Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 24. September aktualisiert, um Mottleys Kommentare beim Global Citizen Festival 2022 mit aufzunehmen. 

Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, forderte das internationale Finanzsystem in einer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) am vergangenen Donnerstag auf, erdrückende Staatsschulden zu erlassen und auszusetzen. Zudem forderte sie, neue Finanzmittel in Höhe von Billionen US-Dollar freizusetzen, um einkommensschwache Länder bei der Bewältigung der zahlreichen aktuellen Krisen zu unterstützen. 

Mottley kritisierte die unfairen Zinssätze und Finanzblockaden, die armen Ländern auferlegt werden und forderte die multilateralen Finanzinstitutionen – darunter den internationalen Währungsfonds und die Weltbank – Banken und kreditgebenden Länder auf, die Schuldenrückzahlungsprogramme als Reaktion auf die Klima-, Hunger-, Energie- und Armutskrise umzustrukturieren. 

Sie führte historische Beispiele für den Schuldenerlass an, um zu zeigen, dass derselbe Ansatz auch heute verfolgt werden kann und sollte – insbesondere wenn die Menschheit die Global Goals der Vereinten Nationen erreichen will. 

"Wenn eine Katastrophe zuschlägt, gibt es einen Moment, in dem sich die Welt versammelt und Zuschüsse und konzessionäre Mittel fließen", sagte Mottley. "Wir wissen jedoch, dass ein Dollar, der vorher in den Aufbau von Widerstandsfähigkeit investiert wird, später sieben oder acht Dollar wert ist und viele Leben rettet. Daher ist es sinnvoll, klimatisch gefährdeten Ländern einen begrenzten Zugang zu konzessionärer Finanzierung zu gewähren, damit sie sich anpassen und Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit aufbauen können", erklärte sie weiter. 

Mottley wies darauf hin, dass insbesondere ihr Land, der mittelamerikanische Instelstaat Barbados, Zugang zu 18 Prozent seines Nationaleinkommens hätte, um Katastrophen zu bekämpfen, wenn es nicht mit der Rückzahlung von Schulden belastet wäre. Anstatt Banken und Länder, die sich das Warten leisten können, zu entschädigen, könnte das Geld stattdessen verwendet werden, um Armut in Barbados zu lindern, Gemeinden bei der Anpassung an die Klimakrise zu unterstützen, den Übergang zu erneuerbaren Energien zu finanzieren und das öffentliche Gesundheitssystem zu stärken. 

Barbados hat nur wenig zur Klimakrise beigetragen, ist in besonderem Maße von den Auswirkungen wie dem Anstieg des Meeresspiegels und extremen Stürmen betroffen. Wie viele andere verfügt der Inselstaat nicht über genügend notwendige Ressourcen, um die Risiken wirksam zu mindern und sich an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen.

In den letzten sieben Jahren haben extreme Stürme die karibischen Inselstaaten nach Angaben der Vereinten Nationen wirtschaftlich sechsmal stärker beeinträchtigt als größere Länder. Bei der Bewältigung dieser eskalierenden Katastrophen bleibt weniger Geld für grundlegende staatliche Dienstleistungen und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung übrig. 

Die Premierministerin hob die einzigartige Rolle hervor, die die Sonderziehungsrechte (SZR) des Internationalen Währungsfonds bei der Erschließung von Finanzmitteln für einkommensschwache Länder spielen können. SZR sind eine besondere Finanzierungsquelle, die der IWF in Zeiten finanzieller Instabilität anzapft. Während der COVID-19-Pandemie wurden 650 Milliarden US-Dollar (rund 671 Milliarden Euro) über SZR ausgezahlt.

Dieses Finanzierungssystem ist jedoch regressiv strukturiert -– statt an die Länder zu gehen, die die Mittel am dringendsten benötigen, gehen sie meist an reiche Länder, die dann auf den Geldern sitzen bleiben und zwar auf unbestimmte Zeit. 

Gemeinsam mit Partnern und anderen Befürworter*innen hat Global Citizen die reichen Länder aufgefordert, ihre SZR umzuverteilen, um einkommensschwache Länder bei der Bewältigung der Pandemie, der Klimakrise und anderer Herausforderungen zu unterstützen.

"Alles, was wir verlangen, ist, dass wir tun, was wir können – jetzt", sagte Mottley. 

