Warum ist das wichtig?
769 Millionen Menschen leben weltweit in extremer Armut - der niedrigste Wert der Geschichte. Allerdings messen verschiedene Länder Armut auf unterschiedlich Weisen. Ein Experte der Vereinten Nationen soll nun in Großbritannien herausfinden, wie viel Armut es in dem Land wirklich gibt. Engagiere dich jetzt, um die Ursachen extremer Armut zu bekämpfen.

Ist extreme Armut ein Problem in Großbritannien? Die Vereinten Nationen wollen diese Frage nun beantworten.

Menschen gelten als extrem arm, wenn ihnen pro Tag weniger als 1,90 amerikanische Dollar (Kaufkraft, rund 1,64 Euro) zur Verfügung stehen. Zwischen 1990 und 2013 konnte die Zahl der Betroffenen um mehr als eine Billionen gesenkt werden – Ende 2015 galten noch rund 700 Millionen Menschen als extrem arm.

Professor Philip Alston ist bei den Vereinen Nationen Ermittler für die Themen Menschenrechte und extreme Armut. Alston nennt drei Indikatoren für extreme Armut: “fehlendes Einkommen, keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und soziale Ausgrenzung”, so berichtet es die britische Zeitung Guardian.

Im November wird Alston Großbritannien besuchen, um herauszufinden, ob es auch dort Menschen gibt, die nach seiner Definition als extrem arm gelten.

Alston ist ein sogenannter “Rapporteur”, das heißt ein unabhängiger Experte, der vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzt wird, um einzuschätzen, wie ein Land bezüglich eines bestimmten Zusammenhangs darsteht.

Großbritannien wird jetzt unter die Lupe genommen. Alston ist bereits mit einigen Briten, die unter extremer Armut leiden könnten, im Kontakt und hört sich ihre Geschichten an. Er möchte herausfinden, welchen Einfluss Sozialleistungen, Sparprogramme und der Brexit auf Armut haben, bevor er zu einem abschließenden Ergebnis kommt. Es soll unter anderem in Erfahrung gebracht werden, wie einzelne Menschen und Organisationen extreme Armut definieren, ob der Staat möglicherweise unzureichende Unterstützung und Angebote bietet und ob Menschenrechte verletzt werden.

Anfang des Jahre hat Alston nach einem sechsmonatigen Trip durch die USA eine vernichtenden Bericht veröffentlicht, in dem er die steigende Armut kritisiert. Er spricht davon, dass ”die Vorteile ökonomischen Wachstums zu einem deutlich überwiegenden Teil den Reichen zugute” kämen. Die Botschafterin der USA für die Vereinten Nationen, Nikki Haley, tut Altons Bericht als  “völlig lächerlich” ab.

Die britische Regierung hat Alston offiziell eingeladen. Doch es gäbe kontroverse politische Diskussionen darüber, dass er die Folgen der Sparprogramme für die öffentlichen Versorgungsbetriebe untersucht.

Charity-Organisationen, Think-Tanks und Akademiker stehen bereits mit Alston im Kontakt und einige der geteilten Erfahrungen sind schockierend.

Der 30-jährige Alexander Tiffin, zum Beispiel, lebt in den schottischen Highlands und bezieht Sozialleistungen. Er war Soldat und ist behindert. Tiffin kann sich kein Essen leisten und hat deshalb bereits 16 Kilogramm Körpergewicht verloren.

“Im Februar hatte ich zwei Wochen lang nichts zu essen”, schrieb er. “Wahrscheinlich hatte ich an weniger als jedem vierten Tag etwas zu essen in diesem Monat. Es war einfach nichts da und ich habe fast 16 Kilogramm  abgenommen. Mir sind die Haare ausgefallen und einige Zähne wackeln jetzt, weil ich nicht genug Vitamine zu mir genommen habe.” Der Guardian berichtet, dass Tiffin darüber hinaus psychische Probleme bekommen und angedroht habe, andere Menschen umzubringen.

Die internationale Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW), die Joseph Rowntree Stiftung und der Trussell Trust - ein Zusammenschluss  aus 428 gemeinnützigen Organisationen, die übriggebliebenes und gespendetes Essen umverteilen - werden Alston berichten, wie sie gegen Armut kämpfen.

Zwischen April 2017 und März 2018 hat das Netzwerk Trussel Trust knapp 1.333.000 Drei-Tages-Notfallrationen an Briten verteilt, davon 484.000 an Kinder. Im Vergleich zum Vorjahr, ist diese Zahl um 13 Prozent gestiegen.

Die Joseph Rowntree Stiftung hat herausgefunden, dass 1,5 Millionen Menschen, darunter 365.000 Kinder, täglich mit Armut zu kämpfen haben, weil sie mindestens zwei von sechs grundlegenden Dingen nicht haben: eine Obdach, Essen, eine Heizung, Beleuchtung, Kleidung oder Hygieneartikel.

“Ein großer Teil des Hungers wird nicht registriert. Eltern lassen Mahlzeiten aus, Kinder gehen hungrig in den Unterricht und Familien sind auf günstige, neu verteilte Nahrung, die anderswo übrig geblieben ist oder gespendet wurde, angewiesen, um klarzukommen”, berichtet HRW Mitarbeiter Kartik Raj.

“Menschen haben das Recht auf Essen und eine angemessene Lebensqualität. Es handelt sich dabei um Menschenrechte, die laut völkerrechtlichen Vereinbarungen von der Regierung gesichert werden müssen. Wenn die fünft stärkste ökonomische Kraft der Welt nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen gerecht zu werden, das heißt ein Minimum sicherzustellen, oder es sogar eine Verschlechterung der Lebensumstände derer gibt, die bereits am schlechtesten dran sind, dann ist das mit Sicherheit etwas, das wir dem Rapporteur berichten werden.”

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Ein Beitrag von James Hitchings-Hales