Der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht der Vereinten Nationen (UN) stellt die alles entscheidende Frage: Wird die Weltgemeinschaft es schaffen, die Agenda 2030 in dem gesetzten Zeitraum umzusetzen? Oder müssen wir sie umbenennen – etwa in Agenda 2100?
Die globalen Entwicklungsziele sind ambitioniert. Sie sollen Ländern weltweit als Kompass dienen, um bis 2030 eine Welt zu ermöglichen, in der laut António Guterres, Generalsekretär der UN, “alle Menschen am Wohlstand teilhaben und auf einem gesunden Planeten ein produktives, lebendiges und friedliches Leben führen können.” Dieses Vorhaben wird in Anbetracht der wachsenden Weltbevölkerung zu einer existenziellen Notwendigkeit: 8,5 Milliarden Menschen könnten 2030 auf unserer Erde leben.
Ambitioniert oder utopisch?
Um allen Menschen ein Leben in Sicherheit zu gewährleisten, müssen in vielen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens Fortschritte realisiert werden. Die Agenda 2030 hat diese Bereiche zu 17 Zielen zusammengefasst, zu der sich 2015 alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet haben.
Nun ist er da: Der Nachhaltigkeitsbericht, der offenlegt, wie viel sich seitdem tatsächlich getan hat. Er wurde von einem unabhängigen Team aus 15 Forscher*innen unterschiedlicher Disziplinen erstellt, die sowohl aus Entwicklungs- als auch aus Industrieländern kommen. Die Ergebnisse ihres Berichts “The Future is Now: Science for Achieving Sustainable Development” sollen auf dem Gipfeltreffen zu den globalen Entwicklungszielen vom 24. bis 25. September in New York vorgestellt werden.
Die eingangs gestellte Frage beantworten die Wissenschaftler*innen folgendermaßen: Ja, wir können die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung erreichen. Dafür müssen wir allerdings auf internationale Kooperationen, wissenschaftliche Forschung und technologische Lösungen setzen. Das erfordere ein fundamentales Umdenken des Menschen im Umgang mit der Natur, eine signifikante Reduzierung von sozialen Ungleichheiten und eine umfangreiche Förderung der Geschlechtergleichstellung weltweit.
Für die Umsetzung dieser ehrgeizigen Ziele bleiben uns rund 10 Jahre. Wir haben uns den Fortschritt bei drei Kernzielen oder “Sustainable Development Goals” (kurz: SDGs) der Agenda 2030 genauer angeguckt.
SDG 1: Keine Armut
Die gute Nachricht: Extreme Armut nimmt weltweit weiterhin ab. Die schlechte Nachricht: 2030 wird es laut der Prognosen des aktuellen Nachhaltigkeitsberichts noch immer Menschen geben, die unter der Armutsgrenze leben müssen. Diese Menschen haben jeden Tag weniger als 1,90 USD zur Verfügung – und das, obwohl sie oft hart für ihr Geld arbeiten und Familien ernähren müssen.
Dies betrifft vor allem Menschen, die in Regionen in Afrika südlich der Sahara leben: mehr als ein Drittel aller Beschäftigten leben hier am Existenzminimum. Zudem sind es ländliche Regionen, Krisengebiete, sowie Regionen, die von Naturkastratrophen heimgesucht wurden und Kinder, die extremer Armut besonders ausgesetzt sind.
Das muss sich ändern: Noch immer haben über 55 Prozent der Weltbevölkerung keinen Zugang zu einem angemessen Sozialschutz. Der Ausbau von Sozialschutzprogrammen ist daher unerlässlich, um extremer Armut einerseits vorzubeugen und Menschen zu helfen, diese zu überwinden. Zu einem solchen Sozialsystem gehören Versorgungsmechanismen wie eine angemessene Altersrente, Arbeitslosengeld, Invalidenschutz und Mutterschutzgeld.
