Verdienen Frauen und Mädchen Zugang zur Gesundheitsversorgung? Die Frage ist hart (und sollte eigentlich leicht zu beantworten sein). Aber jedes Mal, wenn eine Frau bei einer Geburt stirbt oder einen lebensrettenden Impfstoff nicht bekommt, oder Angst hat, geschlechtsspezifische Gewalt zu melden und die nötige Behandlung in Anspruch zu nehmen, scheint es so, als ob die Antwort auf diese Frage ein klares “Nein” ist.
Denn obwohl der Zugang zur Gesundheitsversorgung ein grundlegendes Menschenrecht ist, wird er so vielen Frauen weltweit verwehrt. Es ist erschreckend, wie dringlich diese Frage deshalb ist. Bei der Versorgung von Müttern werden Budgets gekürzt, es gibt immense Lücken in der Diagnostik, gendergerechte Medizin wird oft nicht ernst genommen und Transgender-Frauen wird häufig die Behandlung verweigert. Denn: Die Lehrpläne enthalten lediglich die Behandlung von Männern und Frauen. Vielen Ärzt*innen fehlen also die erforderlichen Kenntnisse und die nötige Sicherheit.
All das ist das Ergebnis jahrhundertelanger Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob Frauen und Mädchen es verdient haben, zu leben – und nicht nur Menschen, wie in rund 90 Prozent der Fälle, an vorderster Front bei globalen Gesundheitsbedrohungen wie der Covid-Pandemie zu versorgen.
Hier kommen fünf Fakten, die zeigen, wie dringend wir Maßnahmen ergreifen müssen.
1. Die Forschung beachtet Frauenkörper nicht.
Zwischen männlichen und weiblichen Körpern gibt es unbestreitbare Unterschiede: Sie funktionieren unterschiedlich, sie reagieren mitunter unterschiedlich auf Krankheiten – und zeigen entsprechend andere Symptome. Auch Medikamente können ganz anders wirken und andere Nebenwirkungen hervorrufen.
Früher glaubte man, dass der einzige Unterschied zwischen dem weiblichen und dem männlichen Körper in den Geschlechtsorganen besteht. Weil die weiblichen Geschlechtsorgane als minderwertig und nur für die Geburt geeignet angesehen wurden, wurde ein Großteil der Forschung zu Gesundheitsproblemen, Behandlungen und Medikamenten an männlichen Körpern durchgeführt.
Dr. Janine Clayton, Direktorin des Office of Research on Women's Health am National Institute of Health in den USA,, drückt es so aus: “Weil wir Frauen weniger studiert haben, wissen wir auch weniger über sie. Das Ergebnis ist, dass Frauen möglicherweise nicht immer die optimalste Versorgung erhalten haben.”
Da für die Forschung weltweit immer noch erhebliche Mittel fehlen, wird sich an diesem Problem so schnell nichts ändern.
2. Männer werden schneller diagnostiziert als Frauen.
Bei Frauen dauert es länger, bis kritische Gesundheitsprobleme diagnostiziert werden als bei Männern. Im schlimmsten Fall werden Frauen sogar fehldiagnostiziert oder ihre Krankheiten bleiben völlig unerkannt.
Das liegt, neben der mangelnden Forschung, auch an kulturellen Normen und tief verwurzelten geschlechtsspezifischen Vorurteilen. Bei einer Umfrage der Gesundheits-App “Levi” unter Frauen aus Europa und dem Vereinigten Königreich gaben 57 Prozent der Befragten an, dass sie schon einmal eine falsche Diagnose erhalten haben. Am häufigsten werden Endometriose, Autismus und Herzinfarkt bei Frauen nicht oder falsch diagnostiziert.
3. Frauen sterben mit höherer Wahrscheinlichkeit an einem Herzinfarkt als Männer.
“Die Herzbeschwerden von Frauen werden leider nicht so ernst genommen, wie die von Männern", sagt der Herzchirurg Dr. Steven Gundry zu “Medical News Today”. “Lange Zeit wurde angenommen, dass Frauen durch Östrogen vor Herzkrankheiten geschützt sind; aber wie bei Fettleibigkeit und Diabetes ist das nicht der Fall.”
4. Etwa 75 Prozent der Führungspositionen im Gesundheitswesen sind von Männern besetzt.
Obwohl Frauen weltweit 67 Prozent der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen ausmachen, sind sie in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert. Dabei könnte genau das den Unterschied ausmachen, wenn es darum geht, die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen zu verstehen und sie angemessen zu versorgen.
5. Frauen werden als weniger schmerzempfindlich wahrgenommen als Männer.
Frauen gelten gemeinhin als emotional instabiler und ihnen wird eine höhere Schmerzgrenze unterstellt als Männern, so eine Studie der McGill University. Ärzt*innen stufen ihre Schmerzen deshalb oft als “emotional”, “psychogen” und “nicht real” ein, wie Forschende der Universität Maryland herausfanden. “Im Allgemeinen berichten Frauen über stärkere, häufigere und länger andauernde Schmerzen als Männer, werden aber weniger intensiv gegen Schmerzen behandelt“, so die Wissenschaftler*innen in der Studie.
Es gibt schlichtweg keine Entschuldigung dafür, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in der Gesundheitsversorgung so deutlich zutage tritt. Wir müssen jetzt unsere Stimme erheben und handeln, damit sich wirklich etwas verändert. Denn Frauen haben eine bessere Versorgung verdient.