Eine Tüte 'Chex Mix' und ein Protein-Riegel sind die einzigen Nahrungsmittel, die William Reid, 28, in den letzten zwei Jahren gekauft hat.

„Insgesamt lagen meine Ausgaben damit bei genau 5,50 Dollar (ca. 5€) inklusive Mehrwertsteuer”, erklärt Reid in einem Interview mit Global Citizen. „Die Ironie ist, dass man die 'Chex Mix' Tüte und den Protein-Riegel ja nicht als richtiges Essen bezeichnen würde. Aus den Nahrungsmitteln allerdings, die ich normalerweise bekomme, kann man sich immer eine nahrhafte Mahlzeit zaubern. Und es kostet nichts.”

Seit August 2014 späht der Absolvent der American University in sämtliche Container hinter Apotheken, Supermärkten und Bäckereien, die er verteilt über ganz Washington D.C. finden kann, und stockt so seinen leeren Kühlschrank und seine Regale wieder auf. Häufig findet er frisches Gemüse wie Salat, der noch komplett in Plastik verpackt ist, Brot soweit das Auge reicht, Bananen, Joghurts und Äpfel. Fast immer sind die Lebensmittel noch immer in ihrer Originalverpackung. In seinem Badezimmer stapeln sich 30 Rollen Klopapier, die er noch originalverpackt in einem Container hinter einem Drogeriemarkt gefunden hat. Und auch ganze Kartons voller Obst und Gemüse findet William immer wieder. „Die wurden einfach weggeschmissen, weil es keinen Platz mehr im Regal gab”, sagt William.

Jedes Jahr werfen amerikanische Supermärkte Obst und Gemüse im Wert von 15 Milliarden US-Dollar in die Mülltonne. Die jährlichen Ausgaben von Reid (nochmal zur Erinnerung): 2,25 Dollar.

Zugegeben, das Herausfischen von Nahrungsmitteln aus Containern hört sich beim ersten Mal irgendwie eklig an. Aber Reid stellt eins klar: er ernährt sich nicht von Resten oder abgelaufenen und verfaulten Dingen. Das „Containern” ist auch keine nasse, ekelige Angelegenheit so wie es im Film Parenthood dargestellt wird. Ganz im Gegenteil.

„Normalerweise lehne ich mich nur leicht in die Container hinein und fische die Essensprodukte so raus”, erzählt Reid. „Nur ab und zu kletter ich so richtig in den Container rein. Und auch nur dann, wenn ich was wirklich Gutes finde. Eine richtig gute Packung Käse zum Beispiel oder gefüllte Ravioli mit Spinat.”

William Reids Art der Nahrungsmittelbeschaffung durch Erzeugnisse, die allesamt noch gut sind, aber als Müll behandelt werden, sollte uns zu denken geben, wie unsere Essenskultur, mit ihrem schnellen Konsum und genauso schnellen Entsorgung, gestrickt ist.

„Klar könnte man sagen, dass ich mich von 'Müll' ernähre”, so Reid, „Aber was genau ist Müll? Diese noch immer perfekten Nahrungsmittel hier werden ja nur als Müll bezeichnet, weil irgendjemand entschieden hat, sie in den Müll zu schmeißen.”

Und genau das ist die Frage, die hinter Reids Bemühungen stecken - nämlich das Problem der weltweiten Lebensmittelverschwendung für alle sichtbar zu machen.

Laut dem National Resource Defense Council werden in den USA sage und schreibe 40% aller Nahrungsmittel einfach weggeschmissen. Damit verschwendet Amerika pro Jahr insgesamt 165 Milliarden US-Dollar für Nahrungsmittel, die nicht gegessen werden. Die Amerikaner bereiten also 50% ihres Landes für die Landwirtschaft auf und verbrauchen 80% ihres Trinkwassers für die Lebensmittelherstellung, um dann einen sehr großen Teil davon auf riesigen Müllbergen verrotten zu lassen.
Und dort produzieren die Nahrungsmittel dann völlig überflüssiges Methangas, ein Gas, das die globale Erwärmung 25 mal härter trifft als CO2.

Teilschuld an dem ganzen Dilemma hat unsere kulturell geprägte Auffassung, dass Nahrungsmittel immer perfekt und immer gleich auszusehen haben. Was totaler Blödsinn ist.

Zum Glück ändert sich diese Einstellung langsam: Die Supermarktketten Whole Foods und Wal-Mart verkaufen jetzt auch „hässliches” Obst und Gemüse zu günstigeren Preisen. Kalifornien hat erst kürzlich ein neues Gesetz verabschiedet, um das Haltbarkeitsdatum von Produkten zu vereinheitlichen. Und in Dänemark stehen die Menschen Schlange vor einem Supermarkt, der ausschließlich abgelaufene Lebensmittel verkauft. Wahnsinn!

Das Problem der weltweiten Lebensmittelverschwendung anzuerkennen ist allerdings nur die eine Seite der Medaille - denn den meisten fällt es persönlich sehr schwer, den eigenen Lebensstil zu ändern. Für Reid hingegen liegt genau hier seine Inspiration. Zu zeigen, dass man sich ändern kann.

Am schlimmsten findet Reid die soziale Ungerechtigkeit, die sich beim Thema Lebensmittel ergeben - wer kann sich welche Lebensmittel leisten und wer nicht, wer kann sich zum Beispiel von frischen Bio-Lebensmitteln ernähren und wer muss auf chemisch behandelte Billigprodukte zurückgreifen?

„Viele der Lebensmittel, die von der finanziell schwachen Bevölkerung gegessen werden, machen vielleicht satt, aber liefern keine wichtigen Nährstoffe”, sagt Reid. „Wir können doch nicht erwarten, dass arme Menschen zu neuer Stärke finden, wenn sie Hunger haben.”

Gemeinsam mit den Organisationen 'Food Not Bombs' und 'Food Recovery Working Group' arbeitet Reid daran, dass übrig gebliebene Lebensmittel aus Geschäften und Einzelhändlern zusammengetragen und an diejenigen verteilt werden, die sie am nötigsten brauchen.

Und das 'Food Recovery' Netzwerk könnte noch weite Wellen schlagen. Studien haben errechnet, dass bereits eine Reduzierung der Lebensmittelverschwendung von nur 15% ausreichen würde, um jedes Jahr zusätzlich 25 Millionen Menschen zu ernähren - das sind mehr als die Hälfte der Menschen in den USA, die nicht jeden Tag für eine Mahlzeit sorgen können.

Solange die Lebensmittelverschwendung auch weiterhin auf der Welt besteht, will Reid mit seiner Art der Lebensmittelbeschaffung weitermachen. Allerdings hat er das Gefühl, dass er in Zukunft ein paar Ausnahmen schaffen wird. Seine Frau würde zum Essen ausnahmsweise gerne auch mal in ein Restaurant gehen.

„Äthiopisches Essen hat es ihr momentan angetan”, sagt Reid. „Sie hat mir erzählt, dass man schon für 15 Dollar eine große vegetarische Platte für Zwei bestellen kann.” Das hört sich doch für die meisten nach einem kostengünstigen Date an.

„Alles was ich denken kann ist allerdings: 15 Dollar - so viel kostet mich mein Essen für sechs Jahre.”

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Ein Beitrag von Sarah McColl