Auf der internationalen Tagung Africa4Girls, die vom 16. bis 18. Juni in Dakar, Senegal, stattfand, wurde Geschichte geschrieben: Der stellvertretende Groß-Imam der Azhar, Scheich Dr. Salah Abbas, stellte eine Fatwa gegen Kinderheirat auf.
Die Fatwa ist die auf Grundlage muslimischer Werte anerkannte Rechtssprechung. Da sie von einer muslimischen Autorität wie dem Mufti verkündet wird, ist sie innerhalb der islamischen Gemeinde von sehr hoher Bedeutung.
Das Amt des Imams der Azhar ist nach islamischem Recht die höchste Autorität für muslimische Sunniten, die 75 bis 90 Prozent aller Muslime weltweit ausmachen.
Die von Abbas verkündete Fatwa besagt, dass Mädchen und Jungen zukünftig das 18. Lebensjahr vollendet haben müssen, um heiraten zu dürfen. Eine Heirat in einem jüngeren Alter ist demnach verboten.
“Im Islam baut die Heirat auf gegenseitigem Einvernehmen auf, vor allem auf dem des Mädchens … Das Mindestalter, das für dieses Einverständnis erreicht sein muss, ist 18 Jahre“, sagte der stellvertretende Groß-Imam auf dem Gipfeltreffen.
Diese Fatwa ist ein Meilenstein im Kampf gegen die Kinderehe in Afrika. Laut der Webseite von Africa4Girls werden über 39 Prozent aller Mädchen in Subsahara-Afrika noch vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, davon 13 Prozent sogar vor ihrem 15. Geburtstag.
The deputy Grand Imam of @AlAzhar & his team writing a new Fatwa to advise that both girls and boys should be aged 18 before entering into marriage in order for them to have the appropriate level of maturity.@UN_Women@phumzileunwomen@JahaENDFGM#Africa4Girls2030pic.twitter.com/w3qwwo6O4V
— UN Women Africa (@unwomenafrica) 18. Juni 2019
Die Rede von Abbas war zwar kurz, aber sehr eindringlich. Er fand klare Worte dafür, wer und was bei Kinderehen auf der Strecke bliebe: Mädchen und ihre Kindheit.
“Einverständnis bedeutet, dass das Mädchen reif genug sein muss, um ihren Wunsch einer Heirat ausdrücken zu können“, sagte Abbas. “Nur so kommt sie in den Genuss ihrer Grundrechte auf eine Kindheit und Bildung und kann die Fähigkeit entwickeln, den Verpflichtungen einer Ehe gerecht zu werden.“
Bei der internationalen Konferenz Africa4Girls waren Aktivist*innen, Politiker*innen und Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt anwesend. Ihr Zusammenkommen spielt eine große Rolle für den aktuellen Dialog und die Bemühungen, Kinderehen und weibliche Genitalverstümmelung (FGM) bis 2030 zu beenden.
Dereje Wordofa, stellvertretender Geschäftsführer des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), war ebenfalls unter den Teilnehmenden und bezeichnete die erste Afrika-Tagung für FGM und Kinderehen als “rechtzeitig und essentiell“.
“Ob es an der Geringschätzung von Mädchen, wirtschaftlichen Umständen oder an Unsicherheiten, vor allem in Krisengebieten – oder aus welchen Gründen auch immer Kinderehen zustande kommen – liegt, die Konsequenzen sind immer dieselben: Kinderehen sind eine Verletzung der Menschenrechte und lässt das Leben [dieser Mädchen] entgleisen“, sagte Wordofa.
Different Countries, Regions, Religions, Gender and Ages But one mission to #EndFGM#Childmarriage and other harmful cultural practices at the #Africa4Girls2030#MenENDFGMpic.twitter.com/6DjPtuEs4Y
— #MenENDFGM (@TonyMwebia) 18. Juni 2019
Abbas Fatwa wird von Aktivist*innen wie Jana Mapenzi Dukureh begrüßt, die lokale Sonderbeauftragte für United Nations Women (die Vereinigung der UN für die Gleichstellung von Frauen) und Gründerin von Safe Hands for Girls ist. Die Organisation setzt sich für das Ende weiblicher Genitalverstümmelung und anderer Praktiken, die Mädchen Schaden zufügen, ein.
“Dies ist ein historischer Moment für uns alle und jeden, der für die Gleichberechtigung von Mädchen kämpft“, schrieb sie nach der offiziellen Erklärung auf Twitter.
Wann die Fatwa in Kraft tritt und auf welche Länder sie angewendet werden wird, muss noch geklärt werden.