Wer immer das Glück hat, in dem Teil der Welt zu leben, in dem Internetzugang quasi überall zur Verfügung steht, der geht oft automatisch davon aus, dass jeder Menschen die Möglichkeit hat, mit nur einem Knopfdruck online zu sein.

In Wirklichkeit allerdings haben 2 von 3 Menschen in Entwicklungsländern - und damit etwa 4 Milliarden Menschen weltweit - keinen Zugang zum Internet. So lautet ein Bericht der Internationalen Telekommunikation Union, einer Agentur der Vereinten Nationen, welche Daten zur weltweiten Internetnutzung festhält.

Obwohl seit dem Jahr 2000, dank verbesserter Technologien und einer Ausweitung der Netzwerke, weitere 3 Milliarden Menschen ein Internetzugang ermöglicht wurde, ist es weiterhin ernüchternde Tatsache, dass aufgrund von Versorgungslücken immer noch die halbe Welt keinen Zugang ermöglicht werden kann.

Aber was, wenn das Internet - was weltweit wohl zur wichtigsten Quelle für den Austausch von Informationen, Innovationen und Weiterentwicklung ist - gerade den Menschen zur Verfügung gestellt wird, die es am dringendsten brauchen? Was, wenn Millionen Menschen, die in Armut leben, mit denselben Werkzeugen und Erkenntnissen ausgestattet werden könnten, die wir in diesem Teil der Welt haben, wo jeder Haushalt Internetzugang hat? 

Zauberwort: Internetballons

Google hat sich mit seinem Vorhaben 'Project Loon' zum Ziel gesetzt, den Rest der Welt mit Internet auszustatten. Das Projekt sieht vor, Internet selbst in entlegene Regionen zu bringen mit Hilfe von -halt dich fest- riesigen Ballons, die kilometerweit über der Erdoberfläche schweben. Seit 2013 entwickelt der Suchmaschinengigant neue Technologien, damit seine Flotte an aufblasbaren Internetantennen abheben kann. Während der jährlichen Google Entwicklerkonferenz betonte ein Sprecher des Unternehmens noch einmal Googles Vorhaben, diese Vision in die Realität umsetzen zu wollen. Google hat es sich zum Ziel gesetzt die „nächste Milliarde Internetnutzer online zu bringen“ so Sundar Pichai, Googles leitender Vizepräsident für Chrome und Apps.

Google ist dafür bekannt, die Grenzen der technologischen Innovationswelt mit zukunftsorientierten Projekten, die mitunter skurrile Namen tragen, auszutesten (Beispiel: das so genannte Project Jacquard, eine vor kurzem angekündigte Idee von Google bei der—  Achtung, kein Scherz—  Touchscreen Hosen produziert werden sollen). Allerdings könnte Project Loon Googles bisher irrstes Vorhaben werden. Man stelle sich vor: Tausende von Ballons in der Größe von Bussen kreisen um die Erde und bringen Internetzugang in die Regionen, die weit außerhalb herkömmlicher Netze oder Breitbandnetze liegen.

Und so funktioniert's:

Google hat eine Software entwickelt, das ferngesteuert erkennen kann, welche Regionen noch mit Internet ausgestattet werden müssen. Dann werden anhand von Winddaten die Ballons positioniert. Windmuster ändern sich je nach Höhenlage, allerdings auf vorhersehbare Weise, so dass durch Optimierungen der Luftmenge in einem bestimmten Ballon, die Software selbst die Höhenlage und somit die Flugbahn kontrollieren kann. Und von dort oben verbinden Radiofunksender in den Ballons die Nutzer am Boden mit existierenden Telekommunikationsnetzen. (Zugegeben, eine weniger technische Erklärung. Wenn du mehr erfahren möchtest, dann empfehlen wir die Project Loon Webseite.)

In einem Video, das im April auf dem Youtube Kanal des Projekts veröffentlicht wurde, gab Google bekannt, dass sie begonnen haben, an allen Aspekten des Projektes zu arbeiten— von der Anzahl der Ballons, die hergestellt werden müssen über wie bald diese starten können bis zu der Frage, wie lange die Ballons in der Luft bleiben können.

