Anm. der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 29. März aktualisiert.
Kaum zu glauben, dass wir uns seit mehr als einem Jahr in einem Ausnahmezustand befinden.
Seit dem Ausbruch von COVID-19 wurden 106 Millionen Fälle vermerkt, 2,3 Millionen Menschen haben ihr Leben durch das Virus verloren – und Unsicherheiten, Fehlinformation und Fragen nagen an unserer Substanz.Es ist schon etwa drei Monate her, als die meisten Länder der Welt Grenzen, Geschäfte und Co schlossen, um sich gegen die Covid-19-Pandemie zu schützen. Doch noch immer stehen viele Fragen im Raum.
Zum Beispiel: Wann hat das alles endlich ein Ende? Helfen FFP2-Masken wirklich? Was genau passiert, wenn ich getestet werde? Und kann ich mich nach der Impfung trotzdem noch anstecken?
Dabei gilt auch hier das wohlbekannte Sprichwort: Dumme Fragen gibt es nicht. Immerhin können wir nicht alle so viele akademische Titel wie Professor Chris Whitty CB FRCP FFPH FMedSci Hon FRCPCH Hon FFPM (wirklich wahr!) haben. Er ist Epidemiologe und höchster Gesundheitsberater der britischen Regierung – also so eine Art britischer Christian Drosten. Da bereits viele Informationen im Umlauf sind, kann es aber unangenehm sein, Fragen zu stellen, von denen man glaubt, jeder außer einem selbst kennt bereits die Antwort.
Aus diesem Grund haben wir unsere Instagram- und Facebook-Follower*innen um ihre Fragen zur Corona-Pandemie gebeten und sie mithilfe von internationalen, vertrauenswürdigen Quellen beantwortet. Los geht’s:
1) Sollte ich meine Einkäufe mit Wasser und Seife waschen? Wie lange überlebt das Virus auf Oberflächen?
Berichten zufolge überlebt das Virus bis zu 24 Stunden auf Karton und bis zu 72 Stunden auf Kunststoff und Stahl. Auf Kupfer überlebt es vier Stunden, in der Luft etwa drei Stunden. Doch das Infektionsrisiko durch Viruspartikel auf Oberflächen wird laut dem New England Journal of Medicine im Laufe dieser Zeitspannen immer geringer.
Aus diesem Grund haben die Centers for Disease Control (CDC), eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, empfohlen, dass Verbraucher*innen ihre Lebensmittelverpackungen nicht desinfizieren müssen. Es sei lediglich sinnvoll, sich die Hände zu waschen, nachdem Produkte berührt wurden, die womöglich vorher andere in den Händen hatten.
Did you know COVID-19 can live on cardboard for 24 hours? The lifespan of COVID-19 depends on the surface it’s on. Here are some common surfaces and the lifespan for each. pic.twitter.com/7qJ5xqClyJ
— University Health System (@UnivHealthSys) March 23, 2020
Anders sieht es bei sehr häufig berührten Gegenständen in der Öffentlichkeit aus, etwa Supermarktregalen oder Türgriffen. Gelangt das Virus von dort auf die Hände und dann ins Gesicht, kann es zu einer Infektion kommen. Da einige Reinigungsprodukte das Coronavirus nicht abtöten, ist richtiges Händewaschen wichtiger als Desinfektion, wie ein Experte der University of Florida gegenüber New Scientist erklärte. Die CDC haben eine Liste von Desinfektionsmitteln veröffentlicht, die gegen das Coronavirus wirksam sind.
2) Welche Masken sind am wirksamsten?
Lange gab es mitunter widersprüchliche Aussagen über den Schutz durch Masken. Mittlerweile ist man sich jedoch einig: Masken wirken – allerdings im unterschiedlichen Ausmaß.
Einfache Stoffmasken, bieten je nach Ausführung nur einen geringen Schutz. Hier gilt die Faustregel: Je mehr Lagen die Maske hat, desto besser. Im Idealfall besteht sie aus drei Schichten: Die äußere sollte Wasser abweisen, die mittlere eine Filterwirkung haben und die innere Feuchtigkeit aufnehmen können.
OP-Masken sind in der Regel die bessere Wahl: Sie bestehen aus mehrschichtigem Kunststoff mit Falten zur besseren Anpassung. Sie schützen vor allem Menschen in der nahen Umgebung vor Tröpfchen, die beim Husten oder Sprechen austreten. Der Nachteil: Für den Träger bzw. die Trägerin bieten sie nur einen geringen Schutz.
