Jharna Joshi ist eine 22-jährige College Studentin in Ahmedabad in Gujarat / Indien. Sie studiert, trifft sich mit Freunden und liest gerne. Ein ganz normales Leben also. Fast ganz normal.
Denn Jharna hat in einer selbst gestarteten Undercover-Aktion dazu beigetragen, dass 111 Kinder aus einer der größten Keramikfabriken in Morbi, Gujarat befreit wurden. Die Kinder wurden in der Fabrik unter schlimmen Bedingungen zu Kinderarbeit gezwungen. Hier ist Jharnas Geschichte:
Im April dieses Jahres fuhr Jharna für ein paar Tage zu ihrem Cousin nach Morbi, einem Dorf in der Saurashtra Region in Gujarat, um ihn zu besuchen. Eines Morgens fielen ihr mehrere Busse auf, die am Haus ihres Cousins vorbeifuhren und in denen ausschließlich Kinder saßen. Jharna wurde stutzig, denn die Busse waren eindeutig keine Schulbusse. Sie beschloss kurzerhand, den Bussen zu folgen.
Die Busse brachten die Kinder auf ein Fabrikgelände der Firma Sonaki. Sonaki ist ein großer Hersteller von Keramikgegenständen in Indien. Jharna konnte von weitem nicht einschätzen, wie alt die Kinder sind, die aus den Bussen stiegen und ganz offensichtlich in der Fabrik arbeiten. Doch ihre Neugier war geweckt und so beschloss Jharna kurzerhand, sich um einen Job in der Fabrik zu bewerben, um mehr rauszufinden.
Jharna bekam eine Stelle in der Klebeabteilung und fand schon sehr bald heraus, dass die meisten Arbeiter in der Fabrik Minderjährige waren. Sie bemerkte außerdem die vielen Überstunden, die alle machten und dass es oft kein Wasser oder was zu Essen für die Kinder gab. Es gab auch keine Pausen oder sonstige Möglichkeiten, sich mal für 5 Minuten auszuruhen.
Entsetzt über ihre Entdeckung wendete Jharna sich an das Ministerium für Kinder- und Jugendschutz, die sogleich handelten.
Zusammen mit der Polizei und dem Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten wurde eine Razzia geplant, die zur größten Rettungsmission von Kinderarbeitern in ganz Saurashtra wurde: gemeinsam stürmten sie die Fabrik und befreiten 111 Kinderarbeiter - über 100 von ihnen waren minderjährige Mädchen.
22-year-old Jharna Joshi saves 111 children from child labour. https://t.co/b8xhbJOrVDpic.twitter.com/XeAEFJgXL1
— Being Indian (@Beingind) June 7, 2016
Jharna und alle Beteiligten waren erleichtert. Der Fabrikleiter und der Besitzer des Keramikunternehmens allerdings weniger. Und nachdem klar wurde, dass Jharna der Auslöser für die Razzia war, erhielt sie mehrere Drohungen und wurde sogar von 2 Männern überfallen: „Sie stellten sich mir in den Weg und fragten, ob ich Jharna wäre, das Mädchen, das die Kinderarbeiter gerettet hat. Und als ich 'ja' sagte, finden sie an, mich anzugreifen." erzählt Jharna den lokalen Medien nach dem Überfall.
Die Angreifer verletzten Jharna am Kopf, Arme und Beine, so dass sie ins Krankenhaus musste. Doch trotz des gewalttätigen Angriffs und den Verletzungen, die sie davon getragen hat, lässt Jharna sich nicht einschüchtern. Nach eigenen Angaben hat Jharna inzwischen von weiteren Fabriken gehört, in denen Kinderarbeiter beschäftigt sein sollen und sie hat sich geschworen, weiter gegen Kinderarbeit und Ausbeutung zu kämpfen.
My brave daughter #JharnaJoshi, you are not alone, I am with you and will do my best to protect you. 2/2 https://t.co/uQNZAXPXCq
— Kailash Satyarthi (@k_satyarthi) June 8, 2016
Abgesehen von klaren Altersgrenzen, ab wann jemand arbeiten gehen darf, zählt als 'Kinderarbeit' jede Form der Arbeit für die Kinder schlichtweg zu jung sind. Wenn die Arbeit zum Beispiel viel zu gefährlich oder ausbeuterisch ist, wenn sie die körperliche oder seelische Entwicklung der Kinder schädigt oder aber wenn Kinder dadurch vom Schulbesuch abgehalten werden.
Weltweit arbeiten die meisten Kinderarbeiter in der Landwirtschaft und als Hilfskräfte im Dienstleistungsbereich. Aber auch Kinderarbeit in Form von privaten Hausangestellten ist weit verbreitet, vor allem bei jungen Mädchen.
Für die Familien der Kinder ist die Arbeit, die jedes Familienmitglied leisten kann um so Geld nach Hause zu bringen, mitunter überlebenswichtig. Daher lassen viele Eltern es zu, dass ihre minderjährigen Kinder Arbeiten gehen. Viele Eltern sind daher auch dagegen, dass ihre Kinder (weiter) zur Schule gehen, da die Kinder so kein Geld nach Hause bringen.
Es gibt allerdings Lichtblicke: in den vergangenen 10 Jahren ist Kinderarbeit in Indien um 64% Prozent zurückgegangen und der Staat hat mehrere Gesetze verabschiedet, die gegen diese illegale Praktik vorgehen, unter anderem ein verschärftes Gesetz gegen Menschenhandel.
Jharna Joshi und ihr unerschütterlicher Mut sind eine Inspiration für jeden, der daran zweifelt, dass eine einzelne Person einen Unterschied auf diesem Planeten machen kann. Weiter so, Jharna!