Ende April begannen die Proteste in Kolumbien gegen eine geplante Steuerreform – inmitten der Pandemie. Die Reform ist seit zwei Wochen vom Tisch. Doch die Proteste halten an. Fast täglich gehen tausende Menschen gegen die korrupte Regierung, steigende Lebensmittelpreise, die weit verbreitete Armut und Ungleichheit sowie die Polizeigewalt im Land auf die Straße.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben vor gezielter Gewalt gegen Demonstrant*innen gewarnt. Mindestens 42 Menschen sind bei den Protesten bisher ums Leben gekommen, bis zu 15.000 wurden verletzt.
Wogegen protestieren die Menschen in Kolumbien?
Die Demonstrationen begannen am 28. April, als Kolumbiens größte Gewerkschaften zu einem landesweiten Streik gegen eine umstrittene Steuerreform aufriefen, die von Präsident Iván Duque Márquez vorgeschlagen (und später zurückgezogen) wurde.
Die Reform hätte die Steuern für Menschen mit geringem Einkommen und Unternehmen sowie für Lebensmittel und andere lebenswichtige Güter erhöht.
Präsident Duque verteidigte die vorgeschlagene Steuerreform und verwies darauf, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im letzten Jahr aufgrund der Coronavirus-Pandemie um 6,8 Prozent gesunken war und die schlimmste Rezession des Landes seit fast 50 Jahren verursachte. Kritiker*innen weisen hingegen darauf hin, dass die Reform unfairerweise Kolumbiens Arbeiterklasse durch höhere Steuern besonders stark belastet hätten. Zudem erlebt das Land eine hohe Arbeitslosigkeit. Die Reformen hätten somit zu mehr Ungleichheit geführt, berichtet etwa BBC.
Der landesweite Streik zog Tausende an und führte zu Massendemonstrationen in Kolumbiens größten Städten, darunter Bogotá und Cali, in denen auch die meisten Vorfälle von Gewalt gemeldet wurden.
Nach vier Tagen der Demonstrationen zog Duque den Vorschlag am 2. Mai zurück und sagte, dass seine Regierung nach alternativen Wegen suchen würde, um die Wirtschaft des Landes zu verbessern.
Doch die Proteste hielten an und bekamen eine neue Bedeutung: Gewerkschaften, Student*innen, indigene Gruppen und Arbeiter*innen mit niedrigem Einkommen und aus der Mittelschicht demonstrierten weiter – frustriert über die Reaktion des Landes auf COVID-19, Armut und Berichte über Polizeigewalt.
Obwohl die Märsche friedlich begannen, wurden mittlerweile mindestens 42 Menschen getötet. Viele dieser Todesfälle wurden der kolumbianischen Polizei und der spezialisierten Polizeieinheit für Städtische Sicherheit, ESMAD, zugeschrieben. Die Regierung reagierte auf die Demonstrationen mit dem Einsatz von Sicherheitskräften und des kolumbianischen Militärs in dicht besiedelten Stadtgebieten.
Duque unterzeichnete am 1. Mai einen Erlass, der es den Bürgermeister*innen erlaubt, Militärpräsenz in ihren Gebieten anzufordern, berichtet AP, und behauptete, dass Rebellengruppen und Drogenhändler*innen die Proteste infiltriert hätten, um Aggressionen zu fördern.
Beamt*innen sagten, dass die Proteste zu Lebensmittel- und Treibstoffknappheit geführt haben und in einigen Gebieten Impfstofflieferungen blockiert hätten. Sie warnten, dass bei den Demonstrationen, bei denen die Demonstrant*innen auf Masken und social Distancing verzichten, Tausende von Menschen dem Risiko ausgesetzt sind, sich mit COVID-19 anzustecken.
Wie hat die Pandemie die Armut in Kolumbien verstärkt?
Kolumbien erlebt seit 2000 ein stabiles Wirtschaftswachstum. Laut der Weltbank hat sich die Armutsrate in den vergangenen zehn Jahren halbiert.
Doch die COVID-19-Pandemie bedroht die Fortschritte, die das Land gemacht hat. Die Ungleichheit nimmt bedrohlich zu und auch Massenarmut könnte eine Folge sein.
Im März letzten Jahres verhängte die kolumbianische Regierung eine strenge Pandemiesperre, die eigentlich nur ein paar Wochen dauern sollte, aber schließlich auf sechs Monate verhängt wurde. Geschäfte, Bars und Restaurants blieben geschlossen. Das wirkte sich auf die Arbeitslosenquote und das Wirtschaftswachstum des Landes aus: Die Zahl der Menschen, die in Kolumbien in extremer Armut leben, stieg im Jahr 2020 um 2,8 Millionen. Das verschärfte die Gesundheitskrise in Kolumbien zusätzlich, da Menschen mit niedrigem Einkommen keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung und medizinischer Versorgung hatten und somit unverhältnismäßig stark von COVID-19 betroffen waren.
Millionen von Kolumbianer*innen sind von Ernährungsunsicherheit betroffen. In der Stadt Cartagena geben nur 40,5 Prozent der Haushalte an, dass sie sich drei Mahlzeiten am Tag leisten können – vor der Pandemie waren es noch 81,6 Prozent.
Was kannst du als Global Citizen tun?
Kolumbien mag weit weg sein und dennoch können wir uns einbringen. Hingucken, hinhören, lernen und Solidarität zeigen – all das ist wichtig. In den klassischen wie auch sozialen Medien wird viel über die Proteste in Kolumbien informiert und debattiert.
Wir können uns informieren und sachliche Informationen teilen – online wie offline. Damit sorgen wir für Aufmerksamkeit und dafür, dass die internationale Gemeinschaft nicht die Augen vor der Gewalt verschließen kann.
Aktivist*innen haben die sozialen Medien bereits vielfältig genutzt, um Berichte und Videobeweise über die Proteste in Kolumbien zu verbreiten. Sie haben den Hashtag #sosColombia ins Leben gerufen und Informationen in Infografiken zusammengestellt, um sie mit den Demonstrant*innen und Unterstützer*innen zu teilen.
Mehrere Musikstars und Prominente haben ihre Reichweite ebenfalls genutzt, um über die Proteste zu informieren. Die Sängerin Becky G teilte am 4. Mai auf Instagram Hintergründe zu den Protesten und forderte ihre Follower auf, sich in Solidarität mit den Menschen in Kolumbien über die Situation zu informieren.
Die kolumbianische Sängerin und Global Citizen Unterstützerin Shakira verurteilte die Menschenrechtsverletzungen, die während der Proteste stattfinden: "Es ist inakzeptabel, dass eine Mutter ihr einziges Kind durch Brutalität verliert. Und dass 18 anderen Menschen bei einem friedlichen Protest das Leben genommen wird", schrieb sie am 4. Mai in einem Tweet auf Spanisch. "Ich fordere die Regierung meines Landes auf, dringende Maßnahmen zu ergreifen, die Verletzung der Menschenrechte JETZT zu STOPPEN und den Wert des menschlichen Lebens über jedes politische Interesse zu stellen."
Der kolumbianische Sänger Maluma postete ebenfalls auf Instagram über die Proteste und rief zu Frieden und Toleranz auf, um der Gewalt entgegenzuwirken. Er schrieb: "Keine weiteren Todesfälle, keine weiteren Aggressionen.”
Wenn auch du dich für mehr Gerechtigkeit in der Welt einsetzen möchtest, dann verfasse hier eine Nachricht an die Entscheidungsträger*innen, damit sie sich für dieses Thema stark machen.