Was einige Menschen als Freiheitseinschränkung empfinden, mussten viele Menschen auf der Flucht hinter sich lassen: Das Privileg, Zuhause bleiben zu können. In dem überfüllten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos leben 20.000 von ihnen dicht an dicht in provisorischen Wellblechhütten und Zelten. Offiziell bietet das Flüchtlingslager, ein ehemaliges Gefängnis, Platz für 2.800 Menschen. Soziale Distanz und Quarantäne? Unter diesen Umständen schlicht unmöglich.
Nun hat die Bundesregierung entschieden, vorerst keine weiteren Flüchtlinge aus humanitären Gründen aufzunehmen. Bei dem vorübergehenden Aufnahmestopp handele es sich um "Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie", zu denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom Bundesinnenministerium angewiesen wurde. Damit setzt das sogenannte Resettlement-Verfahren, bei dem Schutzsuchende aus Krisengebieten einen dauerhafter Aufenthalt in Deutschland erhalten, auf ungewisse Zeit aus.
Von dieser Entscheidung unberührt bleibe das Vorhaben Deutschlands, besonders schutzbedürftige minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen, so das Innenministerium. Anfang März hatten sich die Spitzen der großen Koalition darauf geeinigt, bis zu 1.500 Kinder und Jugendliche aus den überfüllten Lagern nach Deutschland zu holen. Diese Option gelte jedoch nur für nachweislich behandlungsbedürftige Kinder, die jünger als 14 Jahre und ohne Begleitung sind. Die Bundesregierung forderte weitere EU-Staaten zu ähnlichen Bemühungen auf.
Ein Appell mehrerer Oberbürgermeister*innen setzt die Bundesregierung nun zusätzlich unter Druck. In ihrer Erklärung fordern sie die Regierung auf, Städten die Aufnahme von Geflüchteten auf freiweilliger Basis zu gestatten. Momentan fehlen dafür noch die rechtlichen Grundlagen. Zu den Unterzeichner*innen gehören unter anderem die Oberbürgermeister*innen von Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg im Breisgau, Rottenburg am Neckar und Frankfurt (Oder). "Vor allem den Kindern, deren Eltern in vielen Fällen nicht mehr leben und die alleine in den Flüchtlingslagern untergebracht sind, soll nun sofort geholfen werden", heißt es in ihrem Appell laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Gesundheitsexpert*innen warnen indes vor den verheerenden Ausmaßen einer möglichen Ausbreitung von COVID-19 in Flüchtlingslagern dieser Welt. Unter den teilweise menschenunwürdigen Zuständen könne eine angemessene Behandlung sowie die Sicherheit der Menschen nicht garantiert werden. Oft fehle es bei der medizinischen Versorgung bereits ohnehin am Nötigsten.
Besonders bedrohlich schätzt der Regionaldirektor der Welthungerhilfe für Syrien Dirk Hegmanns die Situation im Nordwesten Syriens ein. Der nunmehr seit neun Jahren wütende Bürgerkrieg im Land hat Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Sollte das Coronavirus sich hier verbreiten, müsse man laut Hegemanns aufgrund der schlechten Versorgung in der Region “fast schon mit einem Massensterben rechnen". Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeitet unterdessen daran, Tests auf das Coronavirus vor Ort bereitzustellen.
Wir können die Ausbreitung des Coronavirus nur gemeinsam eindämmen. Das geht momentan am besten von zu Hause aus. Nutze deine Stimme und werde hier mit uns im Kampf gegen COVID-19 aktiv.
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