Während frühere Prototypen nur ein paar Stunden in der Luft bleiben konnten, haben heutige Modelle das Potential, etwa 100 Tage in der Luft zu bleiben — lange genug, um mit einer Geschwindigkeit von 30 Meilen pro Stunde ganze 3mal die Welt zu umkreisen. Google arbeitet außerdem daran, dass Geräte, die mithilfe der Ballons Internetzugang erhalten, eine Geschwindigkeit ähnlich dem 4G LTE erreichen können.

Nicht nur Google sitzt im Boot

Google ist allerdings nicht die einzige große Tech-Firma, die daran arbeitet, die Reichweite des Internets zu erweitern. Facebook beispielsweise gerade im Rahmen seiner Internet.org Initiative vor kurzem Indien mit kostenlosem mobilen Internet ausgestattet. Die Initiative hat sich mit regionalen Telekommunikationsfirmen zusammengeschlossen, um Handynutzern Zugang zu einer Reihe an Online- Seiten und Diensten kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Milliardär und Tech-Mogul Elon Musk hat ebenfalls Pläne geäußert, in denen er ein Netzwerk bestehend aus tausenden von Mikrosatelliten in die Atmosphäre schicken will, um die Welt mit Internet auszustatten. Klingt ein klein wenig wie aus einem James Bond Film...aber ich schweife ab. 

Was hat die Welt davon…und was Google?

Aus einer zynischen Perspektive heraus könnte man Google und CO. vorwerfen, dass diese Projekte vor allem ihrem eigenen Nutzen zugute kommen - indem sie nämlich den Pool potentieller Nutzer erweitern, die ihre Produkte und Dienste kaufen können. Aber sind wir ehrlich, es wäre nicht das erste Projekt, dass ein Unternehmen aus Eigeninteresse initiiert hat um auf innovativen Fortschritt und öffentliches Interesse zu bauen.

Google antwortete jedoch recht flott auf solche Beschuldigungen und betont, dass das Projekt vordergründig altruistische Beweggründe hat. In einem Video über das Projekt malt Google sich aus, dass in Gemeinden ohne genügend Ärzte, die Bewohner medizinische Hilfe online finden können, und Kinder, die aus verschiedenen Gründen nicht zur Schule gehen können, so die Möglichkeit geboten wird, ihren Wissensdurst durch Onlinekurse zu stillen.

Wie auch immer man Googles Absichten interpretieren möchte, eines ist klar: Projekte wie Project Loon könnten schon bald Menschen in extremer Armut die Möglichkeit geben, ihr Leben enorm zu verändern. Die Vereinten Nationen werben bereits seit 2010 damit, dass der Zugang zu Internet ein zentrales Mittel ist, um Armut zu bekämpfen und die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) zu erreichen.

(Man sollte aber auch bedenken, dass der Zugang zum Internet nur die halbe Miete ist. Man muss auch sicherstellen, dass Menschen auf der ganzen Welt etwas brauchbares im Internet finden, das ihnen hilft. Erst vor kurzem veröffentlichte die britische Zeitung The Guardian einen Bericht in Zusammenarbeit mir der British Academy für Humanitäre- und Sozialwissenschaften, in dem bemängelt wird, dass die überwiegende Mehrheit der weltweit gesprochenen Sprachen im Internet entweder nicht genügend repräsentiert werden, oder teils gar nicht vertreten sind. Aber das ist ein Thema für den nächsten Artikel)

Ich persönlich bin total gespannt auf den Start von Project Loon. Tech-Unternehmen versprechen andauernd „weltverändernde Innovationen”, aber wie so häufig erreichen solche Innovationen nur einen kleinen Kreis der Gesellschaft.
Mögen also die einzelnen Schritte noch so skurril klingen und die Tragweite des Projektes schier unmöglich - wenn Project Loon auch nur einen Bruchteil von dem erreicht, was es sich vorgenommen hatte, dann surfen Millionen von Menschen im Internet in Richtung einer besseren Zukunft.

Editorial

Armut beenden

Google will Entwicklungsländern Internet bringen - per Ballon

Ein Beitrag von Hans Glick