Erinnerst du dich an den Start der COVID-19-Pandemie? Wir mussten alle Zuhause bleiben und unser Leben verlagerte sich ins Internet. Es wurde für Millionen von Menschen weltweit zur einzigen Möglichkeit, ihre Bildung und Arbeit fortzusetzen. Das Internet war auch eine entscheidende Ressource, um lebensrettende Gesundheitsinformationen über die Pandemie zu finden und weiterzugeben, was es zu einem wesentlichen Bestandteil des Zugangs zum Grundrecht auf Gesundheit machte.
Hier hat sich gezeigt, dass der Zugang zum Internet nicht nur die Wahrnehmung anderer Menschenrechte ermöglicht, sondern auch zunehmend selbst zu einem Grundrecht wird.
Als also der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, in seinem Jahresbericht für 2021 auf die globalen Bemühungen hinwies, die erforderlich sind, um die Global Goals zu erreichen, wies er ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines universellen Internetzugangs hin.
"Jetzt ist es an der Zeit, den Sozialvertrag zwischen den Regierungen und ihren Bürger*innen und innerhalb der Gesellschaften zu erneuern", sagte er.
Die Welt bräuchte "bessere öffentliche Güter und eine neue Ära des allgemeinen Sozialschutzes, der Gesundheitsversorgung, der Bildung, der Qualifikationen, der menschenwürdigen Arbeit und des Wohnens sowie des allgemeinen Internetzugangs bis 2030 als grundlegendes Menschenrecht.”
Die Anerkennung des Internetzugangs als Menschenrecht folgt einer Ankündigung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2016, dass "Maßnahmen, die den Zugang zu oder die Verbreitung von Informationen im Internet absichtlich verhindern oder stören, gegen die internationalen Menschenrechte verstoßen."
Damals stellte die UN fest, dass der Zugang zum Internet ganz eng an Menschenrechte geknüpft sein muss und dass das Internet "offen und zugänglich sein und durch die Beteiligung zahlreicher Interessengruppen gefördert werden sollte."
Das Internet ist ein wichtiges Instrument für die Beteiligung an Demokratie
Felicia Anthonio ist die Kampagnenmanagerin von #KeepItOn bei der Organisation Access Now, die sich für die Verteidigung und Ausweitung von digitalen Rechten weltweit einsetzt. Die #KeepItOn Kampagne wurde 2016 ins Leben gerufen, um gegen Internetabschaltungen auf der ganzen Welt vorzugehen. Heute arbeitet die Bewegung mit 280 Organisationen in 105 Ländern zusammen, um Internetzugang sicherzustellen.
Das Internet und soziale Medien sind zu wichtigen Bestandteilen des zivilgesellschaftlichen Raums geworden. Gerade in Ländern, in denen die Möglichkeiten, zu protestieren, sich zu organisieren und frei zu sprechen, begrenzt sind, kann die digitale Welt manchmal offener und zugänglicher sein als der physische Raum. Genau deswegen wird das Internet manchmal eingeschränkt.
#KeepItOn wurde ins Leben gerufen, nachdem Ägypten während des Arabischen Frühlings das Internet abgeschaltet hatte, was für Aktivist*innen auf der ganzen Welt ein wichtiger Weckruf war – danach kam es zu weiteren Unterbrechungen. Seitdem ist die Zivilgesellschaft stärker auf die zunehmenden Internetabschaltungen durch Regierungen und staatliche Behörden aufmerksam geworden.
"Als die Kampagne ins Leben gerufen wurde, war es eine Reaktion auf den zunehmenden Einsatz durch Regierungen und andere Behörden, um gegen Andersdenkende vorzugehen", erklärt Anthonio. "Wenn man sich ansieht, wie Internetabschaltungen durchgeführt werden, kann man klar erkennen, dass sie die Grundrechte der Menschen verletzen. Sie untergraben auch politische und soziale Aktivitäten wie Proteste, weil sie die Menschen daran hindern, sich zu koordinieren und zu mobilisieren, um gegen eine Politik zu protestieren, die für sie inakzeptabel ist."
