“Es gibt ein großes Fest. Es wird getanzt und es werden Ziegen und Kühe geschlachtet. Normalerweise ist es bei uns eher ruhig, aber zu diesem Anlass kommen alle zusammen und feiern.”
Doch Natalies Eltern ließen nicht zu, dass ihre 10-jährige Tochter sich einer weiblichen Genitalverstümmelung unterziehen muss. “Ich wusste nicht genau, was es bedeutet, aber ich war sehr böse auf sie.”
“Die Mädchen werden um 3 Uhr morgens geweckt und zum Fluss gebracht. Die Person, die die Beschneidung vornimmt, ist auch da und alle begeben sich ins kalte Wasser. Dann wird man beschnitten. Für alle wird das gleiche Messer benutzt und es gibt keine Betäubung, um den Schmerz zu lindern. Damals wusste ich nicht, was mit den Mädchen passieren würde.”
Jahre später ist Natalie nicht nur dankbar, dass ihr die Genitalverstümmelung erspart blieb, sondern ist auch sehr froh, dass ihre Familie ihr die Möglichkeit gab, zur Schule zu gehen. Ihre Eltern schickten sie auf ein Internat, um einen höheren Abschluss zu machen. Während dieser Zeit starben zwei ihrer Freundinnen aufgrund von Komplikationen verursacht durch die Beschneidung.
“Eine starb an Ort und Stelle, weil die Blutungen nicht aufhörten, und die andere starb mit 15 bei der Geburt ihres Kindes.” Diese tragischen Geschichten ließen Natalie nicht los.
“Ich war so wütend auf die Menschen in meinem Dorf, dass sie den Mädchen das angetan haben. Ich finde, jedes Mädchen hat das Recht zu wissen, dass Beschneidungen falsch sind, ein Verbrechen sind. Aber das können sie nur lernen, wenn sie die Chance haben, zur Schule zu gehen.”
“Ich bin die Erste in meinem Dorf, die zur Uni gegangen ist, und das hat mein Leben komplett verändert. Viele Eltern halten es nicht für notwendig, [ihre Töchter zur Schule zu schicken]. Und wenn sie es doch tun, müssen die Mädchen morgens arbeiten, sich um die Herde kümmern und einen weiten Weg bis zur Schule zurücklegen. Wenn sie dann endlich in der Schule sind, sind sie so müde, dass sie sich kaum noch konzentrieren können."
Nach ihrem Studium kehrte Natalie zurück in ihr Dorf, um sich für die Rechte von Mädchen wie sie selbst stark zu machen. Sie gründete die Organisation Msichana, um sich für Bildungschancen für Mädchen einzusetzen und gegen weibliche Genitalstümmelung, Kinderehen und Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu kämpfen. Sie sammelte genug Spenden, um eine Bibliothek zu bauen, wo Jugendliche lesen und schreiben lernen können und über ihre Rechte informiert werden.
“Es gibt 500 Kinder, doch nur 50 Sitze. Und wir haben fünf Computer, unser ganzer Stolz!” Das Ziel von Msichana ist es, Alternativen aufzuzeigen.
“Wenn man nur sagt, ‘Beschneidungen sind falsch’, fragen die Mädchen: ‘Was soll ich sonst machen? Was wird aus mir? Wird mich jemand heiraten? Habe ich noch eine Zukunft, wenn ich es nicht mache?’”
“Du sagst ihnen: ‘Weißt du was, das ist eine Professorin, eine Anwältin. Sie war auch mal ein Mädchen wie du.' Es verändert Dinge, wenn Mädchen ihre Alternativen kennen.”
Doch obwohl sich Vorstellungen in Natalies Dorf langsam verändern, gibt es immer noch viele Menschen, die ihre Arbeit ablehnen.
“Wahrscheinlich werde ich niemanden aus meinem Dorf heiraten, weil ich nicht beschnitten bin. Die Leute sagen, dass mich niemand will. Sie halten mich für eine Rebellin.” Doch auch das konnte sie nicht aufhalten.
“Bildung hat mir Selbstbewusstsein gegeben, Bildung hat mir Türen geöffnet. Durch Bildung habe ich es von einem kleinen Dorf bis [zur Women Deliver Konferenz] nach Kopenhagen geschafft. Bildung hat es mir ermöglicht, auf einer Bühne vor einem großen Publikum zu sprechen. Deswegen möchten ich anderen Mädchen helfen.”
Mehr Informationen über Msichana gibt es hier: http://msichana.co.ke/