Besonders wirksam sind sogenannte “Filtering Face Pieces” (kurz FFP). Zum Schutz vor Coronaviren sind FFP2 oder FFP3-Masken nötig. Wenn sie dicht am Gesicht anliegen, schützen sie nicht nur das Umfeld, sondern auch die Träger*innen vor Aerosolen.
In Deutschland muss seit dem 25. Januar in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln eine medizinische Maske getragen werden. Dazu zählen Atemmasken des Standards FFP2, KN95,/N95 sowie OP-Masken.
3) Kann ich mich auf einer öffentlichen Toilette infizieren?
Öffentliche Toiletten sind aus diversen Gründen eine riskante Sache – nicht nur wegen der Frage, wie man möglichst den Kontakt mit der Klobrille vermeidet.
Zwar ging es bei der Untersuchung nicht um Coronaviren, doch Forscher*innen der Universität von Connecticut und der Universität Quinnipiac fanden 2018 heraus, dass Händetrockner Bakterien in der Luft massiv vermehren. Es ist nicht ganz klar, ob das auch auf das Coronavirus zutrifft – aber es schadet nicht, sicherheitshalber Papierhandtücher oder Toilettenpapier zu nutzen.
Zudem sollte man sich vor “aerosolisierten Fäkalien” hüten. Das sind Partikel, die laut einer Studie der Association for Professionals in Infection Control and Epidemiology aus dem Jahr 2013 beim Spülen der Toilette in die Luft aufsteigen.
Lässt es sich nicht verhindern, ein öffentliches WC zu nutzen, sollte man den Toilettendeckel deshalb vor dem Spülen schließen, das stoppt etwa 80 Prozent der Partikel. Zudem ist es wichtig, Papiertücher zu nutzen, um Dinge zu berühren sowie die Hände entsprechend der WHO-Richtlinien zu waschen.
4) Tötet Kälte (etwa im Kühlschrank oder der Gefriertruhe) das Virus ab?
Kurz gesagt: Wir wissen es nicht genau. Aber wahrscheinlich nicht.
Die WHO hat klargestellt, dass es keine Daten gibt, die darauf hindeuten, dass das Virus durch Kälte abgetötet werden kann. Obwohl das Einfrieren die Ausbreitung von Bakterien verlangsamen kann, gibt es derzeit keinerlei Hinweise darauf, dass es die Übertragung von Covid-19 stoppt. Im Grunde genommen muss dies noch stärker untersucht werden.
Wer sich Sorgen über Coronaviren auf der Nahrung macht, kann zwei Dinge tun: sie vor dem Essen gut waschen sowie gut durchkochen. Wir haben es vielleicht schon erwähnt: Auch sich vor und nach der Zubereitung die Hände zu waschen, ist sinnvoll (nur damit das hier noch mal gesagt wird).
5) Wie hoch ist das Risiko, sich in einem klimatisierten Büro trotz Mindestabstand anzustecken?
Die eigentliche Frage hier ist: Werden Aerosole – die winzigen Tröpfchen, die beim Husten oder Atmen austreten und Viruspartikel tragen können – durch Klimaanlagen verteilt?
Auch hier gibt es nicht genügend Daten. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass eine Klimaanlage die Tröpfchen über weite Strecken transportiert, etwa in einem großen Supermarkt. Möglich ist aber, dass Viruspartikel durch die Klimaanlage länger überleben und zumindest über kurze Entfernungen getragen werden.
6) Wie können Tests das Virus aufhalten und wie unterscheiden sie sich?
Am besten ist diese Frage mit einem Blick nach Südkorea zu beantworten: Trotz hunderter täglicher Fälle im März 2020 schaffte es das Land durch das Einführen aggressiver Testprozesse, bis zum 20. April keine einzige neue Infektion zu melden.
Es geht nicht nur um die einzelne Person, sondern um die Gemeinschaft: Wenn eine ganze Bevölkerung Zugang zu Tests hat, hilft das den Gesundheitsdiensten, sich an die Nachfrage anzupassen und informiert die staatlichen Richtlinien. Wenn man breit testet, kann man das Virus finden, bevor sich Symptome entwickeln, die Quarantäne auferlegen und verhindern, dass es andere ansteckt.
In Deutschland ist es im Moment so: Man muss einen Abstrich aus der Nase und dem hinteren Teil des Rachens abgeben – etwa in einer Drive-in-Station oder bei einem Team, das zu einem nach Hause kommt. Dieser Abstrich-Test ist weltweit am stärksten verbreitet. Aber das Ergebnis ist nur eine “Momentaufnahme”, in dem der oder die Patient*in den Test gemacht hat – es kann also sein, dass die getestete Person das Virus schon hatte, auch wenn der Test negativ ist.
