Die COVID-19-Pandemie hat jahrzehntelange Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter zunichtegemacht. Jetzt ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass wir nicht noch weiter zurückfallen.
Mädchen und junge Frauen sind der Schlüssel zur Beendigung des Hungers, zur Rettung der Umwelt und zur Ankurbelung der Wirtschaft – aber sie schaffen das nicht ohne Unterstützung. Im Rahmen unserer Kampagne “Extreme Armut beenden – JETZT und ÜBERALL” ruft Global Citizen die Welt dazu auf, Mädchen JETZT zu stärken.
Die Staats- und Regierungschef*innen der Welt müssen ihre Zusagen einhalten, in die Gesundheit von Frauen, die Bildung von Mädchen und die Pflege zu investieren. Um Frauenarmut international bekämpfen und junge Frauen in unmittelbarer Not erreichen zu können, werden mehr als 400 Millionen US-Dollar (rund 373 Millionen Euro) benötigt. Wir fordern die Staats- und Regierungschef*innen der G7 auf, sich dazu zu verpflichten, den unmittelbaren finanziellen Bedarf zu decken und gleichzeitig einem mehrjährigen Investitionsplan zuzustimmen, der 50 Millionen heranwachsende Mädchen erreichen wird.
Hier kommen elf Fakten, die beweisen, dass wir Mädchen JETZT stärken müssen.
1. 129 Millionen Mädchen weltweit gehen nicht zur Schule.
Ein Drittel der weltweit ärmsten Mädchen zwischen zehn und 18 Jahren hat noch nie eine Schule besucht. In ländlichen Gebieten gehen 61 Prozent der Mädchen nicht auf eine weiterführende Schule. Die COVID-19-Pandemie hat auch dazu geführt, dass Mädchen mehr Lernverluste haben als Jungen und einem erhöhten Risiko von Kinderarbeit, geschlechtsspezifischer Gewalt, früher Heirat und Schwangerschaft ausgesetzt sind.
Wenn Mädchen eine hochwertige Bildung erhalten, profitieren alle Bereiche ihres Lebens und ihre Gemeinschaften davon. Wenn Mädchen zur Schule gehen, unterstützt es das Wirtschaftswachstum, fördert indirekt den Frieden und trägt zur Bekämpfung der Klimakrise bei. Frauen, die eine Sekundarschulbildung abschließen, erzielen ein höheres Einkommen, haben gesündere Kinder, sind seltener von Gewalt in der Partnerschaft betroffen und berichten von einem höheren psychischen Wohlbefinden.
2. Von den 811 Millionen Menschen, die weltweit unter Hunger leiden, sind fast 60 Prozent Frauen und Mädchen.
Frauen und Mädchen bauen weltweit die meisten Lebensmittel an und bereiten die meisten Mahlzeiten zu. Doch sie sind in der Regel auch die Ersten, die ihre Lebensmittel opfern müssen, wenn Familien in wirtschaftliche Not geraten.
Kinder gehören zu den Gruppen, die am stärksten von Hunger bedroht sind, da sie beim Essen von Erwachsenen abhängig sind. Mädchen kümmern sich oft um Verwandte und sind die letzten, die essen, wenn die Lebensmittel knapp sind. Sie werden auch oft von ihren Familien verheiratet, weil diese dann eine Person weniger ernähren müssen.
Zudem leiden Frauen am stärksten unter Nährstoffmangel. Wenn sie gleichzeitig schwanger sind, wirkt sich das negativ auf die Entwicklung der Kinder aus – und wird so über Generationen hinweg weitergegeben.
Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass Frauen ihr Geld für die Ernährung und den Unterhalt ihrer Familien verwenden. Wenn Frauen und Mädchen die gleichen Chancen erhalten wie Jungen und Männer, könnte das dazu beitragen, den Hunger für alle zu beenden.
3. Millionen von Mädchen und Frauen, die von der COVID-19-Pandemie betroffen sind, haben keinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit.
Der Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit war für Mädchen schon vor der COVID-19-Pandemie mit zahlreichen Hindernissen verbunden, die sie einem erhöhten Risiko von Komplikationen, unbeabsichtigte Schwangerschaften und Müttersterblichkeit ausgesetzt haben. Doch nun wurden weitere Ressourcen von den Gesundheitsdiensten für Frauen abgezogen und im Bereich der Pandemiebekämpfung eingesetzt.
4. Mehr als zwölf Millionen Frauen verloren im Jahr 2020 den Zugang zu Verhütungsmitteln.
In mehr als 115 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gab es im Jahr 2020 1,4 Millionen unbeabsichtige Schwangerschaften mehr, weil Frauen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln hatten. Fast die Hälfte der in 58 Ländern befragten Frauen (48 Prozent) hatte zwischen 2020 und 2021 einen erschwerten Zugang zu Hygiene- und Gesundheitsartikeln – dazu gehörten auch Menstruationsprodukte, Verhütungsmittel und Seife. Mehr als ein Drittel der Befragten hatte Schwierigkeiten beim Zugang zu medizinischer Versorgung wie beispielsweise Gynäkologie oder Geburtshilfe.
5. Etwa 4,3 Milliarden Menschen im zeugungsfähigen Alter fehlt während ihres Lebens mindestens eine Gesundheitsleistung in diesem Bereich.
Der Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit ist der Schlüssel zur Sicherheit von Frauen und Mädchen. In vielen Ländern gilt Vergewaltigung nicht als Straftat. Fragen der reproduktiven Gesundheit sind eine der Hauptursachen für Krankheit und Tod von Frauen und Mädchen im zeugungsfähigen Alter. In Afrika südlich der Sahara, wo die Mehrheit der Armen der Welt lebt, sind zwei Drittel der Erkrankungen von Frauen auf Probleme der sexuellen und reproduktiven Gesundheitsversorgung zurückzuführen.
