Warum das wichtig ist
Sichtbarkeit ist nicht nur wichtig, um die Sichtweisen in einer Gesellschaft zu verändern, sondern auch eine entscheidende Botschaft für jene Menschen, die sich sonst als Teil einer Randgruppe wahrnehmen. Das gilt etwa für die LGBTQ+ Community, die oft nicht sichtbar und wertgeschätzt fühlt. Wenn du möchtest, dass das ein Ende hat, klick hier.

Die Flagge Südafrikas schimmert am Abend des nationalen Schönheitswettbewerbs in Regenbogenfarben. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes steht ein queerer Mensch auf der Bühne und kämpft um den Titel der Miss Südafrika.

“Molweni bantu abahle (Hallo ihr wunderschönen Menschen)! Mein Name ist Sibabalwe Gcilitshana, ich bin 24 Jahre alt und und komme aus Blythswood in der Provinz Eastern Cape.” So selbstbewusst stellt sich Gcilitshana den Zuschauern auf dem Time Square in Südafrikas Hauptstadt Pretoria vor.

Voller Stolz steht sie nicht nur für sich selbst auf der Wettbewerbsbühne, sondern stellvertretend für eine gesellschaftliche Gruppe, die von vielen sozialen und kulturellen Veranstaltungen ausgeschlossen wird: Die LGBTQ+ Community.

“Ich bin dankbar für das Vertrauen und die Verantwort und hätte es gehasst, wenn es nur um mich allein gegangen wäre”, sagte sie Global Citizen nach dem Wettbewerb.

Gcilitshana war perplex, als ein Arbeitskollege ihr vorgeschlagen hatte, sie könne am Miss Südafrika Schönheitswettbewerb teilnehmen. 

“Hast Du dir diese Frauen mal angeschaut?”, antwortete sie und glaubte nicht daran, dass sie jemals die geforderten Kriterien erfüllen könne. Ihr Kollege lies allerdings nicht locker und überzeugte sie schließlich, den Anmeldebogen auszufüllen. Kurz darauf war Gcilitshana eine der 16 Finalistinnen des Schönheitswettbewerbs. In diesem wichtigen Moment erkannte Gcilitshana, wie viel sie von sich preisgeben möchte, wenn sie im Scheinwerferlicht strahlt.

“Ich will einfach ich sein. Es hätte sich falsch angefühlt, einen wichtigen Aspekt von mir zu verstecken. Besonders, weil dieser Aspekt oft nur wenig Beachtung in so großen und einflussreichen Zusammenhängen findet”, sagt sie weiter.

Oft wirdim Zusammenhang mit Miss-Wahlen diskutiert, ob die Wettbewerbe enge und falsche Schönheitsideale fördern. Doch die Miss Südafrika Wahl brachte in diesem Jahr ein Imagewechsel mit sich. Eine diverse Gruppe von Frauen nahm daran teil.

Gcilitshana unterstützt Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen in Südafrika, indem sie sich leidenschaftlich für einen Ausbau der Bildungsangebote einsetzt.

“Menschenrechte sind eine Schnittmenge aus ganz vielen verschiedenen Aspekten des Lebens und Bildung hilft den Menschen, diese Rechte durchzusetzen und ihr volles Potential zu entfalten”, sagte sie Global Citizen.

Im Jahr 2017 machte Gcilitshana einen Bachelor of Honours im Fach Internationale Beziehungen und Ökonomie und fokussierte sich dabei auf das Thema “Übergangsjustiz”. Im Anschluss begann sie ihre Arbeit als parlamentarische Geschäftsführerin und Wissenschaftlerin bei Equal Education. Die Organisation versucht Qualitätsstandards für Bildung in Südafrika zu schaffen, indem bestehende Richtlinien analysiert und Kampagnen durchgeführt werden.

