Eigentlich reichen uns gerade schon die schlechten Nachrichten, die gerade jeden Tag hereinkommen. Doch nun hat der Klimarat (IPCC) der Vereinten Nationen (UN) einen Bericht herausgebracht, der mit mehr als 3.600 Seiten und Beiträgen von mehr als 270 Autor*innen die menschlichen und ökologischen Auswirkungen der Klimakrise stark verdeutlicht.
Der Bericht beschäftigt sich mit Hitzewellen, Überschwemmungen, Waldbränden und Dürreperioden, die uns bereits jetzt überfordern und Kettenreaktionen auslösen. So kommt es zu einem Mangel an Nahrungsmitteln und Wasser, erzwungener Migration, Konflikten, Gesundheitskrisen und vielem mehr.
Auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse zeigen die Autor*innen nüchtern auf, wie die Menschheit auf katastrophale, unumkehrbare Ereignisse zusteuert. Sie argumentieren jedoch, dass die schlimmsten Auswirkungen noch vermieden werden könnten, wenn der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe vollzogen wird, bewährte Anpassungsmaßnahmen unterstützt werden und ein gerechter Übergang, bei dem das Wissen indigener Völker weltweit größte Beachtung findet.
“Die größten Mächte der Welt müssen ihre Emissionen reduzieren.”
"Es gibt Hoffnung", sagte Ani Dasgupta, Präsident und CEO des World Resources Institute, in einer Erklärung. "Wir sind noch immer auf einem schmalen Pfad, um die schlimmsten Klimaauswirkungen zu vermeiden. Die größten Mächte der Welt müssen dringend ihre Emissionen reduzieren, die internationalen Finanzmittel für Anpassungsmaßnahmen erheblich aufstocken, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Klimaauswirkungen zu stärken und gefährdeten Ländern Finanzmittel zur Bewältigung unvermeidbarer Verluste und Schäden zur Verfügung stellen.”
"Gleichzeitig müssen die Regierungen die vielversprechenden Anpassungspläne schnell in die Tat umsetzen, um Nahrungsmittel, Wasser, Häuser und kritische Infrastrukturen zu schützen", erklärt er weiter. "Der neueste IPCC-Bericht bietet die maßgebliche wissenschaftliche Grundlage, auf der die politischen Entscheidungsträger*innen ihre Aktionspläne für eine klimaresistente Entwicklung für alle aufbauen sollten."
Der IPCC-Bericht ist ein gewaltiges Unterfangen, an dem Tausende von Wissenschaftler*innen und Forscher*innen weltweit beteiligt sind. Die Arbeit ist auf drei Arbeitsgruppen aufgeteilt, die sich mit verschiedenen Aspekten der Klimakrise befassen – von den physikalischen Grundlagen über die Auswirkungen bis hin zu den Bemühungen zur Abschwächung.
Der jüngste Bericht stammt von der Arbeitsgruppe II, die sich mit den Auswirkungen, der Anfälligkeit und den Anpassungsbemühungen befasst und aufzeigt, wie sich die Klimakrise auf verschiedene Bereiche auswirkt und auf welche Weise bestehende Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten seine Auswirkungen verstärken.
Ein Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad Celsius muss verhindert werden
Die Autor*innen argumentieren, dass bei der Klimakrise alle Faktoren zusammenhängen und dass alle Maßnahmen, egal wie klein, notwendig sind, um einen Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu verhindern. Denn das ist das Ziel des Pariser Klimaabkommens, dem sich auch Deutschland verschrieben hat.
Das bedeutet, dass einerseits Staaten so schnell wie möglich auf erneuerbare Energiequellen und eine nicht-extraktive Wirtschaft umsteigen müssen und andererseits jede*r von uns den Alltag und das persönliche Leben ändern müssen, um die Gesundheit unserer Umwelt zu unterstützen.
Doch die Zeit wird knapp.
Selbst eine Erwärmung um 1,5 Grad Celsius würde für weite Teile der menschlichen Bevölkerung unwirtliche Bedingungen schaffen. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnten die derzeitigen Erwärmungstrends 132 Millionen Menschen in extreme Armut stürzen und es für weitere 350 Millionen Menschen schwieriger machen, regelmäßig sauberes Wasser zu bekommen, so der Bericht.
Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius könnten etwa 14 Prozent der Landarten vom Aussterben bedroht sein – eine Entwicklung, die die Nahrungsmittelsysteme weltweit untergraben und die Fähigkeit von Milliarden von Menschen, sich ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen, gefährden würde.
In Armut lebende Menschen sind anfälliger für die Auswirkungen der Klimakrise
Mit jedem weiteren Zehntelgrad Anstieg der Durchschnittstemperatur nähert sich die Menschheit den "harten Grenzen." Das führt zu Situationen, die nicht mehr behoben werden können. So könnte beispielsweise der durch das Abschmelzen der Eiskappen verursachte Anstieg des Meeresspiegels Küstenregionen und niedrig gelegene Inselstaaten vollständig von der Landkarte verschwinden lassen. Eine weitere harte Grenze sind Tausende von Tier- und Pflanzenarten, die in den kommenden Jahren aussterben könnten, weil die Erde keinen sicheren Lebensraum mehr bietet.
Der Bericht zeigt auch, wie Armut die Menschen anfälliger für die Auswirkungen der Klimakrise macht und wie der Grad der Anfälligkeit eines Landes insgesamt von seiner Fähigkeit abhängt, Anpassungs- und Eindämmungsmaßnahmen zu finanzieren.
Die Auswirkungen lassen sich in den Leben berechnen, die es bereits gekostet hat. Zwischen 2010 und 2020, so der Bericht, war die Sterblichkeitsrate in den am stärksten gefährdeten Ländern aufgrund extremer Wetterereignisse 15-mal höher als in den am wenigsten gefährdeten Ländern.
Diese Ungleichheit unterstreicht, warum die reichen Länder eine angemessene Klimafinanzierung für Länder mit niedrigem Einkommen bereitstellen müssen. Im Jahr 2009 erklärten sich die wohlhabenden Länder bereit, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar (rund 90 Milliarden Euro) für die Klimafinanzierung bereitzustellen. Bis heute haben sie dieses Versprechen jedoch nicht eingelöst – und werden es wahrscheinlich auch nicht vor 2023 tun. Die Kosten für die erforderliche Anpassungsfinanzierung sind dem Bericht zufolge inzwischen auf 127 Milliarden US-Dollar (rund 114 Milliarden Euro) pro Jahr gestiegen.
Deutschland muss acht Milliarden Euro jährlich zur Klimafinanzierung beitragen
Als wirtschaftlich starkes Land kommt Deutschland eine besondere Verantwortung zu. Die Bundesregierung muss jährlich acht Milliarden Euro für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen in Ländern mit geringem Einkommen zur Verfügung stellen, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden können. Aktuell hat die Bundesregierung lediglich sechs Milliarden Euro zugesagt, im Koalitionsvertrag der neuen Regierung wird jedoch eine Erhöhung versprochen. Jetzt gilt es, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Als Reaktion auf den #IPCC-Bericht fordern wir von der #Bundesregierung eine Erhöhung auf jährlich mindestens 8 Mrd. € Haushaltsmittel für #Klimaschutz u. #Anpassung in Entwicklungsländern. Plus Mittel für den Umgang mit Verlusten u. Schäden, wo keine Anpassung mehr möglich ist. pic.twitter.com/bhFMzIeKeY
— Klima-Allianz Deutschland (@klima_allianz) February 28, 2022
Soeben veröffentlichter #IPCCReport verdeutlicht, wie zerstörerisch die Wucht der #Klimakrise schon jetzt ist. Vorsorge und Unterstützung beim Umgang mit Folgen müssen endlich Schritt halten. Unsere Schlussfolgerungen: https://t.co/OPdvnCLJe9#IPCC#Klimaanpassung#LossandDamage
— Germanwatch (@Germanwatch) February 28, 2022
Der neue IPCC-Bericht zeigt vor allem eins: Die wachsende Ungleichheit ist eine Schlüsselfaktor der Klimakrise. Unseren Kommentar zum Bericht gibt es hier ➡️ https://t.co/UYCYujgIbYpic.twitter.com/67zmxz9pid
— Oxfam Deutschland (@Oxfam_DE) February 28, 2022
Die globale Klimafinanzierung ist eine Form der Klimareparationen, da die reichen Länder und die von ihnen geförderten umweltverschmutzenden Industrien die Klimakrise weitgehend verursacht haben.
