Wusstest du, dass viele der großen Städte der Welt, von Singapur über New York bis hin zu Paris, einst aus Sümpfen, Mooren, Wiesen und Wäldern bestanden?
Doch als die Bevölkerung dieser Städte wuchs, wurden die ursprünglichen Ökosysteme trockengelegt, aufgerissen, abgedeckt und schließlich zerstört. Inzwischen verdecken Asphalt und Beton fast alle Hinweise auf ihre reiche ökologische Geschichte, abgesehen von den kleinen Hügeln und Tälern, die manchmal die Erinnerung an Wasserwege und komplexere Umgebungen wachrufen.
Als vor mehr als 250 Jahren die industrielle Revolution begann, wurden Städte zu Motoren der Weltwirtschaft, die technologische Durchbrüche vorantrieben, soziales Wachstum förderten und Zentren kultureller Spitzenleistungen waren.
Mit der Zeit entwickelte sich ein Muster: Je mehr Menschen in die Städte zogen, desto mehr fossile Brennstoffe wurden für die Infrastruktur und die Bedürfnisse der Menschen verbraucht. Der ökologische Fußabdruck wuchs unweigerlich in Form von mehr Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung sowie einem exponentiellen Ressourcenverbrauch, was zur allgemeinen Klima- und Biodiversitätskrise beitrug.
Städte können jedoch aus diesem Muster ausbrechen und ihre Umweltauswirkungen minimieren und eindämmen. Die Technologie und die Ressourcen sind vorhanden, um diesen Wandel sofort zu vollziehen – und das Schicksal des Planeten hängt davon ab.
Die Länder haben bis zum Ende dieses Jahrzehnts Zeit, die weltweiten Emissionen zu halbieren, um einen Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu verhindern. Städte spielen bei diesem Plan eine zentrale Rolle.
Das liegt daran, dass schätzungsweise 75 Prozent der Treibhausgasemissionen auf die Städte der Welt entfallen. Da die meisten Menschen in Städten leben, verfügen sie auch über den größten Teil der natürlichen Ressourcen unseres Planeten. In den kommenden Jahren können die Städte entweder mit alten Technologien und Infrastrukturen weitermachen wie bisher oder zu bahnbrechenden Orten der Zukunftsgestaltung werden, die zu ihren ökologischen Wurzeln zurückkehren, um den Planeten zu retten.
In den jüngsten Berichten des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) wird das enorme Potenzial der Städte erörtert und wird argumentiert, dass die Technologie, die Ressourcen und die finanziellen Möglichkeiten bereits vorhanden sind, um diese Revolution einzuleiten. Das Einzige, was dieser grünen Zukunft noch im Wege steht, ist der politische Wille.
Hier sind acht Wege, wie Städte nachhaltig werden können, um den Planeten zu heilen.
1. Umweltfreundlicherer Transport
Die unmittelbarste Auswirkung der fossilen Brennstoffe in den Städten ist die Luftverschmutzung. Wenn große und kleine Fahrzeuge Benzin verbrauchen, füllt sich die Atmosphäre vor Ort mit Schadstoffen. Die wiederum sind weltweit eine der Hauptursachen für vorzeitige Todesfälle.
Für viele Städte sind die Kosten dieser Luftverschmutzung zu hoch geworden. Jetzt ergreifen sie Maßnahmen zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, zur Abschaffung von Autos, die nur mit einer Person unterwegs sind und zur Einführung von Elektrofahrzeugen – alles in dem Bemühen, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu begrenzen und damit die Klimakrise zu entschärfen.
Singapur beispielsweise strebt an, dass 80 Prozent seiner Einwohner*innen in einem Umkreis von fünf bis zehn Minuten Fußweg zu einer U-Bahn-Station wohnen. In Oslo wurden Parkplätze durch Fahrradwege und Parks ersetzt und Autos aus dem Stadtzentrum verbannt, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. Im Pariser Vorort Creteil ist eine Schwebebahn geplant, die Pendler*innen ohne Luftverschmutzung zu ihren Zielen befördern soll.
Barcelonas "Superblocks" – das sind riesige autofreie Flächen – sind zu Modellen für nachhaltige Entwicklung geworden und ermöglichen es Fußgänger*innen, Straßen zurückzuerobern.
