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Shantel is an HIV-negative sex worker and sex educator for other young women who work at bars and beaches near Lake Victoria. She brings them condoms, teaches them about their reproductive and sexual health, and tells them what their rights are if a client becomes violent. (News Deeply/Jennifer Huxta)

HOMA BAY, KENIA – Shantel sitzt in einer Bar, im Licht des Fernsehbildschirms. Nasse Bierflaschen der Marke „Tusker“ stehen auf den Regalen, auf dem Boden stehen gepolsterte Stühle. Ein Freier wartet in einem Hinterzimmer auf Shantel.

Ihre Eltern starben als Shantel 15 Jahre alt war und ließen sie und ihre Schwester Magdari allein zurück. „Als meine Eltern an HIV gestorben sind, wusste ich nicht, wo ich hin sollte. Das war der Zeitpunkt, als ich mit der Sexarbeit anfing“, erzählt Shantel. „Ich war verzweifelt. Dann entschied ich mich in die Stadt Homa Bay zu ziehen, um dort nach Geld zu suchen. Es war schwierig, weil ich noch sehr jung war. Als ich in Clubs ging, wurde ich geschlagen. Die Leute sagten immerzu: ‘Was will dieses Kind hier?’“

In Homa Bay County, gelegen an den Ufern des Viktoriasees im westlichen Kenia, liegt die HIV-Rate bei 26 Prozent - die höchste im ganzen Land. Tausende Kinder haben ihre Eltern durch AIDS verloren. In der Gegend leben viele Menschen von der Fischindustrie. Für Waisenmädchen wie Shantel gibt es allerdings nur wenige Möglichkeiten, außer jeden Morgen an die Küste des Viktoriasees zu gehen und Sex gegen Essen oder Geld anzubieten.

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„Ich habe ein wenig Geld verdient, das mich am Leben gehalten hat“, sagt die heute 18-jährige Shantel. Sie begann damit, Männern „Shots“ zu geben – schnellen Sex für 500 Schilling (etwa 4 Euro).  „Das war nicht immer leicht“, sagt Shantel. „Wenn ein Freier Sex ohne Kondom haben wollte, hat er mich geschlagen. Und es gab keinen Ort, an den ich gehen konnte, um den Vorfall zu melden.“

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Shantel takes a motorbike taxi to pick up condoms and hand them out to young sex workers in Homa Bay. (Jennifer Huxta)

Bis vor zwei Jahren interessierte sich die Polizei in Homa Bay nicht sonderlich für die Probleme der Prostituierten – teilweise kritisierten sie sie sogar. Erst als im Jahr 2015 ein Programm ins Leben gerufen wurde, um die Situation von Sexarbeiterinnen zu verbessern, änderte sich die Situation. Das Projekt wird unterstützt von der Stiftung ‘Elizabeth Glaser Pediatric AIDS Foundation’ (EGPAF).

„Wir haben ein Sensibilisierungsprogramm für Polizisten begonnen“, sagt Eunice Ojollah, eine Sozialarbeiterin vom Makongeni Gesundheitszentrum, der einzigen Gesundheitseinrichtung in der Region, die freie Behandlung von Sexarbeiterinnen und ihren Kindern anbietet. „Wir sagten den Polizisten, dass wir die Frauen beschützen müssen. Sie haben ein Recht darauf – als Sexarbeiterinnen, als Frauen, als unsere Mütter oder unsere Schwestern“, sagt Eunice Ojollah. „Die Polizei hat das verstanden und angefangen, bei Gewalttaten einzugreifen.“

Noch gibt es keine offiziellen Daten darüber, was das neue Programm bewirkt hat. Doch Behörden berichten, dass sie einen Rückgang der Kriminalität gegenüber Prostituierten festgestellt hätten. Nun wüssten die Frauen: Wenn ein Klient gewalttätig wird, können sie zur Polizei gehen. Ein großer Erfolg.

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Während die HIV-Rate in der Region in den vergangenen Jahren weiter anstieg, hat EGPAF ihre Arbeit ausgeweitet: Sie haben ein Programm auf den Weg gebracht, das Frauen wie Shantel als „Peer-Ausbilderinnen“ einsetzt. Sie verteilen beispielsweise Kondome an andere Sexarbeiterinnen in Bars und am Strand rund um Homa Bay.

Evaline ist eine der 489 Sexarbeiterinnen, die derzeit an dem Programm beteiligt sind. „Wir sprechen mit den Mädchen über Kondome", sagt sie. „Wir sagen ihnen, dass sie nicht mit einem Mann in ein Zimmer gehen sollten, wenn sie betrunken sind. Wenn der Mann betrunken ist: Sag es deinen ‚Kolleginnen’“, empfiehlt sie. „Die Frauen müssen sich darum kümmern, dass der Mann ein Kondom trägt. Und wir haben auch Kondome für Frauen."

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After her parents died, Evaline worked as a maid. “The family mistreated me. I decided to leave and started sex work,” she says. She has been a sex worker in Homa Bay for about ten years. (Jennifer Huxta)

Evaline und ihre Kolleginnen bleiben in Kontakt mit den Frauen und Mädchen, die sie beraten. Oft besuchen sie sie zu Hause und stellen sicher, dass sie regelmäßige Gesundheits-Checkups bekommen.

„Diejenigen, die HIV-negativ sind, testen wir alle drei Monate", sagt Ojollah, die Sozialarbeiterin. „Die Mädchen, die HIV-positiv sind, machen alle drei Monate Screenings für sexuell übertragbare Infektionen. Mit manchen sprechen wir über Familienplanung und machen die Folgeuntersuchungen der HIV-Diagnose. Das hilft uns, um den Fortschritt der HIV-Pflege zu verfolgen." Das Zentrum bietet HIV-positiven Frauen auch kostenlos antiretrovirale Medikamente an.

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Social worker Eunice Ojollah advises girls and women about sexual and reproductive health issues at Makongeni Health Center in Homa Bay. (Jennifer Huxta)

Seit das Programm gestartet ist, erzählt Ojollah, habe sich nur eine Frau mit HIV infiziert. „Das bedeutet, dass die Kondome konsequent verwendet werden. Sie halten sich also an das, was wir ihnen beibringen. Darüber sind wir sehr glücklich.“

Auch das Stigma gegenüber Sexarbeiterinnen habe sich verbessert, sagt Ojollah: „Die Gemeinschaft hat akzeptiert, dass die Frauen hierher gehören. Wir können sie nicht ausschließen, wenn wir im Kampf gegen HIV erfolgreich sein wollen.“

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