Im vergangenen Jahr kam es zu katastrophalen Überschwemmungen auf dem afrikanischen Kontinent, etwa in Libyen, Somalia, Kenia und Ghana – aber auch in Indien und Europa. Gleichzeitig wüteten Waldbrände in Dutzenden Ländern. In Südeuropa, den USA und China gab es die heißesten Sommer seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Die Folgen der Klimakrise sind nicht zu übersehen. Sie forderten bereits Zehntausende Menschenleben, zerstörten wichtige Infrastrukturen und destabilisieren ganze Wirtschaftszweige. In vielen Fällen übersteigen die Kosten für den Wiederaufbau nach diesen Katastrophen bei weitem die finanziellen Möglichkeiten der betroffenen Länder, wodurch diese in Zukunft noch stärker den Auswirkungen der Klimakrise ausgesetzt sind und sich die Lebensumstände der Bevölkerung weiter verschlechtern. Zwar spüren auch wir die Auswirkungen bereits. Doch in vielen Ländern mit geringen Einkommen ist das Ausmaß um ein Vielfaches größer – ausgerechnet in denen, die weitaus weniger Emissionen erzeugen und somit weniger für die Klimakrise verantwortlich sind.
Durch die Klimaschäden in diesen Ländern, verschärft sich die globale Ungerechtigkeit weiter. Was also tun? Genau das ist die Kernfrage der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN), der COP28 in Dubai, die vom 30. November bis 12. Dezember 2023 stattfindet.
Die COP27, die im vergangenen Jahr in Scharm asch-Schaich stattfand, endete mit einer bahnbrechenden Vereinbarung: Es soll ein neuer Fonds für ‘Loss and Damage’ (Schäden und Verluste) eingeführt werden. In diesen Fonds sollen jene Länder einzahlen, die maßgeblich für die Klimakrise verantwortlich sind. Diese gelder sollen dann den Ländern zugutekommen, die am meisten unter den Folgen leiden – ohne dafür verantwortlich zu sein.
Dabei geht es um die Kosten für die Bewältigung von Klimafolgen wie extreme Stürme, steigende Meeresspiegel, schwere Dürren und verheerende Waldbrände, welche Leben, Infrastruktur und ganze Wirtschaftssektoren zerstören. Angesichts der sich verschärfenden Auswirkungen sind viele Länder finanziell überfordert und fordern globale Finanzierungsmechanismen, die auf Fairness und Solidarität beruhen.
"Der Klimawandel ist ein Problem, das durch den Ausstoß von Treibhausgasen, die durch den Lebensstil reicher Menschen entstehen, verursacht wurde und weiterhin verursacht wird", sagte Saleemul Huq, Direktor des International Centre for Climate Change and Development, gegenüber Global Citizen. "Reiche Menschen, vor allem in reichen Ländern, sind diejenigen, die die Verschmutzung verursachen, und auf der anderen Seite sind die Opfer dieser Verschmutzung die ärmsten Menschen auf dem Planeten, und das ist nicht richtig.”
"Wenn wir zu den Menschen gehören, deren CO2-Fußabdruck überdurchschnittlich hoch ist, dann sind wir für die Probleme ärmerer Menschen verantwortlich", sagte er weiter. "Wir müssen die moralische Verantwortung übernehmen. Wir müssen akzeptieren, dass es falsch ist. Und wir müssen etwas tun, um ihnen zu helfen."
Auf der COP28 geht es nun darum, genau das zu tun und die Finanzierungsvereinbarungen im Rahmen des Fonds für “Schäden und Verluste” in die Tat umzusetzen.
Was genau zählt zu “Schäden und Verlusten”?
Nach Angaben des World Resources Institute lassen sich “Verluste und Schäden” im Allgemeinen in zwei Kategorien einteilen.
Die eine betrifft wirtschaftliche Aktivitäten und Infrastruktur, die man mit einem klaren Preis beziffern kann. Wenn also beispielsweise eine Überschwemmung die landwirtschaftliche Produktion in einer Region zerstört, würde das betroffene Land die Einkommensverluste der Landwirt*innen und die daraus resultierenden Versorgungsengpässe berechnen und eine Schadenssumme nennen können.
Die zweite Kategorie bezieht sich auf Schäden, die schwieriger zu kalkulieren und in Geldbeträgen zu bemessen sind, wie etwa der Verlust von Menschenleben, Lebensräumen, Artensterben oder kulturelle Zerstörungen.
Verluste sind zudem dauerhaft, sie lassen sich nicht wiederherstellen. Schäden hingegen können wiederhergestellt oder aufgebaut werden.
3 wichtige Dinge, die man über “Loss and Damage” wissen sollte
- Mit der Diskussion rund um Schäden und Verluste wird versucht, den Einfluss der Klimakrise bei Umweltkatastrophen zu bestimmen.
- Klimakatastrophen kosten Länder bereits jetzt jährlich Hunderte Milliarden Dollar.
- Die COP28 wird die Bühne sein, auf der die Staats- und Regierungschef*innen den Loss-and-Damage-Fonds einrichten sollten.
Wie genau kam es dazu, dass die Einführung des Fonds bei der COP27 beschlossen wurde?