Etwa 23 Millionen Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren in den Ländern mit niedrigem Einkommen haben keinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln wie etwa Kondomen, der Antibabypille und der Spirale. Ohne den Zugang dazu können Mädchen keine Entscheidungen über ihren eigenen Körper und ihre Zukunft treffen oder Schwangerschaftskomplikationen verhindern.
6. Schätzungen zufolge ist die Hälfte der Schwangerschaften bei Mädchen in Ländern mit geringem Einkommen unbeabsichtigt.
Schwangerschaften im Jugendalter treten häufiger in armen und marginalisierten Gemeinschaften auf. Sie führen zu Kinderheirat, wodurch die Mädchen von den Männern gezwungen werden, die Schule abzubrechen. Das Stigma, das mit der jungen Mutterschaft verbunden ist und der fehlende Zugang zu Gesundheitsdiensten bringen schwangere Mädchen in die Gefahr einer unzureichenden Schwangerenvorsorge, die ihre Gesundheit und die ihrer Babys gefährden kann.
7. Mehr als 31 Millionen Mädchen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara besuchen keine weiterführende Schule, viele von ihnen aufgrund von Kinderheirat und Schwangerschaft im Teenageralter.
Etwa 90 Prozent der Schwangerschaften im Teenageralter in Ländern mit geringem Einkommen entstehen in Ehen. Wenn Mädchen zur Kinderheirat gezwungen werden, besteht oft ein Machtungleichgewicht. Sie haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln und werden unter Druck gesetzt, ihre Fruchtbarkeit zu beweisen. Schwangere Mädchen und Jugendliche sind aufgrund ihres unreifen Körpers auch mit anderen Gesundheitsrisiken und Komplikationen konfrontiert. Zudem trägt die Schwangerschaft von Jugendlichen wesentlich zur Mütter- und Kindersterblichkeit bei. Komplikationen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt sind weltweit die häufigste Todesursache bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren.
Unverheiratete schwangere Jugendliche erleben oftmals Stigmatisierung, Ablehnung oder Gewaltandrohung durch Eltern und Gleichaltrige. Mädchen, die jung schwanger werden, sind zudem wahrscheinlicher von Gewalt in der Ehe oder Partnerschaft betroffen.
Wenn Mädchen aufgrund von Kinderheirat oder Schwangerschaft die Schule verpassen, können die Auswirkungen davon über Generationen hinweg zu spüren sein. Kinder, die von jugendlichen Eltern geboren werden, haben ein höheres Risiko, schlechte schulische Leistungen zu erbringen. Diese Kinder leben auch später häufig unterhalb der Armutsgrenze und haben selbst ein höheres Risiko, die Schule abzubrechen und jung Eltern zu werden.
Schwangerschaften im jungen Alter zu vermeiden, hat deshalb mehrere Vorteile: Die Mädchen können in der Schule bleiben, sexuell übertragbare Krankheiten vermeiden und unsichere Abtreibungen verhindern.
8. Jedes Jahr werden etwa 3,9 Millionen unsichere Schwangerschaftsabbrüche bei Mädchen vorgenommen.
In Ländern, in denen Abtreibung verboten oder stark eingeschränkt ist, greifen Jugendliche oft selbst auf unsichere Abtreibungsarten zurück. Sie bringen damit ihre Gesundheit und sogar ihr Leben in Gefahr. Unsichere Abtreibungen sind weltweit die dritthäufigste Ursache für Todesfälle bei Müttern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich 47.000 Frauen daran sterben.
9. Ein globaler Aufschwung, der Frauen und Mädchen in den Mittelpunkt stellt, könnte verhindern, dass weitere 47 Millionen Frauen und Mädchen in extreme Armut abrutschen.
Die COVID-19-Pandemie hat die Entwicklung von Frauen auf der ganzen Welt stark gebremst und jahrelange Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter zunichte gemacht. Frauen tragen oft die wirtschaftliche Hauptlast von Krisen. Ihre Beschäftigung ist in Krisenzeiten um 19 Prozent stärker gefährdet als die von Männern, wodurch Frauen einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Frauen und Mädchen in den Mittelpunkt des globalen Wiederaufbauplans nach COVID-19 zu stellen, kann ihnen helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.
10. Frauen und Mädchen leisten mehr unbezahlte Betreuungsarbeit als je zuvor.
Mädchen müssen oft einen ungerechten Anteil an unbezahlter Hausarbeit übernehmen, wozu auch die Kinderbetreuung gehört. Das machen sie oft, anstatt ihre Ausbildung abzuschließen oder die Kindheit zu erleben, die sie verdienen.
Vor der COVID-19-Pandemie leisteten Mädchen zwischen zehn und 14 Jahren im Durchschnitt 50 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Jungen. Frauen und Mädchen waren insgesamt häufiger als Männer und Jungen mit den negativen sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie konfrontiert, dazu gehört auch eine erhöhte Belastung durch unbezahlte Betreuungsarbeit.
11. Mehr als 40 Prozent der Mädchen und Jungen weltweit im Schulalter haben keinen regelmäßigen Zugang zu qualitativ hochwertiger Betreuung.
Die COVID-19-Pandemie hat Unzulänglichkeiten in der Kinderbetreuung aufgedeckt, die junge Mädchen in einer unsicheren Umgebung zurücklassen. Eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist für die zukünftige Entwicklung der Kinder jedoch von entscheidender Bedeutung. Wenn Mädchen bereits vor dem fünften Lebensjahr ein sicheres und stimulierendes Umfeld geboten wird, können Ungleichheiten im späteren Leben verringert werden.