Für Menschen, deren Lebensgrundlage von einer guten Ernte anhängt, damit sie zum Beispiel ihre Familie ernähren oder Schulden zurückzahlen können, sind extreme Hitzewellen, Dürren oder andere verheerende Naturereignisse, kurzum: alles was die Ernte gefährdet, katastrophal.

Wenn solche Ereignisse dann auch noch Jahr für Jahr auftreten, wird es für viele schier unerträglich.

In Indien zerstört der Klimawandel schon seit Jahrzehnten die Ernten der Bauern. Eine neue Studie, die im Wissenschaftsjournal PNAS veröffentlicht wurde, will nun herausgefunden haben, dass sich seit 1980 über 59.000 Menschen in Indien aufgrund des Klimawandels das Leben genommen haben.

Und diese Zahl ist nur Teil einer weitaus größeren Krise, die sich unter den Menschen in Indien, die in der Landwirtschaft tätig sind, zeigt. Studien gehen davon aus, dass sich in den letzten drei Jahrzehnten mehr als 300.000 Menschen das Leben genommen haben, die ihren direkten Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft bezogen. Allein 2015 sollen es 12.602 Menschen gewesen sein.

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Viele haben in der Vergangenheit bereits versucht, einen Grund für die hohe Selbstmordrate unter indischen Bauern zu finden: Schulden, der Einsatz von Pestiziden und die Industrialisierung. Doch Tamme Carleton, Hauptautorin der Studie, ist die erste, die nun den Klimawandel für die Selbstmordrate verantwortlich macht.

„Die Tragödie entfaltet sich vor unseren Augen“, sagt Carleton gegenüber Forbes. „Wir sprechen hier nicht von einem Problem der nächsten oder übernächsten Generation. Das ist ein Problem, dass jetzt existiert und dass wir jetzt lösen müssen.”

Carleton fand heraus, dass sich an Tagen mit einer Temperaturerhöhung von 1°C über der Normaltemperatur im Schnitt 67 Menschen mehr umbringen.

Ein Temperaturanstieg von 5°C war sogar für 335 Selbstmorde mehr verantwortlich. Denn ein Temperaturanstieg von so viel Grad bedeutet, dass die Ernte meist verloren geht und die Bauern weitere Schulden anhäufen.

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„Der große Ernteverlust dringt auch in weitere Gesellschaftsschichten: Es sind nicht nur Bauern vom Ausfall betroffen, sondern auch die restliche Bevölkerung, da die Nahrungsmittelpreise steigen und mehr Menschen arbeitslos werden”, so Carleton.

Die Autorin schreibt, dass ihre Studie zwar Indien in den Fokus genommen habe, aber sich ähnliche Zusammenhänge auch in anderen Ländern finden lassen, in denen Menschen mit geringem Einkommen stark auf die Landwirtschaft angewiesen sind.

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„Suizid ist ein schmerzhafter Hinweis auf das menschliche Leid, das sich zugetragen haben muss”, sagt Carleton gegenüber Forbes. „Die Verbindung zwischen den Selbstmordraten auf der einen Seite und den steigenden Ausmaßen des Klimawandels auf der anderen Seite zu sehen ist wichtig, wenn wir in Zukunft über klimarettende Maßnahmen diskutieren.”

Auch wenn die genauen Todeszahlen, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, laut Carleton zwar zum Teil schwierig herauszufinden sind, sind die Risikofaktoren, die zu steigenden Todesraten führen, bestens bekannt.

Wenn sich der derzeitige Klimatrend weiter fortsetzt, wird sich beispielsweise die Zahl der Toten aufgrund von Luftverschmutzung bis 2030 um 60.000 erhöhen.

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In dem Versuch, der derzeitigen Situation Einhalt zu gebieten, bieten einige indische Bundesstaaten den Bauern finanzielle Hilfe an, um die hohe emotionale Last und somit die Selbstmordrate zu minimieren.

Andere Möglichkeiten wären zum Beispiel die Entwicklung von besseren hitze- und dürreresistenten Feldfrüchten, der Einsatz von unterschiedlichen Getreidearten und den Treibhausgasausstoß auf weltweiter Ebene runterzufahren.

Indien setzt bereits seit mehreren Jahren auf erneuerbare Energien aus Wind- und Solarenergie, um Kohleminen nach und nach zu schließen und Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen.

Carletons Studie zeigt: Der Umstieg auf erneuerbare Energien kann über Leben und Tod entscheiden.

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Klimawandel hat über 59.000 Bauern in Indien in den Suizid getrieben

Ein Beitrag von Joe McCarthy