Geschlechtsspezifische Gewalt (englisch: gender-based violence, kurz GBV) ist eine sehr reale Bedrohung für Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt. Leider sind auch Schulen und Universitäten nicht davon ausgenommen. Nach Angaben der UNESCO betrifft geschlechtsspezifische Gewalt in Schulen alle Regionen der Welt, unabhängig von kulturellen, geografischen und wirtschaftlichen Kriterien.
Das bedeutet, dass Mädchen und junge Frauen überall auf der Welt mit Diskriminierung, sexueller Belästigung und Missbrauch durch Lehrer oder Gleichaltrige sowie anderen Formen von Gewalt konfrontiert sind.
In Nigeria ist Gewalt in Bildungseinrichtungen besonders weit verbreitet. Laut einer Studie der Brookings Institution haben 23 Prozent der nigerianischen Student*innen bereits eine Form von Gewalt an der Universität erlebt. 2019 produzierte die BBC den Dokumentarfilm “Sex For Grades“, der sich um sexuelle Belästigung an Universitäten in Nigeria und Ghana dreht. Die Dokumentation lieferte zwar Beweise für das Problem, doch seitdem wurde nicht viel getan, um es zu lösen.
Moyo Aladesuyi, die im letzten Jahr Jura studiert, setzt sich dafür ein, geschlechtsspezifische Gewalt in Bildungseinrichtungen ein Ende zu setzen. Im Jahr 2019 rief sie als Mitgründerin eine Organisation namens Women Against Rape In Nigeria (WARN) ins Leben, die auf die Krise im Land aufmerksam machen will. Im vergangenen Jahr organisierte WARN Proteste gegen einen sexuellen Übergriff und Mord an einer Universitätsstudentin. Die Organisation forderte die Regierung auf, mehr für den Schutz von Mädchen in Nigeria zu machen.
Global Citizen hat mit Aladesuyi gesprochen, um mehr darüber zu erfahren, wie sie sich für die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt in Nigeria einsetzt und wie jeder dazu beitragen kann, diese aus Schulen, Hochschulen und Universitäten auf der ganzen Welt zu verbannen.
Was inspiriert dich dazu, gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen?
Alles inspiriert mich dazu, gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen. Die Welt ist für Menschen mit weiblichem Körper und für andere benachteiligte Personen sehr anstrengend. Um jüngeren Menschen eine gute Zukunft, teils sogar das Überleben zu ermöglichen, müssen wir diese Systeme der Unterdrückung bekämpfen und abbauen.
Warum ist es für dich so wichtig, in Schulen zu arbeiten und warum gerade jetzt?
Schulen sollen Kinder und junge Erwachsene unterstützen. Doch leider sind sie heutzutage oft die erste Sollbruchstelle. Es ist wichtig, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem Kinder sich ohne Angst frei entfalten können, besonders in einem Land wie Nigeria.
Viele Schulen fördern den Kreislauf von Patriarchat, Diskriminierung und Gewalt, den wir derzeit erleben. Damit die Welt ein besserer Ort wird, müssen wir Schüler*innen beibringen, dass die Gesellschaft ihrem Wohlergehen zuliebe umgestaltet werden muss.
Wie läuft deine Arbeit in den Schulen ab? Was genau machst du?
Die meiste Zeit organisiere ich ehrenamtlich Frage-und-Antwort-Programme für Kinder in der Schule, Mentor*innensitzungen und Einzelberatungen für Schüler*innen zu verschiedenen Herausforderungen – berufliche wie persönliche.
Schüler*innen haben oft viele Fragen zu Tabu-Themen, die beantwortet werden müssen, ohne sie zu verurteilen oder zu bestrafen.
Darüber hinaus gehört es auch einfach zu meiner Arbeit, Schreibwaren oder Snacks anzubieten. Ein hungriges Publikum kann man nicht erreichen, egal was man tut.
Viele Kinder in Nigeria kommen aus unterprivilegierten Familien, und einige haben nicht einmal genug Geld, damit ihre nächste Mahlzeit gesichert ist. Wie kann man diesen Schüler*innen etwas über ihren Wert beibringen, wenn nicht einmal das gegeben ist? Sie werden kein Interesse daran haben, was ich ihnen mitgeben will, wenn sie nicht zuerst etwas zu essen und Bücher oder Schreibwaren haben, die ihnen beim Lernen helfen.
Kannst du uns von besonderen Momenten berichten, die du erlebt hast, in denen du gemerkt hast, wie wichtig deine Arbeit ist?
Ja, das sind die Momente, in denen mir die Kinder so viel Vertrauen entgegenbringen, dass sie mit mir über ihre Probleme sprechen können. Situationen, in denen sie keine Angst haben, verurteilt zu werden, wie es normalerweise der Fall ist.
Es ist für mich eine große Bestätigung, dass junge Erwachsene und auch Kinder zu mir kommen und sich auf mein Wort verlassen, weil sie wissen, dass ich für sie da bin.
Um ehrlich zu sein: Nicht nur junge Menschen, sondern auch Erwachsene, die den Mut haben, mir Fragen zu stellen, geben mir die Rückmeldung, dass meine Arbeit wichtig ist. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass meine Sichtbarkeit als feministische Frau in dieser Gesellschaft Menschen tatsächlich dazu inspiriert, von besseren Lebensbedingungen zu träumen.
Es gibt Kinder, die zu mir aufschauen, weil ich sie inspiriere und ermutige, frei zu leben. Das ist mir das Wichtigste.
Wie können sich Studierende an ihren Schulen und Universitäten gegen Gewalt an Kindern einsetzen?
Viele Studierende sind sich nicht bewusst, welch großes Problem sexuelle und geschlechtsspetifische Gewalt und andere sexistische Themen darstellen – dabei bilden Studierende und junge Erwachsene nach wie vor den größten Anteil der Betroffenen.
Innerhalb der Universitätsgemeinschaft sollte kritisches Denken zu diesen Themen gefördert werden. Vertuschung durch die Behörden sollte verhindert werden. Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir die Zustände aber verändern. Gibt es beispielsweise Täter*innen unter unseren Freund*innen und Familienangehörigen, müssen wir sie zur Rede stellen und den Betroffenen beistehen.
Was sind deine besten Tipps für andere Studierende, die sich engagieren wollen?
Es ist wichtig, sich in Vereinen auf dem Campus zu engagieren, die für Einverständnis, also Consent, und geschützten Sex werben und sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt einsetzen.
Das Engagement in der Sekundarstufe ist ebenfalls sehr wichtig, um Kinder konstruktiv im Hinblick auf entsprechende Themen zu unterrichten. Wir sollten es zur Normalität machen, über sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zu sprechen, etwa indem sich Menschen an Kampagnen im Internet oder vor Ort beteiligen, wann immer es ihnen möglich ist.
Die Rechte von Frauen sind elementare Menschenrechte – sie müssen gefördert und geschützt werden. Im Rahmen der internationalen Kampagne 16 Days of Activism machen wir gemeinsam mit vielen anderen Organisationen darauf aufmerksam, dass Gewalt an Frauen und Mädchen bekämpft werden muss. Vom 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, bis zum 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, mobilisieren wir für die Unterstützung von Geschlechtergerechtigkeit, der Anerkennung körperlicher Autonomie sowie zum Schutz der Menschenrechte von Frauen – gerade in der Pandemie. Erfahre hier mehr zu den 16 Days of Activism und wie du aktiv werden kannst.