Es gibt noch einen weiteren Testtyp: den Antikörpertest. Dabei handelt es sich um einen Bluttest, der nach den Proteinen sucht, die das Immunsystem zur Abwehr des Virus entwickelt. Der Test kann also zeigen, ob ein Mensch in der Vergangenheit infiziert war. Die CDC sagen jedoch, dass es nach der Infektion eine bis drei Wochen dauern kann, bis diese Antikörper freigesetzt werden.
7) Kann man Covid-19 nach einer überstandenen Infektion erneut bekommen?
Es gab bereits Fälle, in denen sich Menschen, ein zweites Mal mit COVID-19 angesteckt haben. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering. Laut einer Studie aus Qatar liegt das Risiko einer erneuten Infektion bei 0,02 Prozent.
8) Ist es möglich, das Virus auszurotten?
Laut der medizinischen Fachzeitschrift BMJ ist es schwierig, das Virus gänzlich auszurotten. Denn eine Zeit lang können neue Mutationen aus verschiedenen Ländern auftauchen, gegen die bisherige Impfstoffe nicht vollständig wirken.
Ähnliches gilt für Grippeviren, gegen die jedes Jahr neue Impfstoffe entwickelt und verimpft werden. Eine ähnliche Impfstrategie könnte auch gegen COVID-19 sinnvoll sein.
Eine Kombination aus Herdenimmunität, effektiven Impfungen und Behandlungen könnte der Schlüssel zum Erfolg sein. Dafür müssten allerdings Menschen überall auf der Welt in der Lage sein, Zugang zu COVID-19-Impfstoffen und -Behandlungen zu erhalten.
Es gibt bereits eine Initiative, die an Plänen arbeiten, wie der Impfstoff gerecht verteilt werden kann: Die Fazilität COVAX zielt darauf ab, bis 2021 zwei Milliarden Impfdosen an einkommensschwache Länder zu liefern. Sie ist die Impfsäule des ACT-Accelerators, einer Zusammenarbeit internationaler Organisationen, die sicherstellen soll, dass die Mittel zur Bekämpfung der Pandemie gerecht verteilt werden.
Die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), die Impfstoff-Entwicklungsprojekte auf der ganzen Welt finanziert, hat zudem mit allen Partnern eine Vereinbarung für gerechte Verteilung getroffen. Außerdem wird jeder erfolgreiche Impfstoff der von CEPI finanzierten Projekte in mehreren Ländern hergestellt, sodass eine globale Verteilung gewährleistet ist.
9) Sind die Impfstoffe sicher und sind manche von ihnen besser als andere?
Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) ist das Paul-Ehrlich Institut für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland zuständig. Hierbei werden Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit bewertet. Ein Impfstoff wird erst auf dem Markt gebracht, nachdem er ausreichend überprüft wurde. Auch nach der Zulassung eines Impfstoffs werden Meldungen zu Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen erfasst.
Kürzlich gab es Bedenken über den Impfstoff des AstraZeneca, nachdem bei Patient*innen, die damit geimpft wurden, Blutgerinnsel festgestellt wurden. Ein Sicherheitsausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), die die Medizin in der Europäischen Union reguliert, beschloss, die Beweise für Blutgerinnsel zu überprüfen und entschied am 18. März, dass der Impfstoff COVID-19 von AstraZeneca "sicher und wirksam" ist.
Die Schlussfolgerung der EMA folgte früheren Aussagen von Wissenschaftler*innen der britischen Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency), die am 15. März sagten, dass es keinen Beweis für einen Zusammenhang gebe. Laut BBC gab es weniger als 30 Fälle von Patient*innen aus 17 Millionen Menschen, die bisher den Impfstoff hatten, bei denen Blutgerinnsel festgestellt wurden.
Bei bestimmten Impfstoffen ist das Risiko, am Virus zu erkranken, geringer. Zum Beispiel hat Pfizer/BioNTech gesagt, dass sein Impfstoff nach zwei Dosen zu 95 Prozent wirksam ist, was in etwa dem Wert von Moderna entspricht. Während der AstraZeneca-Impfstoff bei bis zu 80 Prozent liegt, musste keine*r der Freiwilligen nach der Impfung ins Krankenhaus, nachdem sie sich mit dem Virus angesteckt hatten.
Zudem macht die Anzahl der Impfungen einen Unterschied. Die meisten Impfstoffe benötigen zwei Dosen, doch der Impfstoff von Johnson & Johnson hat eine Wirksamkeitsrate von 66 Prozent bei nur einer Injektion.
