Warum das wichtig ist
An vernachlässigten Tropenkrankheiten (im Englischen: neglected tropical diseases (NTDs)), wie beispielsweise einer Hakenwurm-Infektion, erkranken vor allem Menschen, die in extremer Armut leben. Doch sie lassen sich auch in ländlichen, armen Teilen von Amerika finden. Die Vereinten Nationen (UN) fordern deshalb Länder wie die USA auf, diese Krankheiten auszurotten und eine medizinische Grundversorgung zum Schutz der Bürger*innen zu gewährleisten. Werde hier mit uns aktiv, damit kein Mensch auf der Welt mehr an vermeidbaren Krankheiten leidet.

Im US-Bundesstaat Pennsylvania starb eine Frau an COVID-19, die sich weigerte, ins Krankenhaus zu gehen. Sie befürchtete, dass das zu viel kosten würde. Ein anderer Mann verstarb am Virus, weil er sich selbst mit Chlorid aus einem Fischbecken-Reiniger behandelte. Das umstrittene Medikament Hydrochlorid war von dem nun abgewählten US-Präsident Donald Trump als Wundermittel gegen COVID-19 angepriesen worden. Ein anderer am Virus erkrankter Mensch stellte mit seinem letzten Atemzug die Frage, “wer für das lebensrettende Beatmungsgerät bezahlen wird”.

Die Ausbreitung des Coronavirus stellt die USA vor gewaltige Probleme. Denn nun werden die seit Langem bestehenden Ungleichheiten im Gesundheitssystem des Landes sichtbar. Die Folge: Hier sterben so viele Menschen an dem Virus wie sonst nirgendwo auf der Welt.

BIPoCs (Black, Indigenous and People of Color) sterben in den USA häufiger an den Folgen des Coronavirus als Weiße. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie arbeiten häufiger in Berufen, in denen Homeoffice nicht möglich ist, sie sind seltener krankenversichert und sie leiden aufgrund von Armut häufiger an Vorerkrankungen, so Forscher*innen  in der New York Times. Hinzu kommt, dass sie mit größerer Wahrscheinlichkeit in Gebieten mit starker Luftverschmutzung leben, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, an der Viruserkrankung zu sterben.

Vernachlässigte Tropenkrankheiten: Krankheiten der Armut

Dabei ist die Corona-Pandemie nicht die erste Gesundheitskrise, die die Ungleichheiten im US-amerikanischen Gesundheitssystem zeigt. Im ganzen Land haben BIPoCs und in Armut lebende Menschen einen schlechteren Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung. Deshalb bekommen sie auch häufiger NTDs als Weiße US-Amerikaner*innen.

Toxocariasis, Trichomoniasis, Neurocysticercosis oder Chagas-Krankheit – das sind die Namen von NTDs, mit denen sich viele Millionen US-Amerikaner*innen infizieren. Doch nur wenige Menschen wissen überhaupt, dass sie eine solche Krankheit haben. Zum einen liegt das an einem mangelnden Bewusstsein für die Verbreitung von NTDs im Land. Zum anderen an der mangelnden medizinischen Versorgung.

Vor einigen Jahren reisten Forscher*innen der Baylor Universität, im US-Bundesstaat Texas, nach Lowndes County in Alabama. Dort wollten sie das Vorkommen des Hakenwurm-Parasiten untersuchen. Wer an der NTD erkrankt, leidet an Magen-Darm-Problemen und chronischer Müdigkeit. Kinder, die sich mit dem Hakenwurm infizieren, können an Nährstoffmängel leiden. Der wiederum kann die geistige und körperliche Entwicklung behindern und so auch zu schlechten schulischen Leistungen führen.

Rojelia Meija, ein an der Leitung dieser Studie beteiligter Arzt, erklärte gegenüber Global Citizen, dass das die erste größere Untersuchung seit den 1950er-Jahren zu Parasiten in den USA war. Lange Zeit sei man davon ausgegangen, dass er in den USA ausgerottet sei.

Die Forscher*innen fanden heraus, wie bestimmte Bevölkerungsgruppen in den USA im Bezug auf Gesundheits-und Wasserversorgung sowie bei der Versorgung mit sanitären Einrichtungen benachteiligt sind. Die mehrdimensionale Armut sei es, die dazu führe, dass bestimmte Gemeinden einer Reihe von vermeidbaren Krankheiten ausgesetzt seien, so Rojelia Meija.

In Lowndes County sind 74 Prozent der Einwohner*innen Schwarz, das durchschnittliche Jahreseinkommen beträgt weniger als 20.000 US-Dollar (rund 17.057 Euro). Drei von vier Menschen, die dort leben, haben keinen Zugang zu angemessenen sanitären Anlagen und sauberem Wasser. Menschen berichten, dass ihre Häuser während Regenschauern mit ungeklärtem Abwasser überschwemmt würden. Andere lebten in Häusern mit ausgetrockneten Wasserleitungen – voller Fäkalien.

