„An meinem Hochzeitstag war ich noch sehr jung. Mir war nicht bewusst, dass ich in der ersten Nacht gleich mit ihm schlafen musste. Ich dachte, dass mein Mann noch warten würde, bis ich älter wäre. Bis die richtige Zeit gekommen ist.”  ~ Selenat ~

Für Mädchen wie Selenat, die im Alter von 13 Jahren verheiratet wurde, bringt eine Zwangsehe meistens ungeschützten Sex mit sich. Das führt dann nicht selten zu einer frühen und oft hochriskanten ersten Schwangerschaft.

„Zuerst schliefen wir nur nebeneinander. Aber die Freunde und Trauzeugen meines Mannes haben so lange auf ihn eingeredet, bis er mich aufweckte. Dann ging alles sehr schnell. Ich hatte keine Ahnung, was da überhaupt vor sich ging. Ich war ja damals noch ein Kind.”

„Seine Freunde und seine Familie waren begeistert, dass ich noch Jungfrau war. Das war ja auch der Hauptgrund für die Ehe - für mich bedeutete das allerdings eine schmerzhafte Hochzeitsnacht.”  ~ Selenat ~

Image: Jessica Lea / DFID

In den letzten zehn Jahren wurden 58 Millionen Mädchen in Entwicklungsländern noch vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet - das heißt also fast jedes dritte Mädchen!

Image: Jessica Lea / DFID

Das afrikanische Land Äthiopien hat mit die höchste Anzahl an Kinderehen. In der Amhara Region - wo auch Selenat lebt - liegt das Durchschnittsalter bei gerade einmal 14,7 Jahren.

Kaum zu glauben, aber Bayush wurde sogar schon mit 3(!) Jahren zwangsverheiratet.

Image: Jessica Lea / DFID

Bayush lebt eine gute Autostunde von Selenats Dorf entfernt. Sie ist davon überzeugt, dass Mädchen auf jeden Fall in die Schule gehen sollten - koste es, was es wolle. Und recht hat sie! Nachforschungen und Studien gehen nämlich davon aus, dass eine Schulbildung für Mädchen das beste Mittel sei, um die Zahl der frühen Zwangsehen zu reduzieren.

„Ich war noch sehr jung, als ich verheiratet wurde. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Aber ich weiß noch, dass die Leute Rinder und Kühe vorbeibrachten und meinten, dass sie nun mir gehörten. Aber ich hab nicht wirklich verstanden, was das beudeute oder was da vor sich ging.” ~ Bayush ~

Image: Jessica Lea / DFID

Bayush lebte nach ihrer 'Hochzeit' weiterhin bei ihren Eltern. Ihr Ehemann und seine Familie kamen zu verschiedenen Festen vorbei. Im Alter von 8 oder 9 Jahren sollte sie dann zu ihrem Mann ziehen. Aber mit 7 Jahren bat Bayush ihren Vater um Erlaubnis, zur Schule gehen zu dürfen.

Zuerst verweigerte Bayushs Vater ihr den Schulbesuch. Doch Ihr Bruder ließ nicht locker und setzte sich für sie ein. Er bot an, die Schulgebühren für seine kleine Schwester zu zahlen, aber nur, wenn Bayush weiterhin bei ihren Eltern wohnen kann. Nach tagelangem Bangen und endlosen Diskussionen war Bayushs Vater damit einverstanden. Und der Anfang von Bayushs Schulkarriere bedeutete dann zum Glück auch das Ende ihrer Ehe.

„Mein Vater steht jetzt auf meiner Seite und unterstützt mich. Er ist davon überzeugt, dass er mein Leben zerstört hätte, wenn er mich gezwungen hätte, weiterhin verheiratet zu bleiben.” ~ Bayush ~

Die Unterstzützung ihrer Familie hatte Bayush nun sicher. Gleichzeitig erhielt sie weitere finanzielle Unterstützung vom Finote Hiwot Programm - einem Programm, das vom britischen Ministerium für internationale Entwicklung finanziert wird und übersetzt so viel wie “Der Weg zum Leben” heißt.

„Finote Hiwot hat mir dabei geholfen, in der Schule zu bleiben. Sie gaben mir die nötigen Bücher, Hefte und Stifte, damit ich in der Schule und zu Hause richtig lernen kann.” ~ Bayush ~

Image: Jessica Lea / DFID

Das Finote Hiwot Programm unterstützt inzwischen über 37.500 heranwachsende Mädchen darin, zur Schule gehen zu können. Und auch die indirekte Hilfe ist bei weitem nicht zu vergessen! Denn nebenher veranstaltet das Programm zudem verschiedene Treffen in Bayushs Dorf, um über die Folgen einer frühen Zwangsheirat aufzuklären. Diese Treffen können und sollen auf langfristige Sicht die Haltung der Menschen gegenüber Zwangsehen ändern und so diesen „Brauch” ein für allemal stoppen.

Bayush geht auch heute noch häufig zu diesen Treffen. Sie haben ihr dabei geholfen, genügend Selbstvertrauen aufzubauen, um ihren Onkel, der drauf und dran war ihre Cousine zu verheiraten, direkt anzusprechen.

„Ich habe meinem Onkel von all dem erzählt, was ich durch Finote Hiwot gelernt habe. Ich habe ihm erklärt, was es für ihn und meine Cousine bedeuten würde, wenn er sie zur Schule schicken würde statt sie zu einer Ehe zu zwingen. Ich hab ihn auch davon überzeugen können, dass seine Tochter sehr klug ist. Und was ist passiert? Er hat wirklich auf mich gehört und die Heirat abgesagt. Ich bin wirklich stolz, dass ich das geschafft habe und meine Cousine nun mit mir zur Schule gehen darf. Das ist ein tolles Gefühl.”

„Heute träume ich davon, die Schule zu beenden und dann Ärztin zu werden, um den Menschen zu helfen. Ich habe das Gefühl, dass ich den Leuten gegenüber eine Verpflichtung habe.” ~ Bayush ~

Image: Jessica Lea / Department for International Development


Der Artikel stammt im Original vom Britischen Ministerium für internationale Entwicklung und wurde auf Medium veröffentlicht. Für mehr Informationen über das britische Ministerium und Informationen rund um das Thema Zwangsehen in Bangladesh, Nepal, Sambia, Uganda und Äthiopien bitte hier klicken.


Die in diesem Artikel dargestellte Meinung reflektiert ausdrücklich die Meinung des Autors und nicht maßgeblich die Meinung von Global Citizen, unseren Partnern und/oder unserer Partner-Organisationen. 

Editorial

Gerechtigkeit fordern

Mit 3 verheiratet, mit 7 geschieden: Kinderbräute berichten von ihrem Leben