2. Grünere Gebäude
Autos erschweren das Atmen, aber Gebäude verbrauchen stillschweigend den größten Teil der fossilen Brennstoffe im städtischen Raum und tragen am meisten zur Klimakrise bei.
In vielen Großstädten entfallen rund drei Viertel des energiebedingten Verbrauchs fossiler Brennstoffe auf Gebäude, um Wärme und Strom für die Menschen zu erzeugen, sowie auf die mit dem Bau verbundenen Emissionen.
Laut einem Bericht des US Green Building Council (USGBC), der C40 Cities Climate Leadership Group (C40) und des World Green Building Council führen rund 61 Prozent der Großstädte weltweit ehrgeizige Pläne zur Überholung der bestehenden Gebäudeinfrastruktur durch.
Der Bericht stellt fest, dass Peking für alle neuen Gebäude die höchste Energieeffizienzklasse im Rahmen des China Green Building Label vorschreibt, während Gebäudeeigentümer*innen in Amsterdam, Mexiko Stadt und New York Subventionen für die Installation von Gründächern erhalten. Rund 73 Prozent der untersuchten Städte verfügen über Richtlinien für grüne Schulen und 67 Prozent über Richtlinien für grüne Gebäude.
Es gibt viele Möglichkeiten, Gebäude energieeffizienter zu machen – gut abgedichtete Fenster und Türen, intelligente Temperatur- und Luftzirkulationssysteme, intelligente Beleuchtungssysteme und Baumaterialien, die Gebäude besser isolieren und vor Witterungseinflüssen schützen. Viele Städte beginnen damit, Gebäude aus Holz zu errichten, die Kohlenstoffdioxid senken.
Laut “Architecture 2030” wird die Welt in den kommenden 40 Jahren jeden Monat städtische Flächen in der Größe von New York City hinzugewinnen.
Es muss sichergestellt werden, dass bei all diesen Bauvorhaben strenge Umweltstandards eingehalten werden – und viele Städte zeigen, dass dies möglich ist.
3. Investitionen in erneuerbare Energien
Hunderte Städte weltweit haben sich verpflichtet, in den kommenden Jahren 100 Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.
Im Jahr 2018 hatten sich bereits mehr als 40 Städte 100 Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen gesichert und weitere 100 haben die 70-Prozent-Marke überschritten. Während die Preise für erneuerbare Energien weiter sinken und sie damit zugänglicher denn je werden, hinkt die Gesamterzeugung der Nachfrage hinterher. Mit anderen Worten: Es gibt noch nicht genügend Sonnenkollektoren, Windräder und andere erneuerbare Energiequellen.
Einige Städte beschleunigen die Marktumstellung, indem sie neue Projekte für erneuerbare Energien direkt finanzieren. New York zum Beispiel verwandelt einen alten Hafen in einen Produktions- und Transportstandort für die Offshore-Windproduktion.
4. Aufforstung
Wälder und Städte, einst Feinde, werden in vielen Regionen zu engen Freunden. Das liegt daran, dass die Wälder den Städten zahllose Vorteile bieten und ihr Verschwinden verheerende Folgen birgt.
Die Kampagne “Cities 4 Forests”, die vom World Resources Institute geleitet wird, trägt dazu bei, dass Städte überall zu Waldschützern werden. Die Menschen, die dafür arbeiten, machen schützenswerte Wälder ausfindig, stellen technisches Fachwissen zum Schutz bereit und beziehen die Bevölkerung ein, um öffentliche Unterstützung zu gewinnen.
Die Kampagne konzentriert sich auf drei Bereiche: "innere Wälder” (wie etwa Stadtbäume und städtische Parks), nahe gelegene Wälder (wie grüne Korridore und Wassereinzugsgebiete) und weit entfernte Wälder (wie tropische und boreale Wälder)".
"Wenn wir wollen, dass Bäume überleben und gedeihen und weiterhin als wirksame Kohlenstoffdioxidspeicher fungieren und als Orte, an denen Menschen leben und arbeiten und die sie wegen ihres wirtschaftlichen, emotionalen und kulturellen Wertes schätzen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Bäume, die gepflanzt werden, gedeihen. Nur so können wir mit den Veränderungen, die bereits mit ihnen geschehen, Schritt halten", sagt Alejandra Borunda, eine ehemalige Klimawissenschaftlerin, die für National Geographic über die Klimakrise schreibt.
