In einem Land, in dem die Taliban einst Frauen strikt verboten haben, Sport zu treiben, hat Khalida Popal mit ihrer Entscheidung einen Akt der Rebellion gewagt.
Dabei fing alles harmlos an. In den 80ern in Kabul geboren, in einer Zeit bevor die Taliban an die Macht kamen, war es für Khalida ganz normal, zu Hause und in der Schule Fußball zu spielen. Khalidas Mutter war Sportlehrerin und vertrat gegenüber ihrer Tochter und ihren Schülerinnen die Überzeugung, dass Mädchen die Freiheit haben sollten, jedem Sport nachzugehen, der ihnen beliebt.
Doch mit der Zeit gewannen die Taliban langsam aber sicher immer mehr an Einfluss - und damit auch deren ultra-konservative Ideologie, in der die Freiheit von Mädchen und Frauen enorm eingeschränkt wird.
Khalidas Familie spürte, dass sich ein Unheil anbahnte und beschloss, Afghanistan zu verlassen und nach Peshawar in Pakistan auszuwandern.
1996 kamen die Taliban dann vollends an die Macht und zögerten nicht lange, ihre fragwürdige Auslegung der Scharia im ganzen Land zu verbreiten. Frauen war es nicht mehr erlaubt zu arbeiten, im Fernsehen gezeigt oder aber im Radio gehört zu werden. Sie durften das Haus nicht mehr ohne einen männlichen Blutsverwandten verlassen - und von Sport war natürlich erst gar nicht die Rede.
Strafen bei Missachtung dieser Regeln waren enorm hart.
Das Fußballstadion Ghazi Sports Stadium, in dem Khalida früher Fußball spielte, wurde kurzerhand zu einem Ort, an dem auch öffentliche Bestrafungen und Hinrichtungen stattfanden.
Khalida und ihre Familie waren froh, dem drakonischen Regime entkommen zu sein und harrten in Pakistan aus. Sie gaben die Hoffnung nicht auf, dass die Taliban gestürzt werden und die Familie bald wieder nach Hause zurückkehren kann.
Und nach langen und hässlichen Jahren des autoritären Regierungssystems kamen die Taliban dann im Jahr 2001 endlich zu Fall. Khalida und ihre Familie kehrten in ihre Heimat zurück. Und mussten feststellen: das unterdrückende Regime schien weg, aber die unterdrückenden Werte und Vorstellungen, welche die Taliban gestreut haben, saß noch tief in den Köpfen der Bevölkerung.
So dauerte es Weile, bis sich das Gesetz langsam lockerte und Frauen wieder anfangen durften, zu arbeiten. Auch Khalidas Mutter nahm ihren Beruf als Lehrerin wieder auf - und gründete im Jahr 2004 einen Mädchen-Fußballclub für ihre Schülerinnen. Und nun begann auch Khalidas Karriere Form anzunehmen.
Zunächst ermutigen Khalida und ihre Mutter andere Schulen dazu, ebenfalls Fußball-Clubs zu gründen. Dann wagten sie den nächsten Schritt und traten an Keramuddin Karim, den Präsidenten des Afghanischen Fußballverbandes, heran. Sie baten ihn darum, ein Fußball-Komitee bestehend aus Frauen ins Leben zu rufen. Keramuddin Karim, ein Mann, der das Potential der Frauen im Sport sah und dem Gedanken gegenüber durchaus positiv eingestellt war, sagte tatsächlich ja.
Doch Afghanistan ließ sich leider nicht über Nacht ändern und die tief konservativen Überzeugungen waren immer noch allgegenwärtig.
„In Afghanistan werden Frauen, die Sport treiben, als Prostituierte bezeichnet." erzählte Khalida auf einer Sitzung bei der UNO. „Ich wollte beweisen, dass wenn ein Mann Fußball spielen kann, wieso sollte es eine Frau nicht?"
Doch wann immer Khalida und ihre Teamkolleginnen sich auf dem Spielfeld zum Training zusammen fanden, sahen sie sich Beleidigungen und Beschimpfungen von Männern - und auch anderen Frauen - ausgesetzt, die davon überzeugt waren, dass es für eine Frau unangebracht ist, Sport zu treiben.
„Einigen bewarfen uns mit Müll und Steinen, andere wiederum drohten uns, dass, wenn wir nicht mit dem Fußball aufhörten, man uns umbringen würde." erinnert Khalida sich in einem Interview mit dem People Magazine.
Doch diese massiven Anfeindungen konnten Khalida nicht davon abbringen, ihren Traum zu verfolgen - und sie arbeitet unerlässlich daran, das Bild der Menschen über Frauenfußball im ganzen Land zu verändern. Auch wenn sie dabei häufiger auf Ablehnung als auch Zustimmung traf.
Im Jahr 2007 hatte der Frauenfußball dann endlich genug positive Aufmerksamkeit zusammen gebracht, dass der afghanische Fußballverband beschloss, die allererste offizielle Frauenfußballmannschaft aufzustellen. Und Khalida wurde zum Kapitän ernannt!
„Es war eine große Ehre, als Kapitän mein Land vertreten zu dürfen, aber es ist eine noch größere Ehre, als Vorbild und Inspiration für tausende von jungen Mädchen in Afghanistan zu dienen", sagt Khalida über ihre Ernennung.
Als Kapitän der Mannschaft wurde Khalida natürlich bald zu einer landesweit bekannten Persönlichkeit, die auch oft in den Medien auftrat. All die Aufmerksamkeit nutzte Khalida, um sich für die Rechte von Mädchen und Frauen stark zu machen. Mit ihrer Arbeit auf und neben dem Spielfeld allerdings zog sie auch den Unmut von denjenigen aus der Bevölkerung auf sich, die gegen Frauen im Sport waren. Das ganze ging soweit, dass Khalida sogar ernstzunehmende Morddrohungen erhielt und um ihr Leben fürchten musste.
„Ich kam an einen Punkt, an dem ich mich zwischen meiner Familie und meiner Leidenschaft, dem Fußball, entscheiden musste." erzählt sie der Autorin Stephanie Yang. Doch Khalidas Familie wollte nicht zulassen, dass Khalida ihren Traum aufgab und so rang sie sich im Jahr 2011 zu der schwierigen Entscheidung durch, ihre Familie zu verlassen und Asyl in Dänemark zu suchen, wo Khalida auch heute noch lebt.
Khalida ist inzwischen eine der größten Fürsprecherin für Sport, allen voran natürlich für Frauenfußball, in Afghanistan und weltweit. Inzwischen arbeitet sie mit einer dänischen Organisation zusammen, die den Fußballsport in die Welt hinaustragen will, um so Menschen zusammen zu bringen. Außerdem hat Khalida sich mit dem Unternehmen Hummel zusammengetan, um das aktuelle Fußballoutfit der afghanischen Frauen-Fußballmannschaft zu entwerfen - inklusive einer Spezialanfertigung für diejenigen Frauen, die ein Kopftuch tragen wollen.
„Ich wollte etwas entwerfen, das unsere Stärke wiederspiegelt und die Tradition und Kultur unseres Landes mit einwebt. Ich finde, dieses Outfit hat beides erreicht."
Für Khalida ist Fußball mehr als nur ein Spiel - und sie arbeitet unerlässlich auf und neben dem Spielfeld daran, die Chancen und Rechte für Mädchen und Frauen zu stärken.
„Ich habe mich für den Fußball entschieden, um so für meine Rechte einzustehen - aber auch, um andere Frauen dazu zu inspirieren, das gleiche zu tun, aus dem Schatten zu treten und ihre Stimme zu erheben."