Cisco Youth Leadership Award: Dieser Finalist kämpft mithilfe von Technologie gegen Diskriminierung auf den Philippinen

Ryam Yap/Micromedia for Global Citizen
Warum das wichtig ist
Im Rahmen der Global Goals wollen die Vereinten Nationen Ungleichheit und Ungerechtigkeit beenden. Das bedeutet: Die Millionen Menschen mit Behinderungen, Abhängigkeiten oder anderen Krankheiten dürfen nicht länger gesellschaftlich und finanziell ausgegrenzt werden. Sozialunternehmen wie “Virtualahan” machen vor, wie es geht. Schließe dich hier an, erfahre mehr über das Thema und stimme über die Finalisten des Cisco Youth Leadership Awards 2020 ab.

Ryan Gersava gründete das Sozialunternehmen “Virtualahan” aus der Not heraus. Nachdem er aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt worden war, erfüllte er sich seinen Bedarf nach einem neuen Job einfach selbst. Auch anderen diskriminierten Menschen auf den Philippinen verhalf er zu neuen Arbeitsplätzen.

Gersava wuchs in einer von Armut betroffenen Familie in einer Gemeinde auf dem Land auf. Doch moderne Technologie verschaffte ihm Zugang zu Bildung, sodass er sich schließlich an einem College bewerben und dort einen medizinischen Abschluss erlangen konnte. Er bewarb sich um einen Job, bestand alle Stufen des Bewerbungsprozesses. Und erhielt aus gesundheitlichen Gründen dann doch eine Absage.

“Im Grunde wollte mich niemand anstellen, also habe ich mich selbst angestellt”, sagt er bei einem Videoanruf mit Global Citizen. Und mit dieser Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt ist er nicht der einzige.

Auf den Philippinen, so erklärt er, sei es gängige Praxis, dass Unternehmen von Bewerber*innen ein ärztliches Attest verlangen. Ob es sich um einen Berufsanfänger*innen oder eine Stelle als CEO handelt, sei egal. Jeder Hinweis auf ein langfristiges Gesundheitsproblem, eine Behinderung oder eine neurodivergente Erkrankung wie Autismus könne dafür sorgen, dass Menschen eine Absage erhalten.

Cisco Youth Leadership Award: Finalist Gersava fand wegen seiner Hepatitis-Erkrankung keinen Job

“Dadurch fallen alle Menschen durch das Raster, die irgendeine Diagnose haben”, erklärt Gersava. “Genau das ist mir passiert. Ich habe alle Bewerbungsstufen für die Stelle bestanden und stand kurz vor einem Vertragsangebot. Doch ein paar Woche später kamen die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung. Ich war durchgefallen, weil ich an einer unheilbaren Krankheit leide: Hepatitis B. Aus HR-Sicht bin ich somit kein verlässlicher Mitarbeiter.”

Einer der Gründe, warum sich Gersava mit der Krankheit infiziert hat, ist der mangelnde Zugang zu Impfstoffen in seiner Heimat. Etwajeder zehnte Mensch auf den Philippinen ist von chronischer Hepatitis B betroffen.

Noch immer werden sie vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen – obwohl Unternehmen und Regierungsbehörden mit mehr als 100 Beschäftigten gesetzlich verpflichtet sind, Menschen mit Behinderungen anzustellen. Mindestens ein Prozent ihrer Jobs müssen sie mit Betroffenen besetzen.

“Derzeit sind die Unternehmen wirklich weit davon entfernt, auch nur diesen Anteil von einem Prozent zu erreichen”, sagt Gersava. Zudem würden weniger als zehn Prozent der Organisationen die Vorschrift einhalten, den Arbeitsplatz barrierefrei zu gestalten, etwa für blinde oder gehörlose Menschen.

Zudem beschreibt er die Diskriminierung im Arbeitsmarkt als eine Art Teufelskreis: Diskriminierung und Benachteiligung führe zu Umständen und Lebenserfahrungen, die wiederum zu neuer Diskriminierung folgen. “Diskriminierung betrifft Menschen mit Behinderungen, aber auch alleinerziehende Elternteile, insbesondere alleinerziehende Mütter, ehemalige Sexarbeiterinnen, ehemalige Drogenabhängige oder ehemalige Häftlinge”, sagt er.