In einer Pressekonferenz, in der der IPCC-Bericht erörtert wurde, brachte UN-Generalsekretär António Guterres die Sache auf den Punkt, indem er die Regierungsführung als "kriminell" bezeichnete und sagte, dass "die größten Umweltverschmutzer*innen der Welt sich der Brandstiftung an unserem eigenen Haus schuldig gemacht haben."
Guterres verurteilte insbesondere die Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen und beschuldigte sie der Heuchelei: "Man kann nicht behaupten, grün zu sein, während man mit seinen Plänen und Projekten das Netto-Null-Ziel für 2050 untergräbt und die großen Emissionssenkungen ignoriert, die in diesem Jahrzehnt stattfinden müssen", sagte er. "Die Menschen durchschauen diese Vernebelung".
Wissenschaftler*innen und Umweltschützer*innen argumentieren seit langem, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe so bald wie möglich beendet werden muss, doch diese Botschaft wird weiterhin ignoriert. Tatsächlich wird erwartet, dass die Emissionen in diesem Jahrzehnt um 14 Prozent steigen werden, wenn die derzeitigen Trends anhalten.
Doch der Weg in eine nachhaltige Welt rückt in greifbare Nähe
Gleichzeitig ist es möglich, dass die derzeitigen Trends ein Ende finden können. Eine ganz neue Zukunft – auf der Grundlage sich entwickelnder Gesellschaften und Ökosysteme – kann aufgebaut werden. Die Wissenschaft ist sich einig, Stimmen indigener Expert*innen finden allmählich Gehör und der Weg in diese neue Welt rückt in greifbare Nähe.
"Einer der Punkte, die der Bericht meiner Meinung nach sehr deutlich macht, ist, dass es zwar schlecht aussieht, aber die Zukunft von uns abhängt, nicht vom Klima", sagte Dr. Helen Adams, eine der Hauptautorinnen des Berichts vom King's College in London.
Insbesondere Städte müssen dringend umgestaltet werden, denn derzeit stammen 75 Prozent der weltweiten Emissionen von dort. Gleichzeitig sind sie an vorderster Front des Klimaschutzes – hier werden umfassende Bemühungen unternommen, damit es weniger Autoverkehr gibt, in erneuerbare Energien investiert, Gebäude saniert und Grünflächen erweitert werden.
Wenn diese Bemühungen weltweit umgesetzt würden, könnten wir dadurch die Nahrungsmittelsysteme sichern, den Zugang zu Wasser schützen, die globale Gesundheit verbessern und eine Zukunft mit einer reichhaltigen biologischen Vielfalt gewährleisten.
"Je länger wir warten, desto schwieriger wird es", sagte Dasgupta. "Nirgendwo wird dies deutlicher als auf dem COP27-Gipfel in Afrika im November. In Ägypten werden die Industriestaaten an zwei Fronten beurteilt werden: an ihrer Verpflichtung zur raschen Senkung der Emissionen und an ihrer Verpflichtung zur Bereitstellung weitaus größerer finanzieller Mittel für gefährdete Communities, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und unvermeidbare Klimaschäden zu bewältigen. Dieser unnachgiebige IPCC-Bericht schafft die Voraussetzungen für die COP27 in Ägypten, wo endlich Solidarität und Gerechtigkeit im Mittelpunkt stehen werden."
Die wohlhabendsten Staaten, die im Rahmen der G7 im Juni auf Schloss Elmau in Bayern zusammenkommen, müssen den Grundstein dafür legen, dass der Klimagipfel in Ägypten ein Erfolg werden kann. Deutschland hat dieses Jahr die Präsidentschaft der G7 inne und trägt damit eine besondere Verantwortung. Wir fordern den bedingungslosen Einsatz der Bundesregierung, um konkrete Forschritte im Bereich Klimafinanzierung, Klimaanpassungen und Reduzierung der Emissionen zu erzielen.
Es liegt also in unserer Hand, ob wir diesen Planeten zerstören oder nicht. Wenn auch du dich für den Umweltschutz einsetzen möchtest, dann werde hier mit uns aktiv.