Warum das wichtig ist 
Die Diskriminierung, Ausgrenzung und Armut, die Mitglieder der LGTBQIA+ Community erfahren, nimmt durch die COVID-19-Pandemie deutlich zu. Es ist Ziel der Global Goals der Vereinten Nationen, marginalisierte Gruppen zu schützen. Werde mit uns hier dafür aktiv.

Rhed Franciscos und ihre Partnerin erhalten keinerlei Nahrungsmittelhilfen, weil ihre lesbische Liebesbeziehung nicht als Familienverhältnis anerkannt wurde. William Linares findet als 24-jähriger schwuler Mann in Belize keine Arbeit – außer in Drag Shows, sodass er während der Pandemie kein Geld für Essen und andere Dinge des täglichen Bedarfs hat. Amanda, eine Transfrau, deren Namen aus Sicherheitsgründen von der Redaktion geändert wurde, befürchtet, dass sie sich aufgrund von Vorurteilen nicht auf COVID-19 testen lassen kann.

Die COVID-19 Pandemie stellt weltweit das Leben aller Menschen auf den Kopf, doch marginalisierte Gruppen leiden noch mehr unter den Konsequenzen. Insbesondere für die LGBTQIA+ Community ist nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Sicherheit und die Existenzgrundlage vieler Menschen bedroht, laut eines Berichts von OutRight Action International.

Verwundbarkeit steigt enorm

“Verwundbare Gruppen werden in Zeiten der Krise noch vulnerabler und für Mitglieder der LGBTQIA+ Community verstärkt sich dieses Phänomen sogar exponentiell”, sagt Daina Ruduša, leitende Kommunikationsmanagerin bei OutRight. “Wir sind nicht nur im Alltag verletzlicher als andere, sondern werden von Hilfsmaßnahmen ausgeschlossen und von humanitären Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Community Netzwerken, abgeschnitten.”

Die Autor*innen des Berichts von OutRight führten mit dutzenden Menschen aus der LGBTQIA+ Community Interviews. Verschiedene Aktivit*innen teilten ihre persönliche Sichtweise auf die Krise. Der Bericht beschreibt die vielen Arten, mit denen die Pandemie den Mitgliedern der LBTQIA+ Community schadet, insbesondere in Ländern in denen “Stigma, Diskriminierung, und Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Transgender Menschen weit verbreitet sind.”

Der Bericht zeigt eindrücklich, wie die Pandemie die LGBTQIA+ Community beeinträchtigt: Viele Mitglieder der LGBTQIA+ Community arbeiten schwarz, häufig in informellen Jobs, und verlieren durch die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ihre Arbeit. Gleichzeitig bekommen viele keine Sozialleistungen, zeigt der Bericht. Daraus resultiert, dass viele Mitglieder der LGBTQIA+ Community unter gefährlichen Bedingungen arbeiten, um das nötige Geld für Essen, Miete und andere notwendige Dinge des Alltags zu verdienen.

Daher kann es in den kommenden Wochen und Monaten möglicherweise zu Hungersnöten kommen, durch die unzählige Menschen in lebensbedrohliche Situationen kommen und dadurch noch anfälliger für COVID-19 werden.
“Krisenbewältigung ist selten intersektionell”, sagt Ruduša. In Panama wurde zum Beispiel gender spezifische Quarantäne eingeführt, wodurch trans Menschen diskriminiert werden.

“Nur wenn mein Leben bedroht ist, würde ich mich behandeln lassen”

Viele Mitglieder der LGBTQIA+ Community sind vorsichtig, wenn es darum geht, sich behandeln zu lassen, weil sie davon ausgehen, diskriminiert zu werden. “Ich würde den Rettungsdienst erst anrufen, wenn ich ersticke”, sagt die trans Frau Liza OutRight. “Nur wenn mein Leben wirklich bedroht ist. Ich habe Angst, dass meine Familie informiert werden würde, wenn ich ins Krankenhaus komme. Das wäre das Schlimmste. Ich habe auch Angst, dass ich in die Krankenstation für Männer kommen würde und die Ärzte meine Situation nicht verstehen und mich schlechter behandeln als andere. Und wie würde ich unter solchen Umständen meine Hormonbehandlung fortsetzen? Ich darf nicht unterbrechen.”

Das zeigt ein weiteres Schlüsselthema: Während der Pandemie stehen eine Vielzahl von notwendigen Angeboten nicht zur Verfügung, zum Beispiel die Hormontherapie. Diese ist allerdings essentiell für die Gesundheit und die Identität von trans Menschen.

