Noch immer gibt es in keinem einzigen Land der Welt wirtschaftliche Gleichberechtigung für Frauen und Männer. 2019 konnten gerade einmal sechs Länder weltweit ausgemacht werden, in denen Frauen und Männer zumindest dieselben Rechte haben.
In allen anderen Ländern herrscht Geschlechterungleichheit – sei es durch frauenverachtende oder diskriminierende Gesetze, fatale Glaubensvorstellungen, dem fehlenden Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsvorsorge oder durch mangelnde Möglichkeiten politischer Teilhabe.
2015 stellten die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) 17 Ziele auf – auch Global Goals genannt – um extreme Armut weltweit bis 2030 zu überwinden. Ziel fünf ihrer Agenda: Gleichberechtigung weltweit. Ziel Nummer eins lautet: Extreme Armut beenden. Also eine Welt schaffen, in der kein Mensch mehr von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag leben muss. Hier erklären wir dir, warum diese beiden Ziele Hand in Hand gehen.
Warum führt Geschlechterungleichheit zu extremer Armut?
Extreme Armut trifft in erster Linie Frauen. Denn sie haben im Vergleich zu Männern weniger Möglichkeiten auf Bildung, einen Arbeitsplatz oder eigenen Besitz.
Mädchen werden bereits im jungen Alter benachteiligt. So entscheiden arme Familien oft, ihre Söhne anstatt ihre Töchter in die Schule zu schicken oder lassen es notgedrungen zu, dass ihre Töchter Kinderehen eingehen.
Die Menstruation ist eine weitere Hürde, die Mädchen davon abhält, die Schule zu besuchen. Oft fehlt ihnen der Zugang zu Aufklärung, Hygieneartikeln oder sanitären Einrichtungen. Zudem erfahren viele Mädchen geschlechtsspezifische Gewalt und stehen Krisen, Konflikten und dem Menschenhandel besonders schutzlos gegenüber.
Einer der am meisten unterschätzten Faktoren, der zu extremer Armut von Frauen beiträgt, ist unbezahlte Arbeit. Frauen leisten mindestens zweieinhalb Mal mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Dazu gehören etwa Hausarbeiten, Pflegetätigkeiten und Kindererziehung, aber auch Überstunden, die nicht bezahlt werden. Zudem verdienen Frauen weltweit am wenigsten für ihre Arbeit. Um die dadurch entstehende Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen – auch Gender Pay Gap genannt – zu schließen, bräuchte die Weltgemeinschaft 163 Jahre, wie eine Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) ausgerechnet hat.
Ein Blick auf den Women, Business and Law Index (WBL) der Weltbank aus diesem Jahr zeigt, dass Frauen im weltweiten Durchschnitt nur drei Viertel der Rechte haben, die Männer innehalten. Einige der ärmsten Länder in etwa Subsahara-Afrika, im mittleren Osten und Nordafrika haben zudem besonders frauenverachtende Gesetze.
Wie kann Gleichberechtigung dabei helfen, extreme Armut zu beenden?
Wenn Frauen die Chance auf Bildung haben, tragen ihre Entscheidungen dazu bei, den Armutskreislauf zu durchbrechen. Frauen, die gebildet sind, “sind tendenziell gesünder, sind Teil des Arbeitsmarkts, haben höhere Einkünfte, weniger Kinder, heiraten später und ihre Kinder haben größere Chancen auf eine bessere Gesundheit und Bildung”, berichtet die Weltbank.
Aber nicht nur Frauen und ihre Familien profitieren von Gleichberechtigung, sondern die ganze Gesellschaft und damit auch die ganze Welt. Wenn Frauen gestärkt werden, tun sich auch neue Karrieremöglichkeiten für Männer auf, fernab von stereotypen Geschlechtszuweisungen.
Wenn Frauen gleiche Chancen haben, ist auch Entwicklungszusammenarbeit effizienter. Wenn Frauen wählen können, erhöhen sich zumeist die öffentlichen Ausgaben für die Kinderfürsorge und Gesundheitsversorgung. Und die globale Initiative für reproduktive Gesundheit Women Deliver berichtet, dass Länder, in denen Frauen hohe Ämter in der Gesetzgebung innehalten, weniger Ungleichheiten und Korruption vorweisen, als andere.
In Entwicklungsländern stellen Frauen 45 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Wenn sich ihre Möglichkeiten verbessern, verbessert sich auch der Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Ernährungssicherheit eines Landes.
Was können wir tun, um Geschlechtergleichheit zu erreichen und extreme Armut zu beenden?
Fest steht: Frauen und Mädchen müssen gleichberechtigt werden. Dazu gehört es, die gleichen Chancen auf Bildung, Gesundheitsversorgung und in der Arbeitswelt zu haben. So lautet auch das Ziel der UN, das bis 2030 erreicht werden soll.
Es gibt einige Programme zur Reduzierung von Armut, die allesamt den Fehler machen, einfach nur nach Jobs für Frauen zu suchen, so Silke Staab, Research Specialist bei UN Women. Doch das ist bestenfalls ein Teil der Lösung. Genauso wichtig ist es, in Infrastrukturen zu investieren und etwa den Zugang zu Kitas und Kindergärten zu erleichtern. Denn nur so können Frauen aus der Verantwortung genommen werden, ihre Kinder zu betreuen und somit unbezahlter Arbeit nachzugehen, sagt Silke Staab.
Auch neue Gesetze, die für Gerechtigkeit am Arbeitsplatz und beim Gehalt sorgen, sind entscheidend, um Geschlechterdiskriminierung zu reduzieren und Geschlechtergleichheit zu erreichen.
Doch große Fortschritte brauchen den Einsatz von allen, sagt Hannah August, Kommunikationsdirektorin von Women Deliver.
“Junge Menschen, Partner aus vielen Sektoren und Menschen aller Geschlechter aus allen Bereichen, einschließlich humanitärer Einrichtungen, müssen sinnvoll in diese Arbeit einbezogen werden", sagte August zu Global Citizen. "Wenn wir uns alle zusammenschließen und gemeinsam auf Fortschritte drängen, können wir diesen Moment erfolgreich nutzen, um uns einer geschlechtergerechten Welt zu nähern.”
Alle Menschen, ganz gleich welcher Religion, Ethnie oder welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen, können dafür kämpfen und sich für Frauenrechte weltweit einsetzen.
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