Sieht so Chancengleichheit aus? Wohlhabende Länder versuchen, schleunigst ihre gesamte Bevölkerung zu impfen, während viele Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und Risikogruppen in Ländern mit niedrigem Einkommen überhaupt keinen Zugang zum COVID-19-Impfstoff haben.
Die Zulassung von Impfstoffen und der Beginn der Impfungen stellen einen Meilenstein in der Bekämpfung der Pandemie dar. Weniger als ein Jahr, nachdem der COVID-19-Ausbruch offiziell als Pandemie erklärt wurde, erließ die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Emergency Use Listing (EUL) für mehrere Impfstoffe, durch die deren Qualität und Sicherheit getestet wird.
Das COVID-19 Impfstoff-Markt-Dashboard von UNICEF hat seit Mai 2020 die Vereinbarungen zwischen Ländern und Impfstoff-Hersteller*innen verfolgt. Bislang wurden mehr als 10 Milliarden Dosen reserviert.
Doch viele einkommensschwache Länder, die sich den Kauf nicht leisten können, warten darauf, die lebensrettenden Impfstoffe zu erhalten. Nebenbei haben viele wohlhabende Länder genügend Vorräte reserviert, um ihre Bevölkerung mehrfach impfen zu lassen.
Es könnte noch mehr COVID-19-Todesfälle geben
Dabei könnten laut eines Berichts der Entwicklungsorganisation ONE sowohl Australien, Kanada, Japan, als auch Großbritannien, die USA und die EU etwa eine Milliarde COVID-19-Impfdosen mit anderen Ländern teilen und hätten immer noch genug Vorrat, um ihre eigene Bevölkerung zu impfen.
Der aktuell zu beobachtende Impf-Nationalismus wird nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Zahl der Menschen haben, die weltweit an COVID-19 sterben könnten, sondern auch zu massiven wirtschaftlichen Kosten insbesondere für wohlhabende Länder führen. Eine Studie der Internationalen Handelskammer (ICC) ergab, dass die Weltwirtschaft 9,2 Billionen US-Dollar (rund 7,72 Billionen Euro) verlieren wird, wenn wohlhabende Länder einkommensschwache Länder nicht dabei unterstützen, Zugang zu COVID-19-Impfstoffen zu erhalten.
Aus diesem Grund hat Global Citizen den Aktionsplan für eine gerechte Welt nach der Pandemie ins Leben gerufen und die Entscheidungsträger*innen dieser Welt dazu aufgerufen, die Impf-Gerechtigkeit durch verschiedene Maßnahmen zu unterstützen.
COVID-19-Impfdosen müssen auch einkommensschwachen Ländern zur Verfügung gestellt werden
Als erstes muss die vollständige Finanzierung von COVAX durch einkommensstarke Länder gesichert werden. Die Impfsäule des Access to COVID-19 Tools Accelerators (ACT-A) sorgt dafür, dass auch Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen Zugang zu Impfstoffen erhalten.
Zudem sollten Regierungen, die sich vertraglich einen Überschuss an Impfdosen gesichert haben, diese an Länder mit niedrigem Einkommen weitergeben - und zwar so zeitnah wie möglich und parallel zur inländischen Impfkampagne. Langfristig muss der gesamte vertraglich gesicherte Überschuss zur weltweiten Verteilung bereitgestellt werden.
Die Weitergabe von Impfstoffdosen sollte kostenlos sein und muss im Einklang mit den COVAX-Teilungsprinzipien stehen.
Und jetzt die gute Nachricht: Sechs Länder haben bereits damit angefangen, Dosen der von der WHO zugelassenen COVID-19-Impfstoffe abzugeben.
1. Norwegen
Norway will donate extra doses of covid-19 vaccines through the @WHO and @ACTaccelerator- backed COVAX facility to be distributed in lower-income countries. We must ensure vaccines bring hope to all, not just some. @DrTedros
— Dag Inge Ulstein (@dagiulstein) January 18, 2021
Im Januar hat Dag Inge Ulstein, Norwegens Ministerin für internationale Entwicklung, getwittert, dass das Land parallel zur inländischen Impfkampagne zusätzliche Dosen des Impfstoffs abgeben würde.
Das Land hat laut dem norwegischen Magazin Development Today bereits 677.000 Dosen ihres Vorrats an einkommensschwache Länder weitergegeben. Norwegen sagte, dass es fast zwei Millionen Dosen an andere Länder abgeben will, während seine eigene Bevölkerung geimpft wird.
