Man sieht die Bilder der Zerstörung und schluckt. Man hört von den Menschen, die alles verloren haben und vollkommen verzweifelt sind. Naturkatastrophen in extremem Ausmaß gibt es selten in Deutschland. Viele kennen solche Zerstörungen nur aus den Nachrichten. Doch je mehr die Klimakrise an Fahrt aufnimmt, umso mehr nehmen extreme Wetterereignisse auch in Deutschland zu – mit katastrophalen Folgen.
Alles begann mit dem Tiefdruckgebiet Bernd, dass sich über West- und Mitteleuropa legte und über mehrere Tage enorme Regenmengen abließ. Allein am 14. Juli fielen in einzelnen Städten und Regionen mehr als 150 Liter Regen pro Quadratmeter. Mit am stärksten waren Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz betroffen. Hier liegt der übliche Durchschnitt bei 82 Litern Regen – allerdings im ganzen Monat Juli.
Die Folge waren massive Überschwemmungen und Fluten in den betroffenen Bundesländern. Aber auch die deutschen Nachbarn Belgien, Niederlande, Schweiz und Österreich sowie weitere angrenzende Länder waren betroffen. Und selbst in England kam es zu Überflutungen.
Die massive Zerstörung von Städten und Dörfern konzentrierte sich auf die Regionen rund um verschiedene Flüsse im Westen Deutschlands. Dort kamen mindestens 160 Menschen ums Leben, europaweit starben über 180 Menschen. Mehrere hundert weitere gelten noch immer als vermisst.
Das Hochwasser gilt als schwerste Naturkatastrophe in Deutschland seit über 50 Jahren.
Als durch den tagelangen Regen das Wasser die Flussufer überquerte, ging es oft ganz schnell. Innerhalb weniger Minuten waren ganze Städte überflutet und die Menschen vor Ort hatten ihr Hab und Gut verloren. Überschwemmungen und Erdrutsche zerstörten Häuser und Dörfer. Hunderttausende Menschen waren tagelang ohne Strom oder Zugang zu Trinkwasser.
Eine Naturkatastrophe diesen Ausmaßes hatte man in Deutschland zuletzt während der Hamburger Sturmflut 1962 erlebt, als 340 Menschen in den Überschwemmungen starben. Die Elbe-Hochwasser 2013 und 2006 sowie die Hochwasser an der Donau 2002 und Oder 1996 sind ebenfalls als Jahrhunderthochwasser im deutschen Gedächtnis. Doch die aktuellen Geschehnisse überschatten die Unwetterereignisse der letzten 50 Jahre bei weitem.
Beim Besuch der zerstörten Regionen wurde Bundeskanzlerin Merkel sehr deutlich: “Es ist erschreckend. Ich will fast sagen, die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die angerichtet ist.”
Was es vor allem für die Menschen vor Ort bedeutet, fasste der Bürgermeister der Eifelgemeinde Schuld, Helmut Lussi, in bewegenden Worten vor den anwesenden Journalist*innen zusammen: “Diese Flut wird für die Menschen in Schuld Narben hinterlassen. Narben, die man nie vergisst. Narben, die nicht zu bewältigen sind.” Im Anblick seines zerstörten Dorfes und unter Tränen ergänzte er: “Unser Leben hat sich von einem Tag auf den anderen verändert.”
Schon jetzt ist klar, dass die Wiederaufbaumaßnahmen Jahre dauern werden. Die letzte große Flut an der Elbe kostete 2013 12 Milliarden Euro – Beamt*innen der Bundesregierung davon aus, dass es deutlich teurer werden wird. Finanzminister Scholz hat einen nationalen Kraftakt angekündigt und mindestens 300 Millionen Euro Soforthilfe versprochen.
Die Klimakrise trifft die Menschen ins Mark
Klimaforscher und Meteorologen sind sich einig: die Klimakrise ist verantwortlich für diese Katastrophe. Nicht nur wird fast jedes Jahr ein neuer Rekord für das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen aufgestellt. Auch extreme Wetterereignisse nehmen zu.
Extreme Hitze und Dürre traten in Deutschland in den Sommermonaten 2018-2020 auf. Anfang Juli wurden im Westen Kanadas und Nordwesten der USA bis zu 50 Grad Außentemperatur gemessen, gefolgt von schweren Waldbränden. Mehrere hundert Menschen starben und knapp eine Milliarde Meerestiere verendeten unter den klimatischen Bedingungen. In den letzten Tage führte Starkregen auch im indischen Mumbai zu mehr als 26 Toten.
