Wer spart, zahlt doppelt. Dieses Sprichwort trifft vor allem zu, wenn an der falschen Stelle geknausert wird. Und dieses Schicksal könnte die G7-Staaten gleich zweimal ereilen.
Die G7-Staaten erwirtschaften fast die Hälfte des weltweiten Einkommens
Die G7-Staaten, zu denen Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und die Vereinigten Staaten gehören, sind ein informeller Zusammenschluss bedeutender Industrienationen. Die Bevölkerung der G7-Staaten hat einen Anteil von etwa zehn Prozent an der Weltbevölkerung, erwirtschaftet aber fast die Hälfte (rund 45 Prozent) der weltweiten Bruttonationaleinkommen (BNE).
Bei regelmäßigen Gipfeltreffen kommen die Staats- und Regierungschef*innen der Länder zusammen, um über wichtige wirtschaftliche und globale Fragen zu diskutieren. Bestenfalls kommen dabei Lösungen heraus, von denen alle profitieren.
Am Wochenende vom 11. bis 13. Juni steht ein solches Gipfeltreffen in Cornwall, England, an und zwei wichtige Themen stehen auf der Agenda. Eines davon: Klimaschutz.
Laut Studie ist der Klimawandel die größte Gefahr für die Weltwirtschaft
Hitzestress, der Anstieg des Meeresspiegels sowie Einbußen der landwirtschaftlichen Produktivität sind anhaltende Folgen der Klimakrise – auch die Gesundheit von Menschen und der Tourismus werden negativ beeinflusst. Langfristig sei die Klimakrise die größte Gefahr für die Weltwirtschaft, besagt die Studie. Ohne Gegenmaßnahmen würde die gesamte Weltwirtschaft in 30 Jahren um 18 Prozent schrumpfen – aber nur zehn Prozent der Verluste würden in G7-Ländern liegen.
Nach einem Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam droht den G7-Staaten durch die Folgen der Klimakrise ein Verlust ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung von durchschnittlich 8,5 Prozent bis 2050. Das das wäre doppelt so viel, wie die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr an Einbußen gekostet hat. In den großen Industriestaaten wären enorme Arbeitsplatzverluste die Folge.
Wirtschaftlich weniger entwickelte Länder leiden ungleich stärker unter der Klimakrise. Laut dem Globalen Klima-Risiko-Index waren insbesondere Simbabwe, Mosambik und die Bahamas im Jahr 2019 am stärksten von extremen Wetterereignissen wir Überschwemmungen, Stürmen und Hitzewellen betroffen.
Klimakrise wird extreme Armut deutlich erhöhen
Eine aktuelle Studie der Weltbank geht zudem davon aus, dass bis 2030 zwischen 32 und 132 Millionen Menschen durch die Klimakrise zusätzlich in die extreme Armut getrieben werden.
Dem könnte vorweggegriffen werden, wenn die Industriestaaten jetzt handeln. Eigentlich haben sie bereits zugesagt, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen, damit Länder mit niedrigem Einkommen Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen finanzieren können. Leider wird dies bisher nicht umgesetzt.
Deshalb fordern wir die Staats- und Regierungschef*innen der G7-Länder auf, sich in Cornwall darauf zu einigen, die CO2-Emissionen schneller und stärker zu senken sowie 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz bereitzustellen.
Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen sind nur zu 0,3 Prozent geimpft
Ein zweites wichtiges Thema steht am Wochenende zur Debatte: Wie werden Impfstoffe weltweit verteilt?
Während in Deutschland mittlerweile mehr als 20 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft wurde, sind es in Ländern wie Südafrika gerade mal ein Prozent. Weltweit wurden 2,2 Milliarden COVID-19-Impfstoffe verabreicht (Stand Mitte Mai 2021), davon jedoch nur 0,3 Prozent an Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen. Eine gefährliche Ungerechtigkeit!
Die Bilder der letzten Monate aus Indien zeigen uns auf dramatische Weise, welche Bedrohung die ungleiche Verteilung der Impfstoffe darstellt. So können leichter Mutationen entstehen, die mitunter ansteckender sind und für die die aktuellen Impfstoffe nicht immer ausreichenden Schutz bieten.
Wohlhabende Länder haben weiterhin das Monopol auf Lieferungen und priorisieren nationale Impfkampagnen. Durch dieses Verhalten sind doppelt so viele Menschen gefährdet, an dem Coronavirus zu erkranken.
EU-Mitgliedstaaten werden in diesem Jahr mindestens 690 Millionen Impfstoffdosen mehr haben, als sie benötigen
Ein Beispiel zeigt die ungleiche Verteilung deutlich: Deutschland hat sich für das Jahr 2021 mehr als 290 Millionen Dosen der bereits zugelassenen Impfstoffe vertraglich gesichert. Das reicht aus, um mehr als 150 Millionen Menschen zu immunisieren. Das ist fast doppelt so viel wie in Deutschland leben. EU-weit sind es sogar 690 Millionen Impfdosen, die übrig bleiben könnten.
Deswegen drängen Global Citizen und mehrere andere Nichtregierungsorganisationen vor dem G7 auf eine Lösung. Bis September sollen die G7 und die EU eine Milliarde Impfstoffe zur Verfügung stellen und eine weitere muss bis zum Jahresende abgegeben werden.
Doch es geht nicht nur um eine gerechtere Verteilung der Impfstoffe, sondern auch um die Aufhebung der Patentrechte. Deutschland und G7-Gastgeber Großbritannien wurden scharf kritisiert, als sie einen Vorstoß von US-Präsident Joe Biden ablehnten. Dieser hatte vorgeschlagen, für Länder wie Indien und Südafrika Impfpatente der großen Hersteller vorübergehend aufzuheben, um diesen Staaten eine einfachere eigene Produktion zu ermöglichen.
Jörn Kalinski von Oxfam International stellt zurecht fest: “Mit ein paar gespendeten, überzähligen Impfdosen kann die Welt nicht geimpft werden. Die Covid-19-Pandemie ist eine weltweite Katastrophe, und es kann nicht sein, dass die Mittel und das Wissen zu ihrer Bekämpfung sich in Privatbesitz befinden.“
Ein schnelles Handeln der G7-Staaten ist ein notwendiger Schritt
Der Vorsitzende der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, machte zuletzt deutlich, wie entscheidend schnelles Handeln der G7-Staaten ist: “Ich fordere die G7 nicht nur dazu auf, Impfungen abzugeben, sondern dies bereits im Juni und Juli zu tun. Das wichtigste, was wir machen müssen, um diese Pandemie zu beenden, ist teilen: egal, ob Impfdosen, Ressourcen oder Technologie.”
Kanzlerin Angela Merkel und die weiteren Staats- und Regierungschef*innen der G7 haben am Wochenende die Chance, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Zumindest eines machte die Bundeskanzlerin bei der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung deutlich: “Wir sehen auch, dass sich nachhaltige Entwicklung am Ende natürlich nur global erreichen lässt. Daher setzt sich Deutschland konsequent für multilaterales Handeln an.” Diesem Anspruch müssen jetzt wichtige Taten folgen, damit am Ende nicht doppelt gezahlt wird.
Wenn auch du dich für eine gerechte Verteilung der COVID-19-Impfstoffe einsetzen möchtest, dann fordere die G7 hier dazu auf, 1 Milliarde Impfdosen an Länder mit geringem Einkommen abzugeben.