“Hormontherapien dürfen nicht unterbrochen werden”, sagt Ruduša. “Hormonelles Ungleichgewicht hat einen großen Einfluss auf unsere Stimmung und darauf, wie unser Körper funktioniert. Es ist unfassbar wichtig, dass die Behandlung wie geplant verläuft.”

Dies habe vor allen Dingen mit den psychologischen Folgen zu tun: “Trans Menschen haben Gender Dysphorie - Sie fühlen sich in ihren Körpern nicht Zuhause.” Daher führt die Isolation durch den Lockdown vermehrt zu Ängsten und depressiven Verstimmungen. Denn auch Unterstützung und Halt innerhalb der LGBTQIA+ Community sind weniger möglich.

“Ich habe große Angst”, sagt Shamim, eine 26-jährige lesbische Frau aus Kenia. “LGBTQIA+ zu sein wird hier als kriminell und gottlos angesehen, sodass queere Menschen einen Weg gefunden haben, Communities und Wahl-Familien zu gründen. Soziale und queere Rückzugsräume haben einen therapeutischen Effekt. Es fühlt sich an, als würde mein Leben zu Ende sein, wenn mir das genommen wird”, beschreibt sie und fügt hinzu: “Es fühlt sich an, als würden wir alle einfach nur noch versuchen zu überleben.”

Gewalt, Stigma und Diskriminierung nehmen zu

Weltweit bleiben aktuell mehr als 4 Milliarden Menschen größtenteils Zuhause. Dadurch nimmt auch häusliche Gewalt drastisch zu. Für Mitglieder der LGTBQIA+ Community geht das oft mit den Vorurteilen ihrer Familienmitglieder einher, die ihre Identitäten ablehnen.

Gewalt, Stigma und Diskriminierung nehmen auch außerhalb des eigenen Haushalts zu, da marginalisierte Gruppen als Sündenböcke benutzt und angegriffen werden. Es gibt sogar Länder, in denen die LGBTQIA+ Community für die Pandemie verantwortlich gemacht wird, ähnlich wie es bereits für den Tsunami in Japan in 2011 und den Ebola Ausbruch in 2014 geschehen ist.

In Ländern, in denen sich die Staatsoberhäupter gegen die LGBTQIA+ Community stellen, ist die aktuelle Situation ein passender Anlass, um diese Menschen durch staatliche Gewalt und neue Gesetze noch stärker zu unterdrücken.

In Uganda verwüsteten Regierungsmitarbeiter*innen eine LGBTQIA+ Unterkunft und verhafteten die Bewohner*innen. Der EU-Staat Polen versucht Menschen mit HIV zu kriminalisieren und das westafrikanische Land Liberia hat gedroht, Gesetze gegen die gleichgeschlechtliche Ehe zu verschärfen, berichtet OutRight.

“Rechte und autoritäre Regierungen haben jetzt die Chance diese Befugnisse auszunutzen, um Überwachungsmaßnahmen zu erhöhen und scharf gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen vorzugehen”, sagt Ruduša.

Zu allem Übel werden Bestrebungen bezüglich verschiedener Rechte und Schutzmaßnahmen im Arbeitskontext, Zuhause und in der Öffentlichkeit zurückgedreht, weil Interessenvertreter*innen finanzielle Unterstützung verlieren und damit die Möglichkeit, sich zu organisieren.

Ein*e serbisch*e Aktivist*in sagte OutRight, dass aufgrund der Pandemie der jahrelange Kampf für die Anerkennung verschiedener Geschlechter und der gleichgeschlechtlichen Ehe auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wurde.

Ähnliches berichtete ein*e Aktivist*in in Neuseeland: “Ich befürchte, dass wir im großen Bild der Politik weniger sichtbar werden: Unser Kampf und unsere Politik werden nicht mehr berücksichtigt”, sagte Phylesha Brown-Acton OutRight. “Unsere Probleme werden verwässert. Ich habe Angst, dass unsere Rechte und die Dinge, die uns schaden, nicht mehr wichtig sind, dass wir für die Regierung gänzlich unbedeutend werden. Wenn die Sicherheit schwindet, verlierst du auch deine Stimme.”

Wenn auch du dich für mehr Gerechtigkeit einsetzen willst, dann werde hier mit uns aktiv. 

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Ein Beitrag von Joe McCarthy