Im konkreten Fall von intensivem, lange anhaltendem Regen lässt sich eine klare Linie zur fortschreitenden Erderwärmung ziehen. So verdeutlichen Klimaforscher, dass eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen und über stärkere Niederschläge wieder ausschütten kann.
Auch sorgen veränderte Höhenwinde – der sogenannte Jetstream – dafür, dass Tief- und Hochdruckgebiete länger über einzelnen Regionen verweilen und so extreme Wetterlagen hervorrufen.
Im Angesicht dieser schlimmen Naturkatastrophe und anderen Extremwetterereignissen lässt sich eines nicht leugnen: Die Klimakrise stellt weltweit eine existenzielle Bedrohung für Mensch und Natur dar.
Merkel: “Wir müssen uns sputen, wir müssen beim Kampf gegen den Klimawandel schneller werden”
Durch diese Katastrophe hat sich Klimaschutz wieder ganz nach vorne auf die politischen Tagesordnung geschoben. Neben der tiefen Betroffenheit aller Politiker*innen wurde eines kaum in Frage gestellt: Wie dringlich größere Aktivitäten beim Klimaschutz sind.
Das machte besonders die Bundeskanzlerin deutlich: “Deutschland ist ein starkes Land, und wir werden uns dieser Naturgewalt entgegenstemmen, kurzfristig, aber eben auch mittel- und langfristig durch eine Politik, die die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir dies in den letzten Jahren getan haben.”
Auch die drei Kanzlerkandidat*innen kommen nun nicht mehr an dem Thema vorbei. Bisher drehte sich der Bundestagswahlkampf kaum um die drängendsten Probleme, vielmehr um Stilfragen der Kanzlerkandidat*innen oder vergangenes Verhalten außerhalb ihrer politischen Arbeit.
Zunächst sah es so aus, als würde selbst so eine Katastrophe davon kaum ablenken können. Unionskanzlerkandidat Laschet erhielt noch die größte Reichweite in den sozialen Medien, weil er feixend gefilmt wurde, während Bundespräsident Steinmeier gerade seine Erschütterung über die Zerstörungen ausdrückte. Angemessen war das sicher nicht. Doch viel wichtiger ist, was die einzelnen Parteien und Kandidat*innen im Angesicht dieser Katastrophe über Klimaschutzmaßnahmen zu sagen haben.
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, rief dazu auf “in allen Bereichen beim Klimaschutz draufzusatteln und mit einem Klimaschutzsofortprogramm wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen.” Auch müssten Siedlungen und Infrastrukturen besser geschützt werden.
Dem stimmte Armin Laschet zu, der ebenfalls versprach, Deutschland besser gegen Wetterextreme zu wappnen. Während er deutlich machte, den Klimawandel schneller zu bekämpfen, gab er gleichzeitig die Losung aus, jetzt nicht auf die schnelle die Politik zu ändern: “Das Ziel, CO2 reduzieren, muss ein langfristiges sein.”
Klare Worte fand Finanzminister Olaf Scholz, Kandidat der SPD: “Jetzt hat hoffentlich der letzte kapiert, dass der Menschen gemachte Klimawandel auch bei uns ankommt.” Es brauche eine zweite industrielle Revolution, um schnell klimaneutral zu werden und die Risiken des Klimawandels nicht den Einzelnen aufbürden.
Einig sind sich alle, dass deutlich mehr gegen die weltweite Klimakrise getan werden muss. Doch das Wie und die Geschwindigkeit sind entscheidend. Bei der nächsten Bundestagswahl geht es genau darum: Wer kann #ZukunftSchaffen und will sich für eine nachhaltige und gerechte Welt einsetzen.
Einige Wochen nach dem 26. September tagt die COP 26 – die UN-Klimakonferenz in Glasgow, bei der Entscheidungsträger*innen aus aller Welt zusammenkommen und über die nächsten Schritte zum Schutz der Umwelt beraten. Es geht in den nächsten Monaten darum, hier in Deutschland ein klares Zeichen zu setzen: Wir müssen den Klimawandel stoppen und alles Nötige dafür tun, damit sich solche Katastrophen nicht wiederholen oder ihr Schaden begrenzt werden kann. Wir haben es in der Hand, wir können unsere Stimmen nutzen.
Die weltweite Klimakrise hat sich mit der Hochwasserkatastrophe auch in Deutschland dramatisch gezeigt. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, in der die Verwüstungen entstanden sind, schockiert und zeigt eindringlich auf, dass wir jetzt handeln müssen. Denn aktuell ist die Welt weit davon entfernt, die Erderwärmung wirklich zu stoppen. Werde hier aktiv und sorge dafür, dass die Politik handelt und alles dafür tut, die Klimakrise aufzuhalten.