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David Attenborough ist nicht nur Moderator des National Treasure and Nature Program, sondern er hat sich kürzlich auch einen Namen als Produzent von Dokumentarfilmen gemacht – und das im Alter von 94-Jahren.
Attenboroughs Filme extrem berührend, sie drehen sich sich um Tiere, die gegen alle Widrigkeiten ums Überleben kämpften. Und darum, wie das Handeln des Menschen auf die Natur wirkt.
Seine neueste Doku “Extinction: The Facts” von BBC One, die am 13. September ausgestrahlt wurde, geht noch einen Schritt weiter. Sie zeigt, inwiefern das Artensterben auch problematisch für den Menschen ist.
So who is watching? Who is listening? Who will act? #DavidAttenborough#extinction@BBC
— Stephen Woollard (@ZooStephen) September 13, 2020
1 million species threatened by 1 species of over 7 billion individuals.#conservationoptimism ? pic.twitter.com/mfvJTt0aAw
Das sind die wichtigsten Dinge, die wir in der Doku darüber gelernt haben, wie das Artensterben den menschlichen Fortschritt bremst und unser Risiko für Krankheiten, Hunger und Armut fördert:
1. Der Verlust der Biodiversität kann zu Pandemien führen
Attenborough und eine Reihe von Expert*innen erklären, warum der Verlust von biologischer Vielfalt Pandemien wie etwa Covid-19 wahrscheinlicher macht. “Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang zwischen Covid-19 und dem zerstörerischen Verhalten des Menschen gegenüber der Natur", sagt Attenborough.
Neue Krankheiten entstehen nicht nur auf Märkten, wo lebende Tiere verkauft werden – ein solcher Ort wird mit der Entstehung von COVID-19 in Verbindung gebracht. Tatsächlich haben laut der Doku 31 Prozent der neu auftretenden Krankheiten ihren Ursprung in einer veränderten Landnutzung. Ein Beispiel dafür ist die Abholzung von Regenwäldern, um Land für die Viehzucht zu gewinnen. Denn dabei können Nutztiere und Menschen mit zuvor unbekannten Viren in Kontakt kommen.
Ein Problem, das damit zusammenhängt: Wenn Lebensräume wie etwa der Regenwald zerstört werden, verlieren Raubtiere und größere Pflanzenfresser ihre Heimat. Davon profitieren wiederum kleinere Säugetiere wie Nager und Fledermäuse - die häufig Krankheiten übertragen. Sie sind laut Krankheitsökologin Prof. Felicia Keesing die “großen Gewinner“, wenn die Raubtiere verschwinden, die normalerweise ihre Populationen in Schach halten.
Das bedeutet, erklärt sie, dass sich die Zahl der krankheitsübertragenden Tiere enorm erhöht.
2. Insekten sind unverzichtbar
“Der Boden sollte vor Leben wimmeln”, sagt Prof. Richard Bardgett, Bodenökologe an der Universität Manchester, in der Doku. “Aber Berichte zeigen: 30 Prozent der weltweiten Landoberfläche sind degradiert.” Bodendegradierung bedeutet: Die Strukturen und Funktionen von Böden sind dauerhaft oder unwiderruflich verändert oder verloren.
Bardgett erklärt zudem, dass Insekten im Boden eine entscheidende Funktion haben: Sie bauen organische Substanz ab, sodass Pflanzen wachsen können. Ohne diese lebenswichtigen Insekten - die in alarmierenden Größenordnungen sterben - fallen die Ernten schlechter aus. Das wirkt sich auf die Menschen auf der ganzen Welt aus.
Vor allem die ärmsten Menschen im globalen Süden werden unter Nahrungsmittelknappheit leiden. Generell aber werden alle, überall betroffen sein, betont Robert Watson, Chemiker und Vorsitzender des Weltbiodiversitätsrat.
3. Pflanzen sind gefährdet
Kathy Willis, Pflanzenwissenschaftlerin an der Universität Oxford, betont in der Doku: Eine von vier Pflanzen, die die UN 2019 in einer Studie über Biodiversität untersucht haben, ist vom Aussterben bedroht. “Ich finde das erschreckend”, sagte Willis und erklärt, dass Pflanzen für unsere Nahrung, unser Wasser und unsere Luftqualität extrem wichtig ist.
