Über Afrika kursieren die merkwürdigsten Gerüchte. Angefangen mit der Frage: ‚Land oder Kontinent'? Richtige Antwort: Afrika ist natürlich ein Kontinent! Aber wir haben noch einiges zu klären, denn auch ich habe noch einige der Mythen geglaubt. Und du?
1. Afrika ist gar nicht so groß
Hier ist die tatsächliche Größe des Kontinents zu sehen. Doch ganz schön groß, oder?
2. Ganz Afrika besteht aus Savanne und wilden Tieren
Image credit: BBC
Vor einigen Jahren ist der großen US Fluggesellschaft, Delta Air Lines, ein großer Fehler in den sozialen Medien unterlaufen. Sie gratulierten dem US Weltmeisterschaftsteam zu deren Sieg gegen Ghana und verwendeten dabei das Foto einer Giraffe, um damit das afrikanische Land zu repräsentieren. JDelta Airlines war scheinbar nicht bewusst, dass es in Ghana gar keine wilden Giraffen gibt. Die Twitter Community hat Delta Air Lines auf diesen Fehler hingewiesen.
Oh dear, @delta. There isn't even a single wild giraffes in Ghana. pic.twitter.com/oDsA1mA2RJ
— Messi Minutes (@MessiMinutes) June 17, 2014
That Delta giraffe pic is from Getty Images and it's from the Masai Mara National Reserve. In KENYA http://t.co/XV9t8Ig8mk via @YAppelbaum
— Solange U (@dcGisenyi) June 17, 2014
Delta wurde daraufhin vorgeworfen, sie seien rassistisch und würden Klischees aufrecht erhalten. Sie haben sich dafür entschuldigt. Allerdings zeigt dieses Beispiel, wie weit verbreitet solche Klischees in westlichen Medien sind. Ja, es gibt eine ganze Menge aufregender wilder Tiere und wunderschöne Savannen in einigen Ecken Afrikas. Allerdings gibt es auch riesige Städte, sanft geschwungene Strände, historische Kulturdenkmäler und vieles mehr. Eine Region Afrikas ist nicht mit einer anderen zu vergleichen, und wir sollten nicht einen ganzen Kontinent auf diese Weise klischeehaft behandeln.
3. Afrika ist arm und wird es immer bleiben
DJ Paco (Papis), ein DJ und Rap-Musiker aus Mauretanien. Foto von Philippe Sibelly, The Other Africa.
45 bis 50 Prozent der Bewohner in Subsahara-Afrika haben weniger als 1,90 US-Dollar am Tag und leben unter der Armutsgrenze, so die Schätzung der Weltbank. Das ist dramatisch. Wegen gewälttätiger Konflikte und mehreren Dürreperioden in den vergangenen Jahren, ist die Lage in einigen Ländern derzeit besonders schlimm. Doch es gibt auch positive Entwicklungen: In Ghana wuchs das Wirtschaftswachstum 2011 um unglaubliche 14 Prozent. Auch in 2017 waren es immerhin noch knapp 6 Prozent.
4. Es ist dort immer heiß, trocken und sonnig
Photo credit: Kyle Taylor (Flickr)
Der „Band Aid“ Song ist vielleicht ein klassischer festlicher Hit, aber wenn du beim nächsten Mal die Strophe singst „In diesem Jahr wird es zu Weihnachten in Afrika nicht schneien“, dann bedenke, dass das nicht stimmen muss. Denn Afrika ist ein Kontinent mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten Landschaften und Klimazonen. Schaue dir zum Beispiel die überwältigend schöne Schneelandschaft des Kilimandscharo in Tansania an!
5. Afrikaner haben keinen Zugriff auf moderne Technik
Der Technikmarkt in Afrika wächst unvorstellbar schnell und globale Technologie-Giganten investieren umfangreich in den Kontinent. Wusstest du, dass es für Menschen in Kenia vier Mal wahrscheinlicher ist, ein Mobiltelefon zu besitzen als Zugang zu einer sauberen Toiletten bzw. zu sauberen Sanitäranlagen zu haben? Insgesamt leben 90 Prozent der Menschen, die keinen Zugang zu einer Toilette haben, wohnen in Südasien und in Afrika südlich der Sahara.