Mit “Virtualahan” schaffte es Gersava ins Finale des Cisco Youth Leadership Award 2020

Diese systematische Ausgrenzung, hält Menschen in Armut gefangen. Durch die Gründung von “Virtualahan” wollte Gersava dieses Problem beheben. Er startete ein Schulungsprogramm mit digitalem Zugang von überall aus. Das ambitionierte Ziel: Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt im ganzen Land beenden.

Wegen dieses Engagements hat es Gersava nun unter die drei Finalist*innen für den Cisco Youth Leadership Award 2020geschafft. Mit dem Preis werden junge Aktivist*innen ausgezeichnet, die sich für die Global Goals der Vereinten Nationen einsetzen. Er ist mit 250.000 Dollar (etwa 211.000 Euro) dotiert, um die Organisation des Gewinners oder der Gewinnerin zu unterstützen.

Wer gewinnt, wird über eine öffentliche Abstimmung entschieden. Erfahre hier mehr über die drei Finalist*innen und gebe deine Stimme ab.

Doch worum geht es bei dem Sozialunternehmen von Gersava überhaupt? Der Name “Virtualahan” setzt sich zusammen aus “virtuell” und “escuelahan”, basierend auf dem spanischen Wort für Schule “escuela“. Es bedeutet also so etwas wie “virtuelle Schule”. “Virtualahan” bietet unter anderem Ausbildungsprogramme in den Bereichen digitales Design, Marketing oder Videobearbeitung. Jeder Mensch, der beim Zugang zum Arbeitsmarkt vor Problemen steht, dort ausgeschlossen oder diskriminiert wird, kann sich für eine der digitalen Schulungen bewerben. “Auch wenn wir unterschiedliche Hintergründe haben. Als Gruppe vereint uns der Kampf um einen Arbeitsplatz, geschweige denn einen menschenwürdigen Arbeitsplatz”, sagt Gersava.

Gersava legt den Fokus bei “Virtualahan” auf Tätigkeiten, die man über digitalen Unterricht erlernen kann

Seit der Gründung im Jahr 2015 haben mehr als 600 Absolvent*innen an den Schulungsprogrammen teilgenommen. Die Beschäftigungsquote der Absolvent*innen liegt bei 78 Prozent. Der digitale Unterricht ist ein essentieller Bestandteil von “Virtualahan”. Denn 80 Prozent der Menschen mit Behinderungen leben in ländlichen Gebieten, was ihnen den Zugang zu physischen Schulen in städtischen Gebieten unmöglich macht.

Die Schulungen von Virtualahan konzentrieren sich auf digitale Tätigkeiten, da diese im Gegensatz zu praktischen Tätigkeiten auch aus der Ferne erledigt werden können. Zudem ist die Ausbildungszeit kürzer. Zudem wächst diese Branche und damit auch die Anzahl der Jobs. “Jetzt kann jemand mit einer Behinderung Datenanalytiker werden, er muss sich nicht mehr mit einem niedrig qualifizierten, schlecht bezahlten Job zufrieden geben”, erklärt Gersava.

Mary Grace I. Daliola aus Davon City auf den Philippinen posiert für ihr Portrait. Sie ist Teil der Virtualahan- Community und kann durch das Ausbildungsprogramm heute wieder ihre Familie ernähren. Bild: Ryam Yap/Micromedia für Global Citizen

Mary Grace I. Daliola aus Davon City auf den Philippinen posiert für ihr Portrait. Sie ist Teil der Virtualahan- Community und kann durch das Ausbildungsprogramm heute wieder ihre Familie ernähren. Bild: Ryam Yap/Micromedia für Global Citizen

Bild: Ryam Yap/Micromedia für Global Citizen

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Ein weiteres Schlüsselmerkmal, das “Virtualahan” laut Gersava einzigartig macht, ist die Lebensberatung und das Kompetenztraining mit Psychologen.

“Das Life Coaching hilft den Menschen, Selbstvertrauen zu gewinnen und die negativen Erfahrungen, die sie gemacht haben, zu verarbeiten”, erklärt Gersava. “Wir haben ein Curriculum entwickelt, das auf Selbstbestimmung basiert. Es ermutigt die Teilnehmer dazu, ihre Identität und ihre Behinderung zu akzeptieren. Wir lehren auch die Ursprünge der sozialen Ungleichheit und bilden Menschen zu Botschaftern und Leitfiguren ihrer jeweiligen Gemeinschaft aus.”