Sibulele Gcilitshana, die Mutter der jungen Akademikerin, ist eine Quelle der Inspiration für ihre Tochter, besonders wenn kreative Lösungen gefunden werden müssen. Gcilitshanas Mutter ist Schauspielerin und wurde durch die Serie Society bekannt. Dort spielte sie eine lesbische Lehrerin.

Noch immer führen queere Fernsehcharaktere in Südafrika zu hitzigen Diskussionen. Vor diesem Hintergrund ist es ein glücklicher sowie spannender Zufall, dass Gcilitshanas, deren Mutter eine der ersten lesbischen Rollen in der Fernsehgeschichte Südafrikas spielte, die erste queere Person ist, die am größten Schönheitswettbewerb des Landes teilnahm.

Als Kind hat Gcilitshana die Aufregung um die Rolle ihrer Mutter nie verstanden, sie hatte keine einzige queere Freund*in.

“Ich erinnere mich daran, dass diese Serie anders war als die anderen. Aber mir fehlte der Kontext für eine gesellschaftlichen Einordnung”, sagt sie.

Erst als Gcilitshana sich selbst outete, wurde ihr klar, wie wichtig die Serie ihrer Mutter für lesbische, bisexuelle, transgender und non-binäre Menschen ist. Bis zu ihrer Veröffentlichung war die LGTBQAI+ Community in der Entertainment-Welt Südafrikas unsichtbar.

“Das Leben, das queere Menschen hier führen, ist einfach anders als das Leben von heterosexuelle Menschen”, sagt sie.

Deshalb sei es ihr so wichtig gewesen, bei der Miss Südafrika Wahl offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen, obwohl das nicht ganz ungefährlich war und ihre Familie Angst hatte.



“Unser Büro ist in Khayelitsha und, wie in vielen anderen Townships, gibt es dort Gewalt gegenüber queeren Menschen”, erklärt sie.  

Laut einer Studie des South African Institute of Race Relations werde schwarze, queere Menschen in Südafrika öfter Opfer von physischer Gewalt als die Mitglieder aller anderen gesellschaftlichen Gruppen. Außerdem sei die Hälfte aller Menschen in dem Land davon überzeugt, dass lesbische, schwule, bisexuelle und transgender Menschen nicht dieselben Rechte haben sollten, wie heterosexuelle Menschen. Besonders irritierend sind diese Ergebnisse vor dem Hintergrund, dass Südafrika die fortschrittlichste Verfassung der Welt hat. Queere Menschen sind durch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gegen Diskriminierung geschützt. Im Alltag werden sie allerdings in vielen Lebensbereichen immer wieder Opfer von Diskriminierung.

Deswegen sah Gcilitshana die Miss Südamerika Wahl als eine Chance, Menschen in ihrem Land die Möglichkeit zu geben, etwas über die queere Community zu lernen. Außerdem wollte sie so das Stigma brechen, durch das Diskriminierung und physische und psychische Gewalt erst ermöglicht wird.

“Homophoben Menschen schüchtern mich nicht ein”, fügt sie hinzu. “Die Miss Südafrika Wahl 2019 ist eine Chance, neue Lernerfahrungen zu sammeln, für Menschen, die glauben, andere aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminieren zu dürfen.“

Es erfreut umso mehr, dass Gcilitshana überwiegend Zuspruch und Unterstützung erfahren hat. Viele Südafrikaner*innen sind der Meinung, dass es höchste Zeit war, die LGBTQ+ Community auf die Bühne des Mainstream Entertainments zu heben. Letztlich würden so alle südafrikanischen Frauen gewinnen, meint Gcilitshana.

Und dann sagt sie: “Es macht mich stolz, dass ich stellvertretend für so viele andere Menschen bei der Miss Südafrika Wahl 2019 sinnbildlich die Regenbogenflagge stehen konnte.”

Editorial

Gerechtigkeit fordern

Sibabalwe Gcilitshana ist die erste queere Teilnehmerin bei der Miss Südafrika Wahl

Ein Beitrag von Itumeleng Letsoalo