2. Portugal
Portugal hat angekündigt, dass es fünf Prozent seiner Impfdosen abgeben wird, so die portugiesische Zeitung Publico. Durch das Emergency Support Instrument (ESI) der EU hat Portugal Anspruch auf 35 Millionen Impfstoffdosen in diesem Jahr.
Die fünf Prozent beziehen sich auf 1,75 Millionen Dosen, die das Land an Angola, Mosambik, Kap Verde, Guinea Bissau, Äquatorialguinea, São Tomé und Príncipe sowie Ost-Timor abgibt. Bislang hat es sich dazu verpflichtet, ab Juli eine Millionen Impfdosen abzugeben.
3. Frankreich
Präsident Macron forderte die Staats- und Regierungschef*innen der G7-Länder vor dem G7-Gipfel im Februar dazu auf, vier bis fünf Prozent ihrer Impfdosen an einkommensschwache Länder abzugeben.
Vor Kurzem kündigte Frankreich laut der US-amerikanischen Zeitung Politico zudem an, bis Juni 500.000 Dosen des COVID-19-Impfstoffes an einkommensschwache Länder abzugeben. Das entspricht etwa 0,7 Prozent der Vorbestellungen des Landes.
4. Indien
Acting East. Acting fast.
— Dr. S. Jaishankar (@DrSJaishankar) January 22, 2021
Indian vaccines have arrived in Myanmar to contribute to our neighbour’s inoculation efforts. #VaccineMaitripic.twitter.com/3KUwUupAXN
Laut Voice of America hat Indien bereits Anfang des Jahres als weltweit führender Hersteller von Impfstoffen Millionen von Dosen des Oxford-AstraZeneca-Impfstoffes in Verbindung mit der inländischen Impfkampagne abgegeben.
Bislang hat das Land die von der WHO zugelassenenen Impfstoffe an verschiedene Länder abgegeben, einschließlich Nepal, Bangladesch, Myanmar und Brasilien, wie die New York Times berichtet.
5. Australien
Premierminister Scott Morrison hat angekündigt, dass Australien 8.000 lokal hergestellte Impfstoffe an Papua-Neuguinea abgeben wird, um auf den jüngsten Anstieg der COVID-19-Fälle zu reagieren, so die internationale Nachrichtenagentur Reuters. Zudem plant Australien, die EU um die Genehmigung zu bitten, eine Million der vorgesehenen Dosen des Oxford-AstraZeneca-Impfstoffs an Papua-Neuguinea zu geben.
6. Rumänien
#Moldova started #vaccination today! Our medical workers are receiving the #COVID19vaccines from #AstraZeneca due to the generous donation made by 🇷🇴!
— Maia Sandu (@sandumaiamd) March 2, 2021
My sincere gratitude to our Romanian friends @KlausIohannis@florincitu@BogdanAurescu
Mulțumesc, România! pic.twitter.com/OTRWd1P0Nb
Im Dezember 2020 hat der rumänische Präsident Klaus Iohannis erklärt, dass sein Land 200.000 COVID-19-Impfstoffdosen als Geste der Solidarität an Moldawien abgeben wird, so die britische Zeitung Guardian. Moldawien hatte Schwierigkeiten, Zugang zu Impfstoffen zu erhalten und Abgaben begrüßt.
Die erste Charge an 21.600 Dosen des Oxford-AstraZeneca-Impfstoffes hat das Land bereits im Februar erhalten. Laut Radio Free Europe versprach Rumänien, den Rest in den nächsten Monaten zur Verfügung zu stellen.
Expert*innen sagen, dass wohlhabende Länder erkennen müssen, dass die Pandemie nur beendet werden kann, wenn sie überall bekämpft wird.
Initiativen wie COVAX benötigen mehr Unterstützung von globalen Entscheidungsträger*innen, damit Impfstoff-Gerechtigkeit weltweit gewährleistet werden kann. Nur, wenn sich Länder dazu verpflichten, neben finanziellen Mitteln auch bereits vorhandene Impfdosen abzugeben und somit die globale Bekämpfung der Pandemie anzukurbeln, wird es ein Ende der Pandemie geben.
Wenn auch du willst, dass wohlhabende Länder ihre Vorräte an Impfdosen an einkommensschwache Länder abgeben, um die Pandemie weltweit zu bekämpfen, dann werde hier aktiv und fordere Entscheidungsträger*innen zum Handeln auf.