"Das Wichtigste ist, die alten, ungestörten Wälder zu schützen, die es auf der ganzen Welt noch gibt", sagt sie. "Ich hoffe, dass wir einen Weg finden können, sie zu erhalten und zu schützen, und zwar auf eine Art und Weise, die für die Gemeinden, die dort leben, funktioniert."
Bereits 73 Städte haben sich für “Cities 4 Forests” angemeldet. Addis Abeba in Äthiopien pflanzt Eukalyptusbäume, um Familien zusätzliche Einkommensquellen zu erschließen und sie vor den sich verschlechternden Klimaauswirkungen zu bewahren. Cali in Kolumbien macht seinem Ruf als "Stadt der Vögel" alle Ehre, indem es alle Facetten der lokalen Ökologie bewahrt, um einen stetigen Strom von Ökotourismus zu gewährleisten, während Salvador in Brasilien Waldreservate innerhalb der Stadt selbst wiederherstellt. Sowohl in Antalya (Türkei) als auch in Amman (Jordanien) tragen die Aufforstungsmaßnahmen dazu bei, die schwindenden Wasservorräte zu schützen.
5. Parks und Wildtierkorridore
Der Mensch hat eine angeborene Affinität zu Gras, Pflanzen, Bäumen – zur Tierwelt im Allgemeinen. Aus biologischer Sicht ist das sinnvoll. Pflanzen versorgen uns mit Nahrung, gefiltertem Wasser und Sauerstoff und bieten uns Schutz. Der bloße Anblick eines Baumes ist ein natürlicher Stressabbau, fast so, als ob unser Körper sein Wohlwollen erkennen würde.
An jedem warmen Tag strömen die Menschen in den Städten in die Parks, um in der Natur zu sein. Aus der Sicht von Stadtplaner*innen sind Parks seit jeher als Orte der Freizeitgestaltung eingestuft worden. Aber Parks haben noch unzählige andere ökologische Vorteile für die Städte, die die Regierungsbeamten allmählich zu schätzen wissen.
Durch die Ausweitung von Parks und die Anpflanzung von mehr Bäumen tragen Städte dazu bei, der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid zu entziehen, Wildtieren aus dem gesamten Tierreich Zuflucht zu gewähren und die Auswirkungen auf das Klima abzumildern.
Da die Temperaturen weltweit steigen, wird es in den Städten aufgrund des "städtischen Wärmeinseleffekts" viel heißer als in den umliegenden Gebieten. Beton, Asphalt und anderen Baustoffe absorbieren die Sonnenwärme und strahlen sie nach außen ab, wodurch die lokalen Temperaturen während Hitzeperioden erheblich ansteigen. Durch die Anpflanzung von Bäumen und den Ausbau von Parks schützen die Städte ihre Bewohner*innen vor den Auswirkungen von Hitzewellen.
Parks können auch Überschwemmungen bei extremen Regenereignissen abmildern, indem sie überschüssiges Wasser aufnehmen und den Druck auf die städtischen Entwässerungssysteme verringern. Nachdem Houston, Texas, während des Hurrikans Harvey im Jahr 2017 von Überschwemmungen heimgesucht wurde, pflanzte die Stadt "Superbäume", um ihre Klimaanfälligkeit zu bekämpfen.
6. Städtische Landwirtschaft
Etwa 80 Prozent der weltweiten Lebensmittel werden in die Städte transportiert, oft über sehr weite Entfernungen in Kühlcontainern, was enorme Mengen an Treibhausgasemissionen verursacht. Erschwerend kommt hinzu, dass ein großer Teil dieser Lebensmittel verschwendet wird, was noch mehr Emissionen verursacht.
Viele Städte bemühen sich, ihre Auswirkungen beim Thema Ernährung zu minimieren, indem sie Lebensmittel anbauen und mehr Lebensmittel von lokalen Bauernhöfen und Erzeugern beziehen.
Vertikale Farmen, Gemeinschaftsgärten und Dachlandwirtschaft könnten zusammen 180 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr produzieren und den Menschen einen einfachen und kohlenstoffarmen Zugang zu nahrhaften Produkten bieten.