6. Um sich zu entwickeln, sollte Afrika sich am Westen orientieren
Der Tana River in Kenia steht für die Wasserkraft des Landes. Image credit: Bedford Biofuels
Es gibt so viele Argumente gegen diese Vermessenheit. Wir haben da mal zwei Beispiele.
Erstens; Im ostafrikanischen Ruanda ist Plastik verboten. Nein, nicht nur Plastiktüten werden aus Supermarkt verbannt. Seit mehr als zehn Jahren darf in Ruanda kein sogenanntes Polyethylen-Plastik mehr produziert werden. Nur in Hotels oder bei Bauvorhaben darf man eine Sondergenehmigung einholen. Wo gibt's das schon in Europa?
Zweitens: Viele afrikanische Länder sind den westlichen Ländern weit voraus, was umweltverträglichen Energieverbrauch angeht. Sowohl England als auch die Vereinigten Staaten beziehen nur 11 Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen, weniger als Kenia allein aus geothermalen Quellen bezieht (13 Prozent des kenianischen Energieverbrauchs). Inzwischen kommen erstaunliche 50 Prozent der Energie Kenias aus Wasserkraft. Was also die Nachhaltigkeit angeht, sollten wir da nicht unseren Blick auf Kenia richten, um dort Antworten zu finden? Oh ja!
7. In Afrika gibt es keine Medienindustrie
Die nigerianische Schauspielerin Taiwo Ajayi-Lycette wird vor ihrem Auftritt geschminkt. Foto: Akintunde Akinleye/Reuters
Moment! Pro Jahr werden in Nigerias 'Nollywood' mehr Filme produziert als im amerikanischen Hollywood. Das ist eine TATSACHE. Punkt.
8. Die Afrikaner unternehmen nichts, um sich selbst zu helfen
Dr. Hawa Abdi und ihre Töchter. Gemeinsam haben sie in Somalia über 90.000 Frauen und Kindern geholfen. Foto: Dr Hawa Abdi Stiftung.
Das Klischee, dass Afrikaner von westlicher Hilfe abhängig sind, wird seit Jahrzehnten durch gut gemeinte, aber wohl gefährliche Wohltätigkeitsinserate im Westen aufgebaut. Bombardiert mit Bildern von traurigen, schmutzigen Kindern, deren Augen den Betrachter eindringlich dazu aufrufen, Geld zu spenden, verwundert es nicht, dass alle das glauben. Die Debatte darüber, wie entwicklungsorientierte Wohltätigkeitsorganisationen Anzeigen gestalten sollten, ist komplex, aber diese Fotos lassen die Tatsache außer Acht, dass Afrikaner sich selbst helfen können und das auch tun.
Im Jahr 2015 haben Afrikaner, die ausgewandert sind, sage und schreibe 63 Milliarden US-Dollar zurück nach Afrika geschickt, sogenannte Remittances. In 2010 wurden von westlichen Ländern 43 Milliarden Dollar zur Unterstützung überwiesen, bekannt als „öffentliche Entwicklungszusammenarbeit“, Official Development Assistence (ODA). Ja, du liest richtig. Afrikaner, die jetzt außerhalb des Kontinents leben, schicken mehr Geld zu ihren Familien nach Hause als die westliche Welt an Hilfe sendet.
Außerdem existieren zahllose Beispiele für die „Grassroots Projects“, gegründet von Afrikanern für Afrikaner. Eine davon ist Hawa Abdi, eine wunderbare Somalierin, die in den 80er Jahren eine Kurklinik gründete. Diese umfasst nun eine Schule, ein Flüchtlingslager und ein Krankenhaus für über 90.000 Frauen und Kinder, die im Krieg ihre Heimat verloren haben.
9. „Afrikanisch“ ist eine Sprache (und Afrikaner sprechen kein Englisch)
Ein Student der Cambridge University hinterfragt afrikanische Klischeevorstellungen Photo from Tumblr (We Too Are Cambridge)
Es werden mehr als 2000 Sprachen quer über den ganzen afrikanischen Kontinent gesprochen, aber „Afrikanisch“ gehört nicht dazu. Das entspräche der Annahme, dass Menschen, die in Europa leben, „Europäisch“ sprechen. Englisch ist eine offizielle Sprache in 24 afrikanischen Nationen und wird auf einem hohen Niveau in Schulen überall im Land unterrichtet.