Beim Klimagipfel COP27 in Ägypten einigten sich die wohlhabenden Länder erstmals auf die Einrichtung eines neuen Fonds für klimabedingte Schadens- und Verlustzahlungen, um den ärmsten und am stärksten gefährdeten Bevölkerungen, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, zu helfen.
Es folgten jedoch monatelange Verhandlungen zwischen den Industrieländern und den G77-ändern des Globalen Südens, um festzulegen, wie dieser Fonds genau funktionieren soll, wer wie viel dazu beiträgt, wie er gedeckelt und wer ihn verwalten wird.
Diese Verhandlungen zogen sich bis Anfang November 2023 hin. Dann wurde schließlich ein Entwurf für ein Abkommen erzielt. Dieses Abkommen wird auf der diesjährigen COP28 verhandelt.
Beispielsweise wollten die USA das Adjektiv "freiwillig" bei jeder Erwähnung von Beiträgen zu dem Fonds hinzufügen. Andere Länder sprachen sich dafür aus, den Kreis der Beitragszahler für den neuen Fonds zu erweitern, um einigen Ländern des Globalen Südens, wie zum Beispiel Saudi-Arabien, sowie private Finanzquellen einzubeziehen, berichtet The Conversation.
Woher genau soll das Geld kommen?
Bisher ist noch ungewiss, woher die tatsächlichen Gelder für den Fonds kommen sollen, der den geschädigten Ländern versprochen wurde.
Laut The Guardian wurde über die Erschließung innovativer neuer Finanzierungsquellen für diesen Fonds diskutiert, wie etwa die Einführung von Steuern auf Öl- und Gasgewinne, Steuern auf die Schifffahrt und Abgaben auf fossile Brennstoffe.
Was müsste Deutschland beitragen?
Bis 2025 muss der jährliche Beitrag Deutschlands schrittweise auf 8 Milliarden Euro erhöht werden, was dem fairen Anteil des Landes an der internationalen Klimafinanzierung entspräche. Auch muss der Anteil der Klimafinanzierung Deutschlands für Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen deutlich erhöht werden. Die Summe von 8 Milliarden Euro muss zusätzlich zu den jährlichen 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommen für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitgestellt werden.
Warum muss die Finanzierung des Fonds über die UN laufen?
Die Finanzierung des Fonds für Verluste und Schäden kann und sollte aus vielen Quellen stammen – von Regierungen, die auf die Auswirkungen der Klimakrise im eigenen Land reagieren, von gemeinnützigen Organisationen und Philanthrop*innen, und sogar von der Zivilgesellschaft, beispielsweise durch Crowdsourcing.
Es bilden sich bereits Koalitionen, die eine multilaterale Finanzierung für Verluste und Schäden infolge der Klimakrise ermöglichen. Nach der COP26 in Glasgow gründete Schottland beispielsweise den Climate Justice Fund (Klimagerechtigkeitsfonds), der seither Dutzende Millionen Dollar von Regierungen, gemeinnützigen Organisationen, Philanthrop*innen und Unternehmen zusammengetragen hat. Die V20, eine Versammlung von Finanzminister*innen aus gefährdeten Ländern mit geringen Einkommen, hat ebenfalls einen Fonds mit diesem Ziel eingerichtet.
Doch nur durch eine globale Koordinierung, an der alle Länder beteiligt sind, können laut Saleemul Huq die erforderlichen Mittel in ausreichendem Umfang bereitgestellt werden.
Und dieser internationale Konsens kann eigentlich nur im Rahmen der UN erzielt werden, wo die Regierungen der Welt zusammenkommen, um globale Normen und Regeln auszuhandeln. Im Jahr 2015 erzielten die Länder einen Konsens über die Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen zu verringern, um einen katastrophalen Temperaturanstieg zu verhindern. Nun kann im Rahmen des Pariser Klimaabkommens ein Mechanismus zur Finanzierung von Verlusten und Schäden eingeführt werden.
Wie können Schäden und Verluste infolge des Klimas bestimmt werden?
In den vergangenen Jahren sind Wissenschaftler*innen viel besser darin geworden, die spezifische Rolle der Klimakrise bei extremen Umweltereignissen zu bestimmen.
Sie können sich einen Hurrikan ansehen und berechnen, wie stark er ohne die Folgen der Klimakrise – etwa wärmere Wasser- und Lufttemperaturen und höhere Meeresspiegel – gewesen wäre. Anschließend können sie dieses Modell mit dem realen Ereignis vergleichen und den Nettoeffekt der Klimakrise ermitteln. In diesem Bereich des "Nettoeffekts" kommen die Zahlungen für Verluste und Schäden ins Spiel.
Diese Kosten belaufen sich bereits jetzt auf Hunderte von Milliarden Dollar pro Jahr und werden mit der Verschärfung der Klimakrise exponentiell ansteigen. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Deloitte könnten die Klimaauswirkungen die Weltwirtschaft in den nächsten 50 Jahren 178 Billionen Dollar kosten.
Was können Global Citizens tun?
Als Global Citizen kannst du über unsere Webseite oder in der App an Aktionen teilnehmen und damit etwa Staats- und Regierungschef*innen dazu auffordern, dass sie auf der COP28 und darüber hinaus sinnvolle Maßnahmen rund um die Klimakrise ergreifen.