Das Hakenwurm-Parasit im eigenen Haus

An Orten mit funktionierenden Abwassersystemen stellt der Hakenwurm-Parasit keine Bedrohung dar. Doch an Orten wie Lowndes County, an denen menschliche Exkremente in die Häuser und auf das Ackerland gespült werden, können sich Menschen leicht infizieren. Sie bekommen Hakenwürmer, wenn sie das verunreinigte Wasser trinken oder barfuß über die durch die Fäkalien verseuchten Gebiete laufen. Die Forscher*innen schätzen, dass rund ein Drittel der Einwohner*innen der Stadt mit dem Hakenwurm-Parasiten infiziert sein könnte.

“Im Grunde genommen, kämpfen Erkrankte mit einem anderen Organismus um ihre Nahrung. Doch sie leiden bereits unter Nahrungsmangel und ungesunder Ernährung. Der Parasit führt also zu einer Verschlechterung der physischen und kognitiven Fähigkeiten. Das wiederum führt dazu, dass man schlechter in der Schule ist, vielleicht keinen Schulabschluss hat und so weniger Chancen hat als ein Kind, das nicht erkrankt ist”, erklärt Rojelia Meija. “Man könnte es als Kreislauf bezeichnen. Armut erhöht das Parasiten-Risiko. Die Parasiten wiederum beeinflussen die Kinder. Diese Kinder sind wiederum einem größeren Risiko ausgesetzt, in Armut zu leben.”

Die Ausrottung der Krankheit hängt zum einen von einer grundlegenden Modernisierung der Abwassersysteme und zum anderen von der Beseitigung der Belastung durch verunreinigtes Abwasser ab. Doch die vom Parasiten befallenen Menschen sind oft nicht in der Lage, sich ein neues Abwassersystem für rund 15.000 US-Dollar (rund 12.777 Euro) anzuschaffen.

Rojelia Meija forscht zusammen mit seinem Team an Abwassertanks, die sich mehrere Familien teilen könnten. Diese Lösung könnte dazu beitragen, die Eier der Hakenwürmer zu töten. Ein anderer Forscher, Peter Hotez, arbeitet zudem an einem Impfstoff gegen die Parasiten. Weltweit sind derzeit schätzungsweise 576 bis 740 Millionen Menschen mit dem Hakenwurm infiziert.

Armut und Gesundheit

Um die Armut in der Region zu verringern, müsse die Gesundheitskrise mithilfe gezielter Investitionen und staatlicher Hilfe bekämpft werden, so Rojelia Meija weiter. Denn viele Menschen, die positiv auf den Parasiten getestet werden, seien oft nicht in der Lage, eine Behandlung zu bezahlen, so der Forscher.

Eine Behandlung in den USA kostet im Durchschnitt 400 US-Dollar (rund 340 Euro), sagt Rojelia Meija. Zu viel für erkrankte Menschen in Lowdes County und an vielen anderen Orten im Land. Immerhin können sich rund 40 Prozent der US-Amerikaner*innen einen medizinischen Notfall in dieser Höhe nicht leisten. Auch Menschen, die sich behandeln ließen, infizierten sich oftmals erneut, wenn sie nach Hause und damit in die schlechten hygienischen Zustände zurückkehren. “Die Eier überleben in dieser Umwelt über Monate”, erklärt Rojelia Meija. “Die Menschen infizieren sich also ständig wieder neu.”

Der Hakenwurm überträgt sich von Mensch zu Mensch. Diese Kette zu unterbrechen und somit den Parasiten so auszurotten, ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand.

Tropenkrankheiten und Corona – zwei Probleme, die gemeinsam gelöst werden müssen

Das Coronavirus und der Hakenwurm-Parasit weisen einige Parallelen auf. “COVID-19 wird einen größeren Einfluss auf Afroamerikaner*innen, Latinos und alle, die unterhalb der Armutsgrenze leben, haben als auf den Rest der Bevölkerung”, sagt Rojelia Meija. “Parasiten und Corona betreffen Menschen in Armut stärker.”

In den ländlichen Gebieten im Süden des Landes, wo auch der Hakenwurm oft vorkommt, sind Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen zudem oft unterbesetzt, unterfinanziert und mit veralteter Technologie ausgestattet. Breitet sich das Coronavirus in ländlichen Gegenden mit einer schlechten medizinischen Infrastruktur aus, dann können möglicherweise Patient*innen nicht mehr ausreichend versorgt werden. Aus Angst, sich zu verschulden, verzichten viele Menschen vermutlich auf eine Behandlung. Diejenigen, die sich behandeln lassen, werden durch die hohen Rechnungen womöglich weiter in die Armut getrieben.

Wenn die Menschen aber nicht auf das Coronavirus getestet und auch entsprechend behandelt werden, dann könnte die Pandemie in solchen Regionen schnell außer Kontrolle geraten. Vorerkrankungen wie etwa durch den Hakenwurm-Parasit erschweren die Situation zusätzlich.

Die Corona-Pandemie ist ein längst überfälliger Weckruf. Millionen von Menschen in den USA haben keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung und sanitären Einrichtungen, die ein Mindestmaß an Hygiene vorweisen. Um marginalisierte Gruppen während dieser Krise zu schützen, sind Investitionen nötig. Diese schützen die Menschen nicht nur vor dem Coronavirus, sondern langfristig auch vor NTDs, wie etwa dem Hakenwurm-Parasiten.

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Wie ein eigentlich ausgerotteter Parasit in ländlichen, armen Gebieten der USA wieder gedeiht

Ein Beitrag von Joe McCarthy