Mottley forderte die Kreditgeber weltweit auf, "nationale Katastrophen- und Pandemieklauseln" in die Schuldenpakete aufzunehmen, um in Notfällen eine vorübergehende Erleichterung zu schaffen, damit alle verfügbaren Mittel zur Bewältigung der Krise eingesetzt werden können. 

In den letzten Jahren hat sich Mottley als eine der eloquentesten, leidenschaftlichsten und einfallsreichsten Verfechterinnen einer neuen Weltordnung profiliert. Sie hat den Anspruch, die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit und der Gegenwart zu beseitigen und eine neue Grundlage für globale Fairness und Wohlstand zu schaffen. 

Sie ist zwar eine Befürworterin von Reparationen, aber die Maßnahmen, die sie in ihrer UN-Rede forderte, würden die reichen Länder mit kolonialer Vergangenheit nicht belasten; sie würden es den einkommensschwachen Ländern einfach ermöglichen, Zugang zu ihrem Geld zu haben und ein faires Stück vom internationalen Finanzierungskuchen zu bekommen.  

Am Freitag vertiefte sie dieses Thema und wetterte gegen Ungerechtigkeiten in einer Rede zur Eröffnung einer Vortragsreihe, die von der Kofi Annan Foundation, Open Society Foundations und International Crisis Group veranstaltet wurde.

"Es schafft kein Vertrauen, wenn Länder 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung zusagen und dann nur einen Bruchteil davon an einkommensschwache Länder weitergeben", sagte sie. "Oder wenn sie sich zu 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als öffentliche Entwicklungszusammenarbeit verpflichten, wir aber nichts davon sehen oder bekommen; wenn die Länder, die andere von der Ausbeutung neu entdeckter fossiler Brennstoffe abhalten, historisch gesehen die größten Produzenten und Verschmutzer der Welt sind.”

“Aus der Glut der COVID-19- und der Klimakrise, aus den Unzulänglichkeiten und Mängeln des bestehenden internationalen Systems, auf Wunsch der globalen Familie nach Integration, ausgehend von der Notwendigkeit von Kapitalinvestitionen, Gesundheitssystemen und technologischem Zugang, die den Menschen in den Mittelpunkt der Entwicklung stellen, sind wir jetzt gefordert, das zu überprüfen, was wir bisher aufgebaut haben, zu überlegen, was ist und zu entwerfen, was sein muss."

In ihrer Rede vor der UN-Generalversammlung am Donnerstag berief sich Mottley auf die visionären Dichter Rumi und Derek Walcott, als sie die Staats- und Regierungschef*innen der Welt aufforderte, ihre Vorurteile abzulegen, um den Status quo klar zu sehen und eine bessere Zukunft zu wählen. 

"Diese wenigen Dinge werden die Farbe des Geldes verändern, die Blockade zwischen den Ländern überwinden und einen neuen und echten Internationalismus für alle, reich und arm, Nord und Süd, Ost und West, schaffen", sagte sie. 

“Wer wagt es also, seinen Namen auf die Seite der Geschichtsbücher zu schreiben?"

Mottley wiederholte diese Gedanken bei ihrem Auftritt beim Global Citizen Festival im Central Park am Samstag, dem 24. September. Sie erwähnte Ereignisse aus jüngster Zeit, in denen Länder den Preis für die Handlungen reicherer Länder zahlen mussten, wie die Überschwemmungen in Pakistan sowie die Auswirkungen des Hurrikans Fiona auf Puerto Rico, Guadeloupe, die Turks- und Caicosinseln und Bermuda.

"Meine Freund*innen, dies ist der Beweis dafür, dass die Klimakrise real ist und dass sie vom Menschen verursacht wird", sagte Mottley vor 60.000 Global Citizens und weiteren Zuschauer*innen von Zuhause. "Wir müssen die Staats- und Regierungschef*innen der Welt überzeugen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Ländern zu helfen, die es am nötigsten haben. Ich habe letztes Jahr gesagt, dass dies ein Todesurteil für uns ist. Und die Krisen werden sich nur noch vervielfachen.

"Deshalb stehe ich heute hier und spreche direkt zu den Mächtigen der reichen Nationen, aber durch euch, denn ihr habt die Macht.”

Advocacy

Armut beenden

Mia Mottley, Premierministerin von Barbados, fordert Schuldenerlass & eine faire Finanzierung zur Bekämpfung der globalen Krisen

Ein Beitrag von Joe McCarthy