: eine starke Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe, eine Erhöhung der internationalen Klimafinanzierung und einen Kurswechsel in der globalen Pandemiebekämpfung durch einen massiven Ausbau der weltweiten Impfstoffproduktion. Wir haben nachgeschaut, was der Koalitionsvertrag in diesen drei Bereichen bereit hält.
2. Einhaltung des 0,7 Prozent Ziels und damit nachhaltige Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit
Die beste Nachricht zuerst: die Ampel hat vereinbart, sich für eine starke und nachhaltige Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe einzusetzen. Konkret versprechen sie, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen. Für uns ist das der Grundpfeiler für eine gerechte Welt und damit ein starkes Zeichen. In diesem Rahmen sollen außerdem 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung zur Unterstützung der ärmsten Länder des Globalen Südens eingesetzt werden. Ein internationales Ziel, das Deutschland bisher noch nie erreicht hat. Wir sind gespannt!
3. Ausbau der internationalen Klimafinanzierung, aber unklar in welcher Höhe
Wie sieht es bei der finanziellen Unterstützung für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen in ärmeren Ländern aus? Auch hier gibt es Positives zu berichten: Die Ampel-Koalition legt fest, die finanziellen Mittel in diesem Bereich auszubauen. Unklar bleibt jedoch, in welcher Höhe sie zusätzliche Gelder bereitstellen will. Wir fordern weiterhin, bis 2025 den jährlichen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung von vier auf acht Milliarden Euro zu erhöhen. Denn Deutschland gehört zu den Ländern, die für einen Großteil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Gleichzeitig tragen die am stärksten von Armut betroffenen Menschen der Welt die Hauptlast der zerstörerischen Auswirkungen der Klimakrise.
Ein positives Zeichen setzt die Ampel mit dem Ziel, den Kohleausstieg idealerweise vom Jahr 2038 auf das Jahr 2030 vorzuziehen. Bis dahin sollen 80 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Nachdem der Ausstieg aus der Kohle auch auf internationaler Bühne verstärkt diskutiert wird, wie beispielsweise bei der diesjährigen Klimakonferenz in Glasgow, ziehen SPD, Grüne und FDP hier die richtige Konsequenz.
4. Der Kurswechsel in der weltweiten Pandemiebekämpfung bleibt aus
Mit Blick auf die Bekämpfung der Pandemie bekennt sich die Ampel-Koalition zu einer weltweit gerechten Impfstoffversorgung. Dafür wollen die drei Parteien die COVAX-Initiative, die für die weltweite Koordinierung der Impfstoffverteilung verantwortlich ist, finanziell unterstützen und Impfdosen bereitstellen. Das ist ein guter Anfang und knüpft an den Einsatz der letzten Bundesregierung an. Das vergangene Jahr hat jedoch gezeigt, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen und nicht immer eingehalten werden. Gerade in ärmeren Ländern haben viele Menschen noch immer keinen Zugang zu COVID-19-Impfstoffen. Weltweit wurden bereits fast 8 Milliarden Dosen verimpft. Die ärmsten Länder der Welt haben davon aber nicht einmal 1 Prozent erhalten.
Um dies zu ändern, braucht es gleichzeitig zur finanziellen Unterstützung von COVAX und der Abgabe von Impfdosen auch einen Ausbau der weltweiten Impfstoffproduktion insbesondere in Ländern des Globalen Südens. Der Ausbau kann jedoch nur dann gelingen, wenn das notwendige technologische Wissen von den Pharmakonzernen geteilt wird und Impfstoffpatente für die Zeit der Pandemie freigegeben werden. Die Ampel setzt hier weiter auf die freiwillige Kooperationsbereitschaft der Unternehmen – ein Weg der bislang gescheitert ist.
Der so notwendige Kurswechsel bleibt also aus. Und das obwohl mehr als 100 Staaten mittlerweile fordern, Patentrechte auf COVID-19 Impfstoffe vorübergehend auszusetzen und dafür den TRIPS-Waiver unterstützen. Die Bundesregierung – ob alt oder neu – darf diesen Vorschlag nicht länger blockieren und muss gleichzeitig deutsche Pharmaunternehmen zum Technologietransfer bewegen!
5. Entwicklungsministerium weiterhin eigenständig und in der Hand der SPD
Nachdem in den vergangenen Wochen Gerüchte zur möglichen Auflösung des Entwicklungsministeriums kursiert sind, ist jetzt glücklicherweise klar: Die Entwicklungszusammenarbeit wird weiterhin durch ein eigenständiges Ministerium vertreten sein. Das Ministerium wird in Hand der SPD liegen. Wer jedoch an der Spitze des Ministeriums stehen wird, ist noch unklar und wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
6. In der Nikolauswoche soll die neue Regierung stehen
Der Koalitionsvertrag ist also in trockenen Tüchern, aber noch ist Olaf Scholz nicht Kanzler. Denn die Parteispitzen benötigen jetzt noch die Zustimmung ihrer Parteien. Die Grünen werden dafür in den kommenden Tagen ihre Mitglieder befragen. SPD und FDP hingegen kommen am ersten Dezemberwochenende zu Parteitagen zusammen, um eine finale Entscheidung zu treffen. Nachdem der Auftritt der Parteispitzen aber durch Harmonie geprägt und auch die erste öffentliche Reaktion überwiegend positiv war, stehen die Zeichen gut. Zu Nikolaus gibt es dann das große Finale, denn da soll Olaf Scholz im Deutschen Bundestag zum Kanzler gewählt werden und die neue Regierung feststehen.
Mit unserer Kampagne “Deine Stimme kann #ZukunftSchaffen” rufen wir die nächste Bundesregierung dazu auf, sich für einen starken Beitrag für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe einzusetzen und damit die Weichen für eine gerechte Welt für alle zu stellen. Hier erfährst du mehr.