Da durch “Virutalahan” schon jetzt neue Gemeinschaften und Absolventennetzwerke entstanden sind, hoffen die Mitarbeiter des Sozialunternehmens auf einen starken Einfluss auf die Gesellschaft und Wirtschaft. “Wir haben Leute, die bei Accenture, Microsoft, in Bereichen wie Data, Blockchain, in Start-ups und so weiter arbeiten”, sagt Gersava. “Unser endgültiges Ziel ist es, Unternehmen zu zeigen, dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen eine positive Investition ist”, erklärt er.

“Die Arbeitgeber sagen uns, dass sie durch die Einstellung unserer Absolventen profitieren, sowohl was deren Loyalität angeht als auch in Bezug auf Innovationen. Denn Diversität wirkt sich positiv auf Unternehmensprozesse aus”, fügt er hinzu. “Zudem sehen Bewerber, dass das Unternehmen in sein Personal investiert und sozialbewusst ist.”

Cisco Youth Leadership Award: Finalist Gersava will mit Virtualahan expandieren

Gersava glaubt, dass diese positiven Erfahrungen einen Dominoeffekt haben könnten: Je mehr Virtualahan-Absolventen einen Arbeitsplatz bekommen, desto mehr Einfluss werden sie in Unternehmen haben und letztlich dafür sorgen, dass Barrieren und Ausgrenzung abgebaut werden.

“Wir wollen mit sozialem Franchising beginnen”, sagt Gersava. “Wir wollen, dass andere Organisationen unser Modell verwenden und reproduzieren. Unser Ziel ist, mindestens 100 Unternehmen an Bord zu holen, die insgesamt Tausende von Menschen ausbilden.”

Und einige große Erfolge hat “Virtualahan” schon zu verzeichnen. Wie Gersava erklärt, habe Microsoft dem Sozialunternehmen das Einstellungsprogramm für den asiatisch-pazifischen Raum übertragen. Auch die philippinische Regierung sei an Gersavas Arbeit interessiert.

Was Gersavas Arbeit und die seiner Kollegen so toll macht, sind jedoch nicht die großen Erfolge. Es ist die Tatsache, dass sie den Teilnehmern nach lebenslanger Diskriminierung zu Ausbildung und Arbeit verhelfen.

Auch Betroffene der durch Covid-19 ausgelösten Wirtschaftskrise können das Angebot nutzen

Und in der Covid-19-Pandemie gilt das ganz besonders. Denn das Programm wurde erweitert und auch für Menschen geöffnet, die wegen des wirtschaftlichen Abschwungs ihren Job verloren haben.

“Da wurde uns klar, dass das auf breiterer Basis funktionieren könnte. Es könnte zum Beispiel auch für Geflüchtete im Irak oder in Syrien nützlich sein. Es könnte von obdachlosen Menschen in den Vereinigten Staaten oder anderswo genutzt werden”, sagt Gersava.

Die Staats- und Regierungschefs der Welt müssen derzeit mutigere und drastischere Entscheidungen denn je treffen, um die Folgen der Covid-19-Pandemie zu mildern. Doch der Schlüssel zur Linderung von Arbeit sei, so Gersava, Menschen mit langfristigen Gesundheitsproblemen oder Behinderungen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. “Als kleine Organisation haben wir es geschafft. Jetzt müssen wir das Prinzip nur vervielfältigen”, sagt er.


Sei dabei, wenn Global Citizen im Dezember 2020 die Menschen auszeichnet, die sich dieses Jahr angesichts unvorhersehbarer globaler Herausforderungen für eine gerechtere Welt eingesetzt haben.

Der Global Citizen Prizebringt Aktivist*innen, Weltstars und globale Entscheidungsträger*innen im Rahmen einer großen TV-Show zusammen: Mit Auftritten internationalen Künstler*innen und inspirierenden Geschichten von Aktivist*innen rund um den Globus wollen wir ein hoffnungsvolles Zeichen setzen. Mehr über den Global Citizen Prize erfährst du hier.