Hilfen in Milliardenhöhe, Aufstockung von Intensivbetten und Sofortzahlungen: Die Bundesregierung tut in diesen Tagen alles, um das landesweite Gesundheitssystem und die Wirtschaft vor einem Zusammenbruch zu schützen. Im Gegenzug müssen Bürger*innen vor allem eines tun: zu Hause bleiben, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.
Was für eines der reichsten Länder der Welt möglich ist, ist für die meisten Entwicklungsländer in diesem Umfang undenkbar. Obwohl sich das Coronavirus von Italien aus über ganz Europa ausgebreitet hat, blieben Entwicklungsländer längere Zeit vergleichsweise verschont. Doch das kann und hat bereits schnell verändert – mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung, die jene in Europa letztendlich bei weitem übersteigen werden.
Wenn zu Hause bleiben keine Option ist
Besonders gefährdet sind Menschen, die in Armut leben – wie etwa in den Slums und Townships Südafrikas und Kenias, in den Favelas Brasiliens oder aber auch in den Flüchtlingslagern weltweit. Diese Menschen können schlichtweg nicht zu Hause bleiben, denn oftmals haben sie nicht einmal ein festes Dach über dem Kopf. Um ihre Familien zu ernähren, arbeiten viele von ihnen als Straßenhändler*innen. Sie haben keine Ersparnisse, kein fließendes Wasser, keinen Strom. Ausgangssperren sind für diese Millionen Menschen kaum umsetzbar – denn diese würden Betroffene binnen kürzester Zeit an den Rand ihrer Existenz bringen. Ein Lockdown könnte daher in vielen Entwicklungsländern sogar mehr Todesopfer fordern, als das Virus selbst, warnen Expert*innen.
Nach einem langsamen Anstieg schnellten die Infektionszahlen nun auch in Afrika in die Höhe. Laut dem Africa Centres for Disease Control and Prevention sind derzeit 153.325 Infizierte und 4.356 Todesopfer in den insgesamt 54 afrikanischen Länder registriert (Stand: 02.06.2020). In den Favelas Rio de Janeiros, in denen 1,7 Millionen Menschen auf engstem Raum leben, steigen die Infektionszahlen mittlerweile ebenfalls exponentiell an. Die Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass mit Hunderttausenden, wenn nicht Millionen Opfern in Entwicklungsländern gerechnet werden müsste, könnte sich bei einer gleichbleibenden Entwicklung verheerender Weise bewahrheiten.
Vier Beatmungsgeräte für über 18 Millionen Menschen
Neben Armut ist eine der größten Schutzlücken bei der Eindämmung des Virus die teilweise desaströse Gesundheitsversorgung der Menschen in Entwicklungsländern. So gebe es etwa im westafrikanischen Mali für die über 18,4 Millionen Einwohner*innen landesweit nur vier Beatmungsgeräte, wie Bundesentwicklungsminister Gerd Müller im März im Tagesspiegel berichtete. Zudem verfüge ganz Afrika nur über 40 Labore, die Covid-19 diagnostizieren können. Zum Vergleich: Allein in Deutschland gibt es 50 solcher Labore. Bei einer solchen medizinischen Grundausstattung braucht es nur wenige Infektionen, um das Gesundheitssystem an seine Grenzen zu bringen.
Daher sei es laut Müller entscheidend, in belastbare Frühwarnsysteme weltweit zu investieren und Entwicklungsländer mit Labormaterialien und Schutzausrüstung zu versorgen. Denn um Menschenleben sofort und langfristig zu schützen und Corona global zu bezwingen, “müssen wir heute so entschlossen vorgehen, als wäre Covid-19 in den Entwicklungsländern und in Afrika bereits so verbreitet wie bei uns”, so Müller weiter.
Wenn der Hunger dem Virus zuvorkommt
Doch nicht nur die maroden Gesundheitssysteme sind ein Problem. Oft mangelt es an fließendem Wasser und der Möglichkeit, sich (regelmäßig) die Hände zu waschen. Ebenso ist Unter- und Mangelernährung ein großes Problem in vielen Entwicklungsländern, welche das Immunsystem der betroffenen Menschen schwächt und sie so stärker gefährdet.
Der Chefökonom des UN-Welternährungsprogramms (WFP) Arif Husain bringt die Gefahr auf den Punkt: “(...) wer Hunger leidet und sich mit dem Virus infiziert, stirbt. Egal, ob alt oder jung. Es sei denn, er [oder sie] bekommt Hilfe.” Diese Hilfe muss die Weltgemeinschaft daher jetzt bereitstellen, um das Schlimmste zu verhindern.
Wir können die Ausbreitung des Coronavirus nur gemeinsam eindämmen. Das geht momentan am besten von zu Hause aus. Nutze deine Stimme und werde hier mit uns im Kampf gegen COVID-19 aktiv.
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