Es gibt eine gute Nachricht – und eine schlechte auch. Die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit der Industriestaaten für ärmere Länder haben mit 204 Milliarden US-Dollar (rund 185,2 Milliarden Euro) im Jahr 2022 einen Rekordwert erreicht, zeigen aktuelle Zahlen der OECD.

Das entspricht einem Anstieg von 13,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch das hat eine traurige Ursache: Die Zahl der Geflüchteten in Industrieländer stieg – und damit auch die Ausgaben, die ihnen zugute kamen.

29,3 Milliarden haben Geberländer aufgebracht, um ankommende Geflüchtete innerhalb ihrer Landesgrenzen zu unterstützen – ein Anstieg von 134 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit erreichte diese Art der Aufwendungen ein Allzeithoch in der Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit. 

Gestiegene Ausgaben zeigen ein verzerrtes Bild

Das liegt maßgeblich an Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Ein Großteil der Gelder wurden für ukrainische Geflüchtete aufgebracht; 16,1 Milliarden US-Dollar gingen an die Ukraine – das entspricht 7,8 Prozent der ODA-Ausgaben, die Kurzform für Official Development Assistance, zu deutsch: öffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Während die Hilfen für Geflüchtete natürlich unabdingbar sind, kritisieren Experten zeitgleich seit Jahren, dass Ausgaben für Geflüchtete in Industriestaaten keine Kernaufgabe von Entwicklungszusammenarbeit sind – und deshalb auch nicht als ODA-Ausgaben angerechnet werden sollten. Denn diese Gelder werden nicht genutzt, um die Entwicklung in ärmeren Ländern voranzutreiben oder die Bevölkerung vor Ort nachhaltig zu unterstützen. 

Während die ODA Ausgaben für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen um ganze 53 Prozent stiegen, sanken die Ausgaben für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt – Menschen aus den ärmsten Ländern der Welt verschwanden somit zunehmend aus dem Blickfeld. 

Auch Afrika geriet aus dem Fokus: Auf dem Kontinent wurden sieben Prozent weniger Ausgaben für Hilfsprogramme getätigt. Betrachtet man nur Subsahara-Afrika, wo laut Weltbank 18 der 20 ärmsten Länder der Welt liegen, ergab sich sogar ein Rückgang um acht Prozent. 

Die Verteilung der Gelder lässt einen besorgniserregenden Trend fürchten

Damit zeichnet sich ein besorgniserregender Trend ab: Die ärmsten Länder werden bei Hilfsgeldern im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit nicht priorisiert. Dabei ist es eines der wichtigsten Instrumente, um einkommensschwache Länder bei der Bewältigung der derzeit vielfältigen Krisen wie Ernährungsunsicherheit, der Klimakrise und steigender Inflation zu unterstützen. Andernfalls riskieren wir, dass die Ärmsten der Welt noch weiter in extreme Armut abrutschen. Denn bereits durch die Auswirkungen der Pandemie sind seit 2020 zusätzlich 100 Millionen Menschen in extreme Armut getrieben worden und leben von weniger als 1,70 Euro am Tag.

Auf den ersten Blick hat Deutschland sein Soll zwar erfüllt: Laut der OECD-Zahlen ist die Bundesrepublik mit 35 Milliarden US-Dollar wiederholt das zweitgrößte Geberland hinter den USA. Das entspricht 0,83 Prozent des hiesigen Bruttonationaleinkommens (BNE) – so wird die sogenannte ODA-Quote errechnet, damit die Ausgaben von größeren und kleineren Ländern vergleichbar sind. Basierend auf Vereinbarungen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1972 haben die Geberländer zugesagt, jedes Jahr 0,7 Prozent ihres BNEs für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben.

Demnach erfüllte Deutschland sein Versprechen. Allerdings: Erst seit 2016 rechnet Deutschland die Kosten für Geflüchtete im Inland mit in die ODA-Quote ein – das verändert einiges. Denn durch die gestiegenen Geflüchtetenzahlen in 2015 und 2016 und nun durch die Ukraine-Geflüchtete sind auch die Ausgaben massiv gestiegen. Somit sind die gestiegenen Ausgaben mit Vorsicht zu bewerten. Sie bedeuten nicht, dass die Bekämpfung extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten in Entwicklungsländern an Bedeutung gewonnen haben.

Neben Deutschland erfüllten Dänemark, Luxemburg, Norwegen, Schweden, Türkei und Saudi Arabien auf dem Papier das 0,7 Prozent Ziel. Insgesamt entsprechen die 204 Milliarden US-Dollar an Hilfsgeldern zusammengenommen nur 0,36 Prozent des BNEs der Geberländer – damit wurde das selbstgesteckte Ziel erneut verfehlt. 

Grund zur Sorge bietet auch der Blick in die Zukunft: Die Bundesregierung ringt noch um den Haushalt für das Jahr 2024, also darum, wie die Gelder zwischen den Ministerien im kommenden Jahr verteilt werden. Das Motto von FDP-Chef Lindner lautet sparen – auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist betroffen. Um ganze 1,5 Milliarden soll das Budget gekürzt werden. Darunter leiden dürften dann wohl die Ärmsten der Welt. 

Aber wir enden mit einer guten Nachricht: Du kannst dazu beitragen, globale Ungerechtigkeit zu beseitigen und Deutschland auffordern, Entwicklungszusammenarbeit ausreichend zu finanzieren. Werde jetzt aktiv und unterschreibe unsere Petition.

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Rekordausgaben für die Ärmsten der Welt? Warum die Zahlen trügen

Ein Beitrag von Jana Sepehr