Sie fügt hinzu, dass diese Abschaltungen auch wirtschaftliche Auswirkungen haben, da die Menschen auf das Internet angewiesen sind, um Geschäfte zu tätigen und somit ein Einkommen zu erzielen und ihre Familien zu versorgen. Laut Anthonio haben Internetabschaltungen oft schwerwiegendere Auswirkungen auf bereits gefährdete Gruppen.
Ein Teil der Arbeit von Access Now und anderen Organisationen dieser Art zielt darauf ab, die digitale Kluft zwischen verschiedenen Ländern und Communities zu überbrücken, da Abschaltungen die Kluft eher noch vergrößern.
Anthonio erklärt, dass es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern gibt, was den Zugang zum Internet angeht und dass eine Unterbrechung desselben daher auch Auswirkungen auf die Geschlechter hat. Abschaltungen betreffen auch eher ärmere Menschen und Communities und Menschen mit Behinderungen sehen sich zusätzlichen Hindernissen beim Zugang zum Internet gegenüber.
Zivilgesellschaftliche Organisationen beobachten einige auffällige Trends: Zwischen 2018 und 2019 gab es einen Anstieg der registrierten Abschaltungen: 196 Vorfälle im Jahr 2018 und 213 im Jahr 2019. Anthonio stellt fest, dass die Zahlen im Jahr 2020 auf 159 zurückgingen, doch im Jahr 2021 gab es mit 182 wieder einen Anstieg. Anthonio weist darauf hin, dass es in Ländern wie Pakistan, insbesondere in den national verwalteten Gebieten, Fälle von längeren Internetabschaltungen gibt, wo das Internet im Jahr 2016 unterbrochen und 2021 erst wiederhergestellt wurde.
"Wir haben Geschichten von Menschen gehört, die in andere Teile Pakistans reisen mussten, um Zugang zum Internet zu erhalten und von Student*innen, die sich darüber beklagten, dass sie zurückgelassen wurden, weil sie sich nicht im digitalen Raum bewegen konnten", sagt sie.
Der Internetzugang als grundlegendes Menschenrecht
Koketso Moeti ist Geschäftsführerin einer zivilgesellschaftlichen Organisation namens Amandla Mobi in Südafrika. Moeti erklärt, dass sie daran arbeitet, "jedes Mobiltelefon in ein Instrument zur Förderung der Demokratie zu verwandeln".
Die Organisation führt Kampagnen durch, die darauf abzielen, schwarze Menschen zu befähigen und konzentriert sich dabei besonders auf schwarze Frauen mit niedrigem Einkommen.
"Wir bringen unsere Community zusammen, um gezielte, koordinierte und strategische Maßnahmen zu Themen zu ergreifen, die sich auf einkommensschwache schwarze Frauen auswirken", erklärt sie. "Wir wissen, dass sich die Gesellschaft als Ganzes weiterentwickelt, wenn einkommensschwache schwarze Frauen vorankommen.”
In Südafrika sind Mobiltelefone und mobile Daten die vorherrschende Art und Weise, wie auf das Internet und Online-Dienste zugegriffen wird, da der Breitbandausbau langsam und auf wohlhabende Gebiete beschränkt ist.
Allerdings hat Südafrika mit die höchsten mobilen Datenkosten in Afrika und lag 2022 auf Platz 148 von 228 Ländern bei Datenpreisen insgesamt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf ein Land mit der weltweit größten Ungleichheit und einer mehrheitlich armen Bevölkerung.
2016 startete Amandla Mobi eine Petition gegen die hohen Kosten für mobile Daten in Südafrika. Sie argumentierte, dass der Internetzugang die Welt verändert, aber ärmere Menschen ausschließt – genau diejenigen, die am meisten vom Zugang zu Informationen, Bildung, Arbeitsplätzen und Einkommen profitieren würden, den das Internet ermöglicht hat.