“Bäume regulieren den Wasserfluss durch die Landschaft. Wenn man sie rodet, fällt der Effekt weg und man endet mit einem Erdrutsch”, erklärt Willis. “Diesen Fehler haben wir schon viele, viele Male gemacht.”
Sogar in Großbritannien, wo das Klima eher mild ist, haben die Überschwemmungen laut der Doku zugenommen. Denn sumpfige Feuchtgebiete, die Regenwasser aufnehmen können, sind verschwunden.
4. Der illegale Tierhandel schießt in die Höhe
In den vergangenen 20 Jahren seien Wilderei und illegaler Handel mit Wildtieren zu einer Multimilliarden-Dollar-Industrie geworden, sagt Attenborough in der Doku.
Das am meisten gehandelte Tier kannten die meisten Menschen vor der Corona-Pandemie noch nicht einmal: Es ist das Pangolin, ein mit Schuppen bedecktes Säugetier, das von Ameisen lebt.
“Die Händler behaupten, sie verkaufen das Tier aufgrund medizinischer Zwecke”, sagt Iris Ho, Wildtierspezialistin der Humane Society International. “Aber die Schuppen des Schuppentiers bestehen nur aus Keratin, wie unsere Fingernägel.”
Die Zahl der getöteten Tiere nimmt zu - Schätzungen zufolge wurden allein im Jahr 2019 über 175.000 Schuppentiere getötet.
5. Überfischung ist ein ernstes Problem
Trawler – ein bestimmtes Schiff für die Hochseefischerei – mit Netzen, die größer als Häuser sind, durchstreifen die Ozeane. Sie nehmen alles mit, was sich in ihnen verfängt, sagt Attenborough. Schätzungsweise seien 100.000 Trawler gleichzeitig im Einsatz.
Besonders in Gewässern in für die Fischerei wichtigen Ländern - etwa China, Indonesien und den USA - können sich die Fischbestände nicht erholen, wie Prof. Daniel Pauly vom Institut für Ozeane und Fischerei an der Universität British Columbia erklärt.
“Wir haben festgestellt, dass in den Gewässern Chinas etwa 16 Prozent (der Fischbestände; Anm. Der Redaktion) übrig geblieben sind im Vergleich zu der Situation von vor 120 Jahren”, sagt Pauly. In den Gewässern um Großbritannien seien im Vergleich zur Jahrhundertwende nur noch 5 Prozent des Kabeljaubestands übrig.
6. Unser Konsum spielt eine Rolle
Im globalen Süden schreitet das Bevölkerungswachstum voran. Doch der globale Norden hat eine viel größere Auswirkung auf unsere Ressourcen, erklärt Attenborough in der Doku.
Er erklärt, dass der durchschnittliche in Großbritannien lebende Mensch viermal mehr Ressourcen verbraucht als der durchschnittliche in Indien lebende Mensch. Die Art, wie Produkte hergestellt werden und dadurch die Umwelt geschädigt wird und die Größenordnung des ganzen habe große Auswirkungen.
Es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie wir unsere Ressourcen sinnvoll nutzen und wie wir sie nachhaltig verwalten können. Laut Watson, der die UN-Studie über Biodiversität leitete, verschwenden wir 40 Prozent der von uns produzierten Lebensmittel. “Wenn wir diese Verschwendung von Nahrung reduzieren könnten, wäre das ein großer Schritt hin zu einem nachhaltigeren Agrarsystem”, sagt er.
7. Wir können uns ändern
Die Expert*innen des Programms sehen Hoffnung - doch es wird Arbeit und Mühe von uns allen erfordern.
“Die Welt hat während der Pandemie eine Pause eingelegt. Und wenn es bald weitergeht, haben wir die Chance, unseren Umgang mit der Welt zu verändern”, sagt Keesing.
Ein Einfluss haben könne etwa, wenn Regierungen in “grüne Arbeitsplätze“ investieren, etwa im Bereich erneuerbarer Energien, gleichzeitig Umweltschutzgesetze verschärfen und globale Lieferketten überprüfen.
Auch, wenn wir als Einzelperson sorgfältiger über unseren Konsum nachdenken, was wir kaufen und wo wir es kaufen, können wir einen Unterschied bewirken, betont Willis.
Attenboroughs Fazit in der Doku klingt ähnlich: “Eines wissen wir: Wenn man der Natur die Chance gibt, kann sie sich wieder erholen.”