10) Welchen Quellen und Informationen kann ich Glauben schenken?
Die WHO hat die schiere Menge an Fake News als “Infodemie” bezeichnet. Ganz gleich, ob es sich bei diesen Fehlinformationen um Social Media-Posts handelt, die Impfmythen verbreiten, oder um falsche Anschuldigungen, dass die Krankenhäuser keine COVID-19-Patient*innen behandeln, die WHO vertritt eine klare Botschaft: "Fehlinformationen kosten Leben".
So kannst du vorgehen: Wenn du einen Beitrag im Internet siehst, der nicht aus einer vertrauenswürdigen Quelle stammt oder keine überprüfbaren Informationen enthält, solltest du ihn nicht teilen. Informationen, die von internationalen Organisationen wie der WHO, dem New Scientist Podcast und der COVID-19 Facts Website stammen, kannst du vertrauen. In Bezug auf eher lokale Quellen kannst du dich an das Robert Koch Institut (RKI), dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wenden.
11) Muss ich mir um die Virus-Mutationen Sorgen machen?
Keine Panik: Schon zu Beginn der Pandemie war zu erwarten, dass sich Mutationen zum Virus bilden. Worauf es ankommt, ist die Eindämmung des Virus im Allgemeinen, ganz unabhängig von der Variante.
Wenn COVID-19 von Mensch zu Mensch weitergegeben wird, macht es Kopien von sich selbst. Bei der Vervielfältigung können Fehler entstehen, die zu Mutationen werden. Je mehr also die Übertragung eingedämmt wird, desto weniger neue Varianten können entstehen.
Derzeit sieht es so aus, als ob die COVID-19-Impfstoffe gegen die neuen Varianten wirken. Die Möglichkeit, dass sie durch neue Varianten weniger wirksam werden, besteht zwar, doch die Impfstoffe werden ständig optimiert, um den Mutationen zu begegnen.
12) Was für COVID-19-Behandlungen gibt es?
Lass uns kurz ein Beispiel angucken: Auch nach 40 Jahren gibt es noch keinen Impfstoff gegen HIV/AIDS. Dennoch konnte die Krankheit in vielen Teilen der Welt unter Kontrolle gebracht werden, weil Tests und Behandlungen verfügbar gemacht wurden.
Ähnlich verhält es sich mit COVID-19: Neben einem Impfstoff werden auch wirksame Behandlungen erforscht, um schneller Fortschritte zu erzielen. Der COVID-19 Therapeutics Accelerator wurde beispielsweise durch die Zusammenarbeit der Bill & Melinda Gates Foundation, dem Wellcome Trust und dem britischen Foreign, Commonwealth und Development Office (FCDO) ins Leben gerufen, um so schnell wie möglich wirksame Behandlungen zu erforschen, zu entwickeln und herzustellen (Anm. der Redaktion: Die Bill & Melinda Gates Foundation ist Finanzierungspartner von Global Citizen).
Mark Suzman, CEO der Bill & Melinda Gates Foundation, schrieb: "Im Moment können wir nur die Symptome behandeln, da es einfach keine antiviralen Medikamente gibt, die eine Reihe von Erkrankungen auf die gleiche Weise behandeln können, wie es Antibiotika für bakterielle Infektionen tun."
13) Worum handelt es sich bei “Long COVID”?
“Long COVID” ist die offizielle Bezeichnung, wenn COVID-19-Symptome für mindestens zwölf Wochen nach der Infektion anhalten. Dazu gehören Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Husten und Gliederschmerzen.
Ein Artikel aus dem Journal of the American Medical Association fand heraus, dass 87 Prozent von 143 Personen, die in Rom aufgrund von COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, zwei Monate nach ihrer Entlassung noch immer mit Symptomen zu kämpfen hatten. Eine weitere Studie in Dublin fand heraus, dass die Hälfte der Befragten zehn Wochen nach der Infektion noch an Müdigkeit litt.
Dabei spielt es bei den Langzeitfolgen offenbar keine Rolle, ob Patient*innen stationär behandelt wurden.
Derzeit ist es schwierig, aufgrund ausführlicher Daten eine Langzeitprognose über anhaltende Symptome zu geben.
Wir hoffen, dass wir dir hiermit einige wichtige Fragen beantworten konnten. Wenn auch du dich dafür einsetzen willst, dass alle Menschen überall Zugang zu COVID-19-Impfstoffen, -Behandlungen und -Tests erhalten und wir die Pandemie gemeinsam beenden, dann werde hier aktiv.