Nach fast 36 Jahren strenger Reglementierung (mit nur sehr wenigen Ausnahmen), hat China diese Woche offiziell beschlossen, seine Ein-Kind-Regelung komplett einzustellen und allen Paaren ab sofort zu erlauben, auch zwei Kinder zu haben.

Was wie ein verrücktes Märchen klingt, war in China seit 1979 Alltag. Das Land erlebte damals einen regelrechten Bevölkerungswachstumsboom, der unter anderem die Sorge vor einer Hungersnot im Land schürte. China führte daher ein Gesetz ein, das besagte, dass Paare im ganzen Land nur noch ein einziges Kind bekommen durften. Wer dagegen verstieß, musste mindestens mit einer Geldstrafe, oftmals aber mit harten körperlichen Strafen wie gezwungene Abtreibung und Sterilisation rechnen.

Hinzu kam, dass die kulturelle Vorliebe für Söhne dazu führte, dass über Jahrzehnte hinweg Mädchen gezielt abgetrieben wurden. Das daraus resultierende Ungleichgewicht der Geschlechter übt heute enormen Druck auf die Gesellschaft aus.

Und die Bevölkerungskrise geht noch weiter: aufgrund der reglementierten Geburtenrate ist die Zahl der Menschen über 60 Jahre in den vergangenen Jahrzehnten enorm angestiegen, während die Zahl der nachwachsenden und arbeitenden Generation kontinuierlich schrumpfte. Allein im vergangenen Jahr sank die Zahl der Menschen zwischen 15 und 59 Jahren um ganze 3,71 Millionen Menschen.
Chinas offizielles Statement zur Abschaffung der Ein-Kind-Politik lautete daher auch: „Die Änderung der Gesetzeslage ist daran ausgelegt, die Entwicklung der Bevölkerung auszubalancieren und die Veränderungen hinsichtlich einer alternden Gesellschaft zu berücksichtigen."


Viele Experten sagen allerdings voraus, dass es trotz Gesetzgebung Zeit braucht, das lang gelebte Verhaltensmuster in der Gesellschaft aufzubrechen. Zudem zirkulieren immer wieder Gerüchte über eine Rückkehr zur Ein-Kind-Politik, was die Menschen derzeit immer noch verunsichert. Eine Umfrage in Chinas sozialem Netzwerk 'Weibo' brachte hervor, dass die meisten Chinesen skeptisch gegenüber den Auswirkungen dieser Gesetzesänderung sind. Aufgrund kontinuierlich steigender Lebensunterhaltskosten können sich die meisten Chinesen derzeit eh nicht mehr als ein Kind leisten.

Nichtsdestotrotz, die Ein-Kind-Politik war überwiegend unbeliebt in China und hinterlässt einen tiefen Einschnitt in der Gesellschaft, weswegen viele Menschen die Gesetzesänderung feiern. Einige Optimisten sehen dies sogar als ersten zaghaften Schritt in eine Verbesserung der Frauenrechte in China.

Von welcher Seite man es auch immer betrachten mag, es gilt festzuhalten, dass es lediglich eine Reform ist, keine Revolution. China hat noch einen langen Weg zu gehen. Man darf gespannt sein. 

Editorial

Gerechtigkeit fordern

China beendet offiziell seine Ein-Kind-Politik

Ein Beitrag von Yosola Olorunshola