2012 wurde eine 23-jährige Medizinstudentin brutal von einer Gruppe in einem Bus vergewaltigt und starb an ihren Verletzungen in Neu-Delhi.
Die Tragödie hat weltweit Empörung ausgelöst und zu Protesten geführt, die schließlich zu einer Reform des Strafverfolgungsgesetzes geführt und mehr Frauen dazu ermutigt haben, sexuelle Gewalt zur Anzeige zu bringen.
Jetzt, fünf Jahre später, hat eine weitere, grausame Gruppenvergewaltigung im Staat Haryana, der im Norden Indiens nahe der Stadt Neu-Delhi liegt, gezeigt, dass noch sehr viel mehr getan werden muss, um sexueller Gewalt im Land endlich ein Ende zu bereiten.
Eine 23-jährige Frau wurde in der Nähe ihres Hauses in der Stadt Sonipat entführt, nachdem sie aus ihrem Auto gestiegen war. Sie wurde mitgenommen und laut Reuters nahe dem Stadtzentrum von Rohtak vergewaltigt.
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Als sie sagte, dass sie dieses Verbrechen anzeigen werde, schlugen ihr die Männer mit einem Ziegelstein den Schädel ein und ließen ihren Körper auf dem offenen Feld zurück, wo er Tage später gefunden wurde. Laut Reuters war er bereits teilweise von wilden Hunden angenagt.
Zwei Männer sind bereits für das Verbrechen verhaftet worden und sechs weitere werden verhört.
Die Mutter des Opfers erzählte, dass einer der Verdächtigen um ihre Tochter geworben hatte, jedoch abgewiesen wurde.
Statistiken bestätigen, dass diese Art Verbrechen im ganzen Land viel zu häufig vorkommt und viel zu viele Frauen entführt, verängstigt, verkrüppelt oder tot zurücklässt.
Laut der Datensammlung der gemeinnützigen Organisation „Crowdvoice“, zeigte 2015 alle 22 Minuten eine Frau eine Vergewaltigung in Indien an.
Und diese schockierende Quote könnte nur die Spitze des Eisbergs sein.
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Berichte über sexuelle Gewalt haben sich zwischen 2009 und 2015 in Indien beinahe vervierfacht. Dieser scharfe Anstieg ist wahrscheinlich deswegen geschehen, weil mehr Frauen selbstbewusst genug geworden sind, um Verbrechen zu melden. Auch die Strafverfolgung gehe mittlerweile härter vor, sagt der Polizeichef von Delhi.
Laut der ehrenamtlichen Organisation „Dasra“ berichten 70 Prozent aller Frauen, dass sie Opfer von häuslicher Gewalt seien. Eine Umfrage von 2014 stellte dann jedoch fest, dass 65 Prozent von Frauen der Meinung sind, dass es Umstände gäbe, unter denen Frauen es verdient hätten, geschlagen zu werden. Beide Statistiken erwecken den Verdacht, dass es eine Kluft zwischen dem gibt, was geschieht und dem, was dokumentiert wird.
Crowdvoice stellte außerdem fest, dass gerade einmal 29,9 Prozent der Vergewaltigungen zu einem Schuldspruch führen. Das ist eine entsetzlich niedrige Rate, die dazu führt, dass viele Frauen die Strafverfolgung als Sackgasse sehen. Eine noch stärkere Abschreckung kommt in Form von Todesdrohungen, die viele Frauen erhalten, sobald sie ihre Peiniger zur Anzeige bringen.
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Als sei das nicht schlimm genug, gelten Vergewaltigungen in der Ehe in Indien als legal und können deswegen nicht vor Gericht gebracht werden. 2014 zeigte eine Umfrage sogar, dass jeder dritte Mann seine Ehefrau vergewaltigt habe.
„Viele Jahre lang wusste ich nicht mal, was häusliche Gewalt bedeutet. Ich habe die Wut, das fliegende Geschirr und die Schläge einfach hingenommen“, erzählt eine 39-jährige Überlebende der örtlichen Medien-Organisation „Tehelka“ im Jahr 2013. „Uns wurde vor der Ehe beigebracht, dass Sex eine Pflicht sei, die du für deinen Ehemann erfüllen musst.“
Zusätzlich zur Vergewaltigung, anderer sexueller Gewalt und häuslichem Missbrauch, sind Frauen ebenfalls Opfer von vielen weiteren Schikanen wie zum Beispiel Diskriminierung und sogar Säureattacken, die den Körper eines Menschen verunstalten sowie Erblindung und Schlimmeres verursachen können.
Säureattacken - 349 wurden 2015 angezeigt - kommen typischerweise dann vor, wenn Frauen die Annäherungsversuche eines Mannes zurückweisen, sich einem Familienmitglied widersetzen oder über die Grenzen der traditionellen Erwartungen an die Geschlechterrollen treten wie beispielsweise eine Arbeit zu beginnen, die außerhalb des Zuhauses ist.
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Das alles zeichnet ein düsteres Bild der Gewalt gegen Frauen in Indien.
Trotzdem tut sich etwas; es geht vorwärts.
Die steigende Zunahme von Anzeigen ist eine vielversprechende Entwicklung und übt deutlichen Druck auf die Vertreter der Öffentlichkeit aus, sich mit dieser Krise zu befassen.
Spezielle Gerichte wurden eingeführt, die im Schnellspurverfahen Fälle von sexueller Gewalt verhandeln, härtere Strafen für Kriminelle wurden verabschiedet und anhaltende Proteste sorgen dafür, dass dieses Problem sichtbar wird.
Aber der schreckliche Fall in Hirayana zeigt, dass noch sehr viel mehr getan werden muss wie eine konsequentere Durchsetzung in der Strafverfolgung, die Kriminalisierung von Vergewaltigung in der Ehe oder die Errichtung eines Systems, dass die Opfer vor Gewalt schützt.
Weniger als das würde ein niederschmetterndes Versagen der Politik bedeuten.