Worte wie “Fremdenfeindlichkeit”, “Religionshass” oder “Angst vor Fremden” fielen in den vergangenen Monaten oft, wenn es etwa um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, dem versuchten Massenmord in der Synagoge in Halle, Saale, oder den Wahlerfolg der AfD in Thüringen geht. Doch das Wort, mit dem viele der Taten motiviert waren und mit dem einige Politiker*innen und Medien in den vergangenen Monaten ringen, ist Rassismus.
RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS. RASSISMUS.
— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) February 20, 2020
Kapiert es endlich und hört auf, um den heissen Brei zu reden, weil es ja eigentlich nicht sein darf in Deutschland. #NieWieder#Hanau
Der jüngste Vorfall mit rassistischem Motiv ereignete sich in Hanau. Am 19. Februar tötete ein 43-Jähriger Mann zehn Menschen. Neun seiner Opfer hatten einen Migrationshintergrund. Sie waren keine Fremden, keine Touristen – sie waren Teil dieser Gesellschaft. Der zehnte Mord galt seiner eigenen Mutter. Im Anschluss beging der Attentäter Selbstmord. Vor seiner Tat veröffentlichte er ein “Manifest” im Internet, das Zeugnis über seine rechtsextreme, rassistische, religionsfeindliche und frauenverachtende Denkweise ablegt.
“Uns ist nicht zum Feiern zumute.”
Taten wie diese dürfen nicht verharmlost oder gar zur Normalität werden. Diesem Aufruf schlossen sich die diesjährigen Internationalen Filmfestspiele Berlin, kurz Berlinale, an und eröffneten mit einer Schweigeminute in Gedenken an die Opfer von Hanau. In einer Pressemitteilung machte die Leitung deutlich: “Das Festival stellt sich gegen Gewalt und Rassismus.”
Auf dem roten Teppich der Berlinale bezogen zahlreiche Künstler*innen und geladene Gäste ebenfalls Stellung. Die Schauspielerin, Filmemacherin und Autorin Maryam Zaree sagt in einem Videointerview zu den Verbrechen des rechten Terrors in Deutschland: “Das ist für uns unerträglich. (...) Wir können das so nicht stehen lassen. Uns ist nicht zum Feiern zumute.”
Rassismus tötet
Die Moderatorin und Botschafterin von Visions for Children Wana Limar nutzte die Berlinale ebenfalls, um sich gegen Rassismus zu positionieren. Dafür trug sie ein T-Shirt, auf dem die Namen der Opfer von Hanau standen, zusätzlich zu der Aufschrift “Check Your Privilege. It Kills”. Damit wollte sie die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die Rassismus-Debatte in Deutschland aktuell vor allem aus einer weißen, privilegierten Perspektive geführt wird.
“Es ging mir darum, der meinungsmachenden deutschen Elite den Abend [der Berlinale-Eröffnung] unbequem zu machen, ihn nicht als Ablenkung zu sehen. Und um klarzumachen: Es kann nicht einfach weitergehen wie vorher”, so Wana Limar.
“Die Ausrede, man sei ‘nicht politisch’, zieht nicht länger, da jeder Mensch, der Teil einer Gesellschaft ist, eine politische Verpflichtung besitzt”, sagte Limar weiter.
Die Macht der Worte
Die Schauspielerin Luisa-Céline Gaffron betonte in ihrer Stellungnahme auf dem roten Teppich zudem die Bedeutung von Filmen für die Aufklärung über rechte Gewalt. Sie selbst spielt in dem Film “Persischstunden” von Vadim Perelman mit, der während des zweiten Weltkriegs in einem KZ spielt und bei der Berlinale seine Premiere feierte. Um ihre Anteilnahme zu zeigen, schrieb sich Gaffron ebenfalls die Namen der Ermordeten von Hanau auf ihre Hände.
“Ich war sehr bewegt, als ich diesen Film sah, insbesondere im Zusammenhang mit den Ereignissen der vergangenen Woche in Deutschland”, schrieb Gaffron auf Instagram. “Ich glaube, wir halten ein mächtiges Werkzeug in den Händen, wenn wir Geschichten erzählen, und ich glaube nicht, dass es jemals eine Zeit geben wird, in der es nicht notwendig ist, sich selbst zu bilden und verantwortungsvoll mit dieser Macht umzugehen”.