.
Während sich die COVID-19-Pandemie auf der ganzen Welt ausgebreitet hat, richten sich viele Augen sorgenvoll auf Afrika. Viele afrikanische Länder haben marode Gesundheitssysteme und kämpfen mit Unter- und Mangelernährung – eine Pandemie könnte die bestehenden Probleme noch verstärken.
Während die Zahl der bestätigten Infektionen in Afrika derzeit vergleichsweise gering ist, hat das westafrikanische Ghana Berichten zufolge eine der höchsten Fallzahlen in Afrika. Mit über 630 bestätigten Fällen hat das Land nach der Elfenbeinküste die zweithöchste Fallzahl in der Region.
Ghana wurde dafür gelobt, wie es auf das Virus reagiert hat – insbesondere im Hinblick auf die Tests. Mehr als 44.000 Menschen wurden bereits getestet (Stand 13. April).
Gameli Aheto, 31, ist Arzt in Ghana. Seit 2016 arbeitet er in der Unfall- und Notaufnahme des Universitätsklinikums Korle Bu in der Hauptstadt Accra.
Wir sprachen mit Gameli Aheto, um mehr über die Reaktion auf COVID-19 in Ghana zu erfahren und darüber, wie sich der Ausbruch auf ihn selbst, seine Kolleg*innen und seine Patient*innen ausgewirkt hat.
Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die die ghanaische Regierung bisher ergriffen hat?
Nachdem wir die ersten beiden bestätigten Fälle hatten, sagte die ghanaische Regierung 100 Millionen Dollar zu, um die Ausbreitung von COVID-19 zu stoppen und das Gesundheitssystem zu unterstützen – jedoch ist mir noch nicht ganz klar, wie das Geld verteilt werden soll.
Anfang April kündigte der Präsident weitere Maßnahmen an, darunter eine 50-prozentige Gehaltserhöhung für Gesundheitspersonal, das an vorderster Front gegen COVID-19 im Einsatz ist sowie eine Steuerbefreiung für die nächsten drei Monate, kostenlose Wasserversorgung für alle Bürger*innen und die Abriegelung einer Reihe von Regionen, einschließlich der Metropolregion Accra.
Nur Menschen, die Lebensmittel verkaufen, dürfen sich noch immer auf der Straße oder in ihren Geschäften aufhalten – und auch Tankstellen und Krankenhäuser bleiben natürlich geöffnet.
Die Regierung startete zudem eine Aufklärungskampagne, um die Menschen für Social Distancing und Händewaschen zu sensibilisieren, um die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen.
Welche Auswirkungen hat COVID-19 für das Gesundheitspersonal und Gesundheitswesen in Ghana?
Natürlich sind wir durch die Arbeit im Krankenhaus und den Kontakt mit Patient*innen einem größeren Risiko ausgesetzt, uns anzustecken. Aber ich bin jung, deshalb mache ich mir keine großen Sorgen um meine eigene Gesundheit, sondern eher um meine Eltern. Meine Schwester hatte am vergangenen Wochenende Geburtstag, aber ich bin nicht zu meiner Familie gefahren, um mit ihnen zu feiern.
Unser Krankenhaus ist bisher noch nicht überlastet, aber ich habe die Bilder aus Italien. Die reichen aus, um zu wissen, dass das schnell anders aussehen kann und was das bedeuten würde.
Wir haben den Höhepunkt noch nicht erreicht, aber es ist wirklich entscheidend, jetzt die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Es gibt viele Sitzungen und Debatten darüber, was wir im Krankenhaus brauchen, um die Patient*innen zu behandeln und die Situation in den Griff zu bekommen.
Nachdem wir den ersten bestätigten Fall in unserem Krankenhaus hatten, mussten wir unsere Geschäftsleitung bitten, Dinge wie PPEs [persönliche Schutzausrüstung], Gesichtsmasken und COVID-19-Tests für Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen bereitzustellen, die sich möglicherweise infiziert haben. Wir warten immer noch auf einige Antworten auf unsere Forderungen.
Wie beeinflusst die Pandemie den Alltag in einer so belebten Stadt wie Accra?
Meine Haare könnten mal wieder einen Friseurbesuch vertragen, die stehen in alle Richtungen – aber das ist natürlich nur ein lustiger Nebeneffekt.
Der Alltag ist massiv beeinflusst worden. Es sind ein paar Autos auf den Straßen, aber es gibt deutlich weniger Verkehr. Das Nachtleben ist auch lahmgelegt. Viele Kneipen, Bars und Clubs haben bereits vor den beschlossenen Maßnahmen freiwillig geschlossen.
Es wurden einige sinnvolle Maßnahmen erlassen, aber ich glaube, dass wir noch einiges mehr tun sollten, um der Verbreitung des Virus entgegenzuwirken.
Was werden Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen in den kommenden Monaten sein?
Unsere Intensivstationen in Ghana sind nicht ausreichend vorbereitet und ausgestattet, um dieser Pandemie zu begegnen. Wir haben zum Beispiel nur zwei Beatmungsgeräte in unserer Notfallaufnahme in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite.
Ich hoffe wirklich, dass wir die Situation mit unseren Möglichkeiten in den Griff bekommen, aber ich mache mir trotzdem Sorgen, was auf den Intensivstationen los sein wird.
Für die Gesellschaft gilt: Je länger der Lock-Down andauert, desto mehr wird unsere Wirtschaft darunter leiden. Irgendwann könnte es Widerstände geben. Aber uns bleibt nur die Chance, die Kurve abzuflachen – sonst stecken wir in noch großen Schwierigkeiten.
Für andere afrikanische Länder wird es ähnlich sein. Ghana ist eines der fortgeschritteneren Länder in der Subregion was die medizinische Versorgung angeht. Wenn wir die Pandemie hier nicht in den Griff bekommen, mache ich mir wirklich Sorgen darum, was in anderen Ländern der Region passieren wird.
Wir haben eine relativ junge Bevölkerung in Afrika, das könnte unser Vorteil sein. Aber Unterernährung und Krankheiten wie Malaria und HIV könnten mehr Todesfälle verursachen.
Was gibt Ihnen in diesen Tagen Hoffnung?
Das ist nicht die erste Pandemie, mit der wir es zu tun haben. Wir werden diesen Kampf definitiv gewinnen, die Frage ist nur, wie viel Schaden er anrichtet. Die Regierungen sollten den Menschen gegenüber ehrlich sein und die Dinge, die wir brauchen, proaktiver bereitstellen.
Viele Organisationen und Menschen sind bereit zu helfen. Freunde und Bekannte aus meiner High School haben mir ihre eigenen Handschuhe und Masken vorbeigebracht. Das zeigt deutlich, dass die Menschen im Kleinen helfen und alles in ihrer Macht stehende tun, um sicherzustellen, dass wir das Virus bekämpfen werden.
Was erwarten Sie von Regierungen und der internationalen Gemeinschaft, um Gesundheitspersonal zu unterstützen?
Starke, vorausschauende und vertrauensvolle Entscheidungen. Wir brauchen Entscheidungsträger*innen, die das Problem als das erkennt, was es ist, und wir brauchen Politiker*innen, die bescheiden genug sind, um ihre Grenzen zu kennen, und die bereit sind, den Rat von Expert*innen anzunehmen und Geld in die Hand zu nehmen, um diese Krise zu überwinden.
Es hat absolut keinen Sinn, zuerst an die Wirtschaft zu denken, wenn dadurch Menschen sterben. Gemeinsam können wir das, was wir wirtschaftlich verloren haben, später wieder aufbauen.