"Wir sind der Meinung, dass Daten in diesem Land nicht nur zu teuer sind, sondern dass einkommensschwache Verbraucher*innen unverhältnismäßig mehr für das Internet bezahlen müssen", sagt Moeti. "Wenn man zu den einkommensschwachen Nutzer*innen gehört, ist es viel wahrscheinlicher, dass man kleinere Datenpakete nutzt. Es ist auch viel wahrscheinlicher, dass man in Tarife außerhalb des Pakets gerät."
Moeti erläutert, dass die Datenkosten in beiden Fällen viel höher sind als die Kosten für Nutzer*innen, die ein Vertragstelefon mit Datenzugang erwerben können – ihre Gebühren sind bis zu elfmal billiger als die von einkommensschwachen Verbraucher*innen. Diese unverhältnismäßigen Auswirkungen auf ärmere Menschen haben mehrere Folgen.
Beispielsweise wird in einer der südafrikanischen Provinzen, dem Wirtschaftszentrum Gauteng, das Bewerbungsverfahren für die Klassen 1 bis 8 online durchgeführt. So kommt es zu einer Diskriminierung bei der Vergabe von Plätzen an den besten Schulen.
Sie fügt hinzu, dass eine Reihe von Institutionen, darunter auch einige staatliche Einrichtungen, ihre Stellen ausschließlich online ausschreiben, was das gleiche Zugangsproblem aufwirft und dazu führt, dass den Menschen Arbeitsmöglichkeiten entgehen.
Für Moeti bedeutet die Zukunft nicht nur eine Senkung der hohen Kosten für mobile Daten, sondern auch einen universellen Grundzugang zum Internet für alle. "Wir glauben an einen universellen Grundzugang, der nicht zu sehr von privaten Interessen abhängig ist. Die Daten sind also ein Ansatzpunkt dafür, wie wir auf einen universellen Grundzugang hinarbeiten”, sagt sie.
‘Genug ist genug’ – Wie du aktiv werden kannst
Laut Anthonio spielen wir alle eine Rolle beim Internetschutz, ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. "Ich denke, dass wir alle eine Verantwortung haben. Unabhängig davon, ob die eigene Regierung das Internet schon einmal abgeschaltet hat oder nicht, ist es wichtig, dass man sich bewusst ist, dass dies geschieht und dass man weiß, wie negativ es sich auf die Menschen auswirkt", sagt sie.
"Außerdem sollten wir anfangen, über die Rolle des Internets – oder des Internetzugangs – bei Wahlen zu sprechen... Der Internetzugang erleichtert die Beteiligung der Bürger*innen bei Wahlen und es ist wichtig, die Öffentlichkeit für Fragen der digitalen Rechte zu sensibilisieren."
Die Unterstützung der Arbeit von Organisationen wie Access Now ist eine weitere Möglichkeit, wie Menschen dazu beitragen können, dass das Internet frei und offen für alle ist.
Für Moeti ist es zwar noch ein weiter Weg bis zu einem universellen Grundzugang, aber sie glaubt, dass der öffentliche Aufschrei und die Beteiligung der Öffentlichkeit – wie sie in Südafrika mit #DataMustFall zu einer gewissen Senkung der Preise für mobile Daten geführt hat – entscheidend sein werden.
"Wir dürfen nicht vergessen, dass die eingeleiteten Prozesse – die Änderung der Vorschriften, die Untersuchungskommission zu den Datenkosten und so weiter – das Ergebnis eines öffentlichen Aufschreis und der Mobilisierung der Menschen waren, die gesagt haben: 'Genug ist genug'," erklärt sie. "Wir haben das wiederholt sehen können. Keine Regulierungsbehörde hätte etwas unternommen, wenn wir nicht gesagt hätten, dass dies möglich ist, und dass dieses und jenes falsch ist... Ich glaube, dass es ein Potenzial [für einen universellen Grundzugang zum Internet] gibt, wenn wir es zu einem Thema machen."
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die sich mit der Verteidigung von Interessenvertretungen und zivilgesellschaftlichen Räumen befasst und dank der Finanzierung durch die Ford Foundation möglich wurde.