Ein weiterer Faktor, der im Kampf gegen extreme Armut zentral wird, ist die Eindämmung des Klimawandels. Denn weltweit fordern klimabedingte Katastrophen wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe – und Millionen von Menschenleben. Die Auswirkungen des Klimawandels treffen vor allem die Schwächsten. In den vergangenen Jahrzehnten ereigneten sich acht der zehn Katastrophen mit den größten wirtschaftlichen Schäden (gemessen am BIP) in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.
SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen
Die gute Nachricht: Bei dem Ziel “Ein gesundes Leben für Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern” fallen die Prognosen für 2030 positiv aus. Dank der Arbeit von Bevölkerungsprogrammen und weltweiten Impfaktionen gingen beispielsweise zwischen 2000 und 2017 die Todesfälle durch Masern um 80 Prozent zurück. Nigeria gilt seit August 2019 offiziell als poliofrei. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren sank seit 2000 von 9,8 Millionen auf 5,4 Millionen im Jahr 2017.
Die schlechte Nachricht: 2017 traten in den zehn am stärksten von Malaria betroffenen Ländern Afrikas ca. 3,5 Millionen mehr Malariafälle auf als im Vorjahr. Zudem sterben noch immer Millionen Mütter weltweit an Komplikationen vor oder während der Geburt.
Das muss sich ändern: Um das Wohlergehen und die Gesundheit aller Menschen und zukünftiger Generationen zu sichern, muss die Impfrate auf Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in allen Ländern der Welt bei mindestens 95 Prozent liegen. Außerdem sind Dauerinvestitionen in die Müttergesundheit erforderlich.
Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) setzt sich dafür ein, dass mehr Frauen Zugang zu Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe erhalten. Damit die Müttersterblichkeitsrate bei steigenden Bevölkerungszahlen weiterhin sinkt, müssen Geberländer wie Deutschland ihre Investitionen aufrecht erhalten.
Aber auch umweltgesundheitliche Krankheiten wie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankung, die durch die steigende Luftverschmutzung weltweit begünstigt werden, nehmen zu. Umweltschutz und der Umstieg auf erneuerbare Energien wird für die menschliche Gesundheit in Zukunft wichtiger denn je.
SDG 5: Geschlechtergleichstellung
Die gute Nachricht: Das wachsende Bewusstsein für die Relevanz der Geschlechtergleichstellung führt dazu, dass sich die Welt für Frauen und Mädchen zum Besseren verändert. Der Frauenanteil in Führungspositionen und in Parlamenten weltweit steigt. Immer mehr Mädchen werden über ihre reproduktiven Rechte aufgeklärt.
Die schlechte Nachricht: Das ist nicht genug. 18 Prozent der Frauen und Mädchen zwischen 15 und 49 Jahren waren in den vergangenen 12 Monaten physischer oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Weltweit stellen Frauen 39 Prozent der Erwerbsbevölkerung, aber nur 27 Prozent aller Führungskräfte. Und noch immer werden über 200 Millionen Mädchen und Frauen weltweit Opfer von Genitalverstümmelung.
Das muss sich ändern: Das Durchführen von Kinderehen muss weltweit verboten und unter Strafe gestellt werden. Frauen verbringen im Vergleich zu Männern täglich rund dreimal so viel Zeit mit unbezahlter Betreuungs- und Hausarbeit und können ihren Beruf daher oft nur in Teilzeit ausüben. Dadurch steht ihnen grundsätzlich weniger Geld zur Verfügung.
Aufgabenbereiche wie Kinderbetreuung oder das Pflegen älterer Familienangehöriger müssen künftig gerechter unter den Geschlechtern aufgeteilt und angemessen finanziell und beruflich unterstützt werden. Gesetzeslücken zu Frauenrechten müssen weltweit geschlossen werden. Zudem müssen Gesellschaften weiterhin daran arbeiten, stereotype Geschlechterrollen abzubauen.