Im Laufe der letzten zwei Jahre hat sich die Wirkung der COVID-19-Pandemie Stück für Stück auf alle Lebensbereiche ausgebreitet. Auch die globale Wirtschaft wurde in Mitleidenschaft gezogen, wodurch mehr Menschen denn je von Armut bedroht werden. Während die größten Wirtschaftsmächte der Welt in Rom zum diesjährigen Gipfel der Gruppe der 20 (G20) zusammenkommen, müssen wir sicherstellen, dass ihre Verpflichtungen zu einer gerechten Erholung für alle führen.
Wer sind die G20 und was ist der G20-Gipfel?
Der G20-Gipfel ist ein jährliches Forum, auf dem die teilnehmenden Länder, die 80 Prozent des weltweiten Reichtums ausmachen, zusammenkommen, um sich mit den dringendsten Problemen der Weltwirtschaft zu befassen. Das diesjährige Treffen findet am 30. und 31. Oktober in Italien statt. Er ist eine der wichtigsten Gelegenheiten für Staats- und Regierungschef*innen, um in globalem Ausmaß Maßnahmen abzustimmen, die Millionen von Menschenleben retten und die Umwelt schützen. Ohne diese Zusammenarbeit werden Pandemie und Klimawandel unzählige weitere Menschenleben, Existenzen, Lebensräume und gesellschaftliche Errungenschaften zerstören.
Die G20 setzen sich aus 20 Mitgliedsstaaten und ihren Staats- und Regierungschef*innen zusammen. Zu den Mitgliedern gehören: Argentinien (Präsident Alberto Fernàndez), Australien (Premierminister Scott Morrison), Brasilien (Präsident Jair Bolsonaro), Kanada (Premierminister Justin Trudeau), China (Präsident Xi Jinping), Frankreich (Präsident Emmanuel Macron), Deutschland (Kanzlerin Angela Merkel), Japan (Premierminister Fumio Kishida), Indien (Premierminister Narendra Modi), Indonesien (Präsident Joko Widodo), Italien (Präsident Mario Draghi), Mexiko (Präsident Andrés Manuel López Obrador), Russland (Präsident Wladimir Putin), Südafrika (Präsident Cyril Ramaphosa), Saudi-Arabien (König Salman bin Abdulaziz Al Saud), Südkorea (Präsident Moon Jae-in), die Türkei (Präsident Recep Tayyip Erdoğan), das Vereinigte Königreich (Premierminister Boris Johnson), die Vereinigten Staaten (Präsident Joe Biden) und die Europäische Union (Präsident des Europäischen Rates Charles Michel und Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen).
Zu den ständigen Gästen gehören: Spanien, die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen (UN), der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN), der Internationale Währungsfonds (IWF), die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (AUDA-NEPAD), das Financial Stability Board (FSB), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Welthandelsorganisation (WTO) und die Weltbankgruppe (WBG).
Das sind unsere Forderungen an den diesjährigen G20-Gipfel:
Globale Gesundheit
In weniger als zwei Jahren hat die COVID-19-Pandemie nach Angaben von Our World in Data bisher etwa 4,92 Millionen Menschenleben gefordert. Insgesamt gab es über 239 Millionen bestätigte Fälle, wobei die Dunkelziffer deutlich höher ausfallen dürfte, da viele Länder mit knappen Ressourcen keinen Zugang zu Tests haben.
Zur Bekämpfung der Pandemie wurden weltweit 6,61 Millionen Dosen verabreicht Davon entfällt jedoch der Großteil auf Impfungen in wohlhabenden Ländern, während in anderen Regionen, wie etwa auf dem afrikanischen Kontinent gerade einmal 4,4 Prozent der Bevölkerung geimpft wurden. Ohne einen Wechsel in dieser realitätsfernen Strategie hin zu einer deutlich gerechteren Verteilung der Impfstoffe wird die COVID-19-Pandemie noch deutlich länger andauern. In dieser vermeidbaren Verlängerung werden die Todeszahlen in einigen gefährdeten Ländern signifikant, überproportional und anhaltend anstiegen. Die erhöhten Hospitalisierungsraten und die Dauer der Krankenhausaufenthalte sind zwei der einflussreichsten Risikofaktoren für einen Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung in den betroffenen Gebieten. Die Maßnahmen, die notwendig sind, um dieser Gefahr vorzubeugen, lösen Rippel-Effekte wie etwa steigende Arbeitslosigkeit, Inflation bis hin zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch der gesamten Region aus.
Der Egoismus der Staaten, die die eigene Impfrate auf Kosten dieser gefährdeten Regionen vorantreiben, führt dabei keinesfalls zu einem besseren Ausgang. Das Virus verbreitet sich ungehindert von Ländergrenzen und bleibt solange eine Bedrohung für alle Nationen, bis alle Menschen Zugang zu lebensrettenden Impfdosen erhalten.