In Paris arbeiten Stadtplaner*innen daran, 100 Hektar an Dächern, Mauern und anderen Flächen zu begrünen. Singapurs "Community in Bloom" Initiative hat mehr als 1.500 Gemeinschaftsgärten gefördert. Die "Good Food" Strategie in Brüssel versucht, bis 2035 30 Prozent des städtischen Obst- und Gemüsebedarfs durch städtische Landwirtschaft zu decken.
7. Regeneration der Küstengebiete
In der Vergangenheit gründeten die Menschen Städte an den Küsten, weil das den Handel erleichterte, da die Boote leicht hin und her fahren konnten. Im Zeitalter der Klimakrise stellt die Nähe zum Meer jedoch eine Bedrohung dar, da der Meeresspiegel steigt und extreme Stürme zunehmen, sodass katastrophale Überschwemmungen immer häufiger vorkommen.
Viele Städte arbeiten daran, die Entwicklungstrends der Vergangenheit, die zu einer Verschlechterung der Küsten geführt haben, rückgängig zu machen, um die Gemeinden besser vor Sturmfluten, steigendem Meeresspiegel und Überschwemmungen zu schützen.
Chinas "Schwammstadt" Initiative beispielsweise zielt darauf ab, Grünflächen und andere Infrastrukturen zu schaffen, die einen Großteil des Regenwassers aufnehmen und wiederverwenden können, um Hochwasserschäden zu minimieren.
Eine Gruppe von 40 Städten hat sich zusammengeschlossen, um Mangrovenökosysteme an der Küste zu schützen und wiederherzustellen. Die dicken Wurzeln der Mangroven tragen dazu bei, die Küsten vor Sturmfluten zu schützen und die Bäume selbst können zehnmal mehr Kohlenstoffdioxid absorbieren als andere Waldarten.
Mangroven unterstützen auch die Fischerei und andere Arten von Wildtieren, die den Lebensunterhalt für städtische Gemeinden sichern.
In Surabaya, Indonesien, wurde die Kampagne "One Soul One Tree" ins Leben gerufen, um die Armut durch die Schaffung nachhaltiger Gemeinden zu bekämpfen, die sich auf den Schutz der Mangroven konzentrieren.
In New York haben Umweltschützer*innen das "Billion Oyster Project" ins Leben gerufen, um lokale Wasserwege zu reinigen, Küsten vor Überschwemmungen zu schützen und geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen.
8. Null Abfall- und Kreislaufwirtschaft
Das derzeitige Ausmaß der Ressourcengewinnung erschöpft die Fähigkeit des Planeten, sich selbst zu regenerieren. Tatsächlich bräuchte die Menschheit 1,6 Erden, um ihr derzeitiges Konsumverhalten aufrechtzuerhalten. Würde jede*r so leben wie der*die durchschnittliche US-Bürger*in, bräuchte die Menschheit Ressourcen im Wert von vier Erden.
In Zukunft wird Nachhaltigkeit gleichbedeutend sein mit Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung, da die Länder versuchen, alle Ressourcen wiederzuverwenden, den Abfall zu beseitigen und ihren gesamten ökologischen Fußabdruck zu minimieren.
Viele Städte haben Wege gefunden, ihre Umweltauswirkungen zu verringern. Hunderte Städte haben ein Verbot von Plastiktüten erlassen, während andere in verbesserte Recyclinganlagen und die Umwandlung von Mülldeponien in Naturschutzgebiete investiert haben.
Singapur befeuert Haushalte mit Energie aus Abfällen. Alappuzha in Indien verwandelt Haushaltsabfälle in Brennstoff zum Kochen. Penang in Malaysia wandelt Lebensmittelabfälle in Dünger für Reisfarmen um.
Das Projekt “Shift FoCo” in Fort Collins im US-Bundesstaat Colorado zielt darauf ab, die Pro-Kopf-Emissionen der Stadt erheblich zu senken, indem es die Energieeinsparungen in den Haushalten fördert. Glasgow hat die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft in seiner gesamten Verwaltung verankert.
Die nachhaltigste Stadt dürfte jedoch Tübingen in Deutschland sein, wo die meisten Einwohner*innen vegan leben und lokale Produkte kaufen, Fahrradwege die Norm sind, Solarzellen auf den Dächern vorgeschrieben sind und Einwegverpackungen besteuert werden.