10. Afrikanische Männer tragen immer Maschinengewehre mit sich
Dieses tolle Video von Mama Hope wurde von Afrikanern aufgenommen, um Mythen und Klischees über sich selbst zu widerlegen. Echt cool, oder?
11. Jeder in Afrika hat AIDS
Justine Sacco, eine PR Direktorin der InterActiveCorp, hat Ende 2013 kurz bevor sie an Bord ihres Fluges nach Südafrika ging, diesen Tweet gepostet. Verständlicherweise gab es eine Flut an Reaktionen aus aller Welt – und zwar von „einfach unglaublich“ bis...
Yes, but you're also clearly stupid. “@JustineSacco: Going to Africa. Hope I don't get AIDS. Just kidding. I'm white!”
— Whydya Tweetthat (@TwitOvershare) December 20, 2013
Oh. Hell. No. Did this Justine Sacco person just say that? Did she really fix her keyboard to type that mess? Whyyyyyyyy? You racist bitch!
— Silas' Auntie Lidah (@Lilikins8) December 21, 2013
Nachdem Justine von einem weltweiten Twittersturm getroffen wurde, entschuldigte sie sich für ihre Anmerkung. Dennoch zeigt dieser taktlose Tweet ein schreckliches Klischee, das noch weit verbreitet ist.
Nicht jeder Mensch in Afrika ist krank. Darüber hinaus sollten wir mit denen, die an HIV oder an einer anderen Krankheit leiden genauso umgehen, wie auch wir es erwarten würden, nämlich mit Respekt und Würde.
12. Sämtliche Staatsführungen in Afrika leisten schlechte Arbeit
Ellen Johnson Sirleaf bei einer Rede zur Eröffnung von Liberias erster schulgeldfreien Mädchenschule, der More Than Me Academy. Foto: More Than Me.
Wahr ist: Korruption und Vetternwirtschaft ist ein Problem in Afrika. Doch wer die Nachrichten aufmerksam verfolgt, merkt: Diese Probleme gibt es nicht nur in Afrika, sondern in vielen anderen Ländern sowie international bekannten Organisationen und Institutionen.
In Liberia hat die ehemalige Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf viel erreicht und die Welt beeindruckt: Für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und Frauenrechte bekam sie 2011 sie den Friedensnobelpreis verliehen. 2017 fiel Sirleafs Name in Zusammenhang mit den Panama Papers. Das Beispiel zeigt mal wieder: Es gibt selten ein „Schwarz und Weiß".
13. Jeder Afrikaner lebt in einer Lehmhütte im Niemandsland
Rate mal, wo sich diese Stadt wohl befindet? In den Vereinigten Staaten? In Europa? In Asien? Nein, es handelt sich um Lagos, Nigeria, mit einer Bevölkerungszahl von 21 Millionen Menschen – mehr als doppelt so viele wie im Stadtgebiet von London! Im Jahre 2008 lebten 39 Prozent der afrikanischen Bevölkerung in Ballungsgebieten – mit steigender Tendenz.
14. In Afrika wird nicht gefeiert
Bevor ich zum ersten Mal den Kontinent bereiste, hätte ich nicht gedacht, dass es in Afrika auch Partys, Bars oder Clubs gibt. Aber da hatte ich mich wirklich gründlich geirrt. Nachdem ich fünf Jahre meines Lebens mit einer NGO (=Non Governmental Organisation) zusammengearbeitet habe, kann ich mit Sicherheit sagen, dass die meisten meiner kenianischen Freunde wissen, wie man richtig feiert. Und mit feiern meine ich nicht nur Kneipen und Clubs, sondern einen Grund zu finden, um zu singen und zu tanzen – egal zu welcher Tageszeit.
15. Schicksal und Hoffnungslosigkeit
Dieser satirische Gedanke („it’s all doom and gloom") zeigt, dass wir alle miteinander verbunden sind, ganz gleich, wo wir geboren wurden. Alle 60 Sekunden passieren schreckliche Dinge auf der ganzen Welt, nicht nur in Afrika. Aber, es geschehen auch sehr viele gute Dinge!