Aus diesem Grund fordern wir die G20 auf, den Zugang zu COVID-19-Impfstoffen zu verbessern und bis Juni 2022 mindestens 70 Prozent der Menschen in jedem Land zu impfen. Dieses Ziel hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer globalen Impfstrategie festgelegt.
Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen sich die G20-Länder verpflichten, bis Ende dieses Jahres im Rahmen der COVAX-Initiative eine Milliarde Impfdosen an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen weiterzugeben. Essentiell dabei ist eine deutlich gesteigerte Transparenz darüber wie viele Dosen in den nächsten Monaten unter welchen Bedingungen produziert und an welches Land sie geliefert oder weitergegeben werden.
Doch Impfstoffabgaben allein sind nicht ausreichend, um Impfgerechtigkeit zu erreichen. Um die Pandemie zu besiegen, müssen alle Länder in der Lage sein, ihre eigenen Impfstoffe zu produzieren. Deshalb fordert Global Citizen alle Mitglieder der WTO auf, die Eigentumsrechte für die Produktion von COVID-19-Impfstoffen für die Zeit der Pandemie auszusetzen.
Um 70 Prozent der Bevölkerung eines jeden Landes vollständig zu impfen, müssen die G20 zunächst den IWF-Fahrplan für die weltweite Impfung und den ACT-Beschleuniger (Access to COVID-19 Tools) der WHO finanzieren. Damit das geschieht, sollten sich die G20 dazu verpflichten, 26,3 Milliarden US-Dollar (rund 22 Milliarden Euro) für den ACT-Accelerator und weitere acht Milliarden US-Dollar (rund 6,8 Milliarden Euro) für die direkte Impfstoffherstellung zur Verfügung zu stellen.
Globaler Hunger
Die COVID-19-Pandemie und die sich verschärfende Klimakrise haben unzählige Menschen in die Armut getrieben und eine weltweite Nahrungsmittelknappheit verursacht. Angesichts der 41 Millionen Menschen, die am Rande des Verhungerns stehen, ist sofortiges Handeln unerlässlich. Nur so können Leben gerettet und Nahrungsmittelsysteme auf Klimaresilienz umgestellt werden.
Der Soforthilfefonds des Welternährungsprogramms ermöglicht eine rasche Reaktion in Notsituationen. Die G20 können Millionen Menschen vor dem Hungertod bewahren, indem sie 300 Millionen US-Dollar (rund 257 Millionen Euro) für den Soforthilfefonds bereitstellen.
So gesehen ist kurzfristige Hilfe ein wichtiger Aspekt in der Bekämpfung von Hungersnöten. Durch die die globale Erwärmung werden jedoch Ereignisse wie Dürren und Überschwemmungen verursacht. Das macht langfristige Investitionen in die Anpassungsfähigkeit ländlicher Gemeinden mit kleinbäuerlichen Betrieben absolut notwendig.
Die G20 haben es in Rom in der Hand, diese Klimaresilienz zu fördern. Es braucht Investitionen in die Agrarforschung von 350 Millionen US-Dollar (rund 300 Millionen Euro) und eine enge Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem International Fund for Agricultural Development (IFAD).
Energie und Klima
Die Erde hat sich bereits um 1,1 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt. Der im August veröffentlichte IPCC-Bericht "Code Red" besagt, dass wir ohne sofortige Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung auf weniger als 1,5 Grad Celsius zunehmend mehr Hitzewellen, Dürren, steigende Meeresspiegel und extreme Wetterereignisse erleben werden.
Um die Erde innerhalb dieser 1,5-Grad-Celsius-Grenze zu halten, müssen die G20 die globale Energieinfrastruktur überarbeiten und neue, auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Verfahren einführen.
Die G20-Nationen sind für 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Dadurch werden die einkommensschwachen Länder von einer Klimakrise bedroht, die sie nicht verursacht haben und in der sie zudem am meisten zu verlieren haben. Bereits 2009 trafen sich die reichsten Länder der Welt auf der COP15 und sagten den Ländern mit niedrigem Einkommen 100 Milliarden US-Dollar (85 Milliarden Euro) pro Jahr zu, um sie bei der Anpassung an den Klimawandel und beim Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur zu unterstützen. Seitdem wurde dieses Ziel nie vollständig erreicht.
Die Staats- und Regierungschef*innen der G20 müssen diese Lücke in der Klimafinanzierung bis zum nächsten Jahr schließen, indem sie Mittel mobilisieren und die vor zwölf Jahren gemachten Versprechen einlösen. Regierungen und Unternehmen müssen die Verantwortung für ihre Auswirkungen auf die Umwelt übernehmen, ihre finanziellen Zusagen durch die Nachverfolgung offener Daten vollständig transparent machen, die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen für einkommensschwache Länder bis 2025 fortsetzen und Ziele für die Klimafinanzierung im Einklang mit den Bedürfnissen der Länder mit niedrigem Einkommen entwickeln.
Die G20 dürfen keine Zeit mehr verlieren, um diese Forderungen in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Hier kannst du sie zum Handeln auffordern.