Nigeria hat es geschafft: In den vergangenen drei Jahren hat das Land keine einzige Infektion mit wildem Polio mehr verzeichnet. In der Geschichte dieser hochansteckenden Krankheit, die zu lebenslangen Lähmungen führen kann, ist dieser Erfolg ein wichtiger Meilenstein.
Nigeria war das letzte afrikanische Land, das das wilde Poliovirus noch nicht besiegt hatte. Um offiziell als poliofrei zu gelten, dürfen in einem betroffenen Land mehr als drei Jahre keine neuen Krankheitsfälle auftreten. Dank dieses Erfolgs steht nun der gesamte afrikanische Kontinent kurz davor, von der Africa Regional Certification Commission (ARCC) offiziell als poliofrei zertifiziert zu werden.
“Drei Jahre lang keinen Poliofall zu haben, gibt uns das Selbstbewusstsein, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um das Poliovirus [endgültig] einzudämmen“, sagt Tunji Funsho, Vorsitzender des National PolioPlus-Programms von Rotary International in Nigeria, gegenüber Global Citizen.“Aber bis zur [offiziellen] Zertifizierung bleibt noch einiges zu tun.“
Derzeit kommt es in Nigeria jedes Jahr noch zu vereinzelten Fällen von Infektionen mit sogenannten vakzine-abgeleiteten Polioviren (VDPV). Bei einer Impfung gegen Polio mit dem Lebendimpfstoff kann es vorkommen, dass sich einige Viren in abgeschwächter Form über den Stuhl der geimpften Person wieder verbreiten. Dies kann vor allem in Ländern mit geringeren Impfraten und mangelhaften sanitären Einrichtungen zu Infektionen führen.
Dass das wilde Poliovirus allerdings in den vergangenen drei Jahren in Nigeria nicht mehr aufgetaucht ist, ist dem Einsatz der nigerianischen Regierung, des Gesundheitspersonals, der Geldgeber, Kooperationspartner und Impfaktivist*innen zu verdanken.
“Wir müssen wachsam bleiben bis die [ganze] Welt als poliofrei gilt, weil bis dahin […] jedes ungeimpfte Kind der Gefahr ausgesetzt ist, durch das Poliovirus gelähmt zu werden“, sagt Funsho.
Seit drei Jahren gab es in #Nigeria keinen neuen Fall von Kinderlähmung. Damit steht die Seuche in #Afrika kurz vor der Ausrottung. Wir haben mit unserer Unterstützung für die Globale Initiative zur Ausrottung von #Polio dabei geholfen. #endpolio Mehr hier https://t.co/pdMJAXJaSIpic.twitter.com/u206DrZ7rO
— BMZ Bund (@BMZ_Bund) August 21, 2019
Noch vor wenigen Jahrzehnten stellte Polio eine Bedrohung für tausende Menschenleben um den gesamten Globus dar. Als die “Globale Initiative zur Ausrottung von Polio“ (GPEI) 1988 gegründet wurde, wurden jedes Jahr noch über 350.000 Poliofälle weltweit registriert.
Die GPEI wird von nationalen Regierungen in Unterstützung mit den fünf Hauptpartnern – der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Rotary International, den US-amerikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC), dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und der Bill & Melinda Gates Stiftung – geleitet.
Dank globaler Gesundheitsinitiativen, politischen Verpflichtungen von Regierungen und den Aktionen der GPEI konnte die hochansteckende Krankheit weltweit zu 99,9 Prozent ausgerottet werden. Heute kommt Polio nur noch endemisch in zwei Länder vor: Afghanistan und Pakistan.
Sollte der Zertifizierungsprozess für Nigeria weiterhin erfolgreich verlaufen, könnte Afrika bis Mitte 2020 offiziell als poliofrei gelten. Danach würden sich die gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen Polio auf Afghanistan und Pakistan fokussieren, so Funsho.
“Das bedeutet allerdings nicht, dass wir uns komplett von Nigeria abwenden können, denn auch hier ist die Impfrate noch nicht hoch genug“, sagt er.
Funsho sagt voraus, dass die derzeitigen Bemühungen im Kampf gegen Polio trotz des jüngsten Erfolgs in Nigeria in den kommenden Jahren nicht nachlassen werden. Denn das ursprüngliche Ziel bleibt bestehen: Jedes einzelne Kind auf dieser Welt vor dem Virus zu schützen.
Dank der über 20 Millionen Freiwilligen, den Investitionen in Höhe von 14 Milliarden US-Dollar und der Beteiligung von 200 Ländern weltweit, kann die GPEI jedes Jahr über 400 Millionen Kinder impfen und über 70 Länder überwachen.
Damit Polio ein für alle Mal der Vergangenheit angehört, müssen die gemeinsamen Impfprogramme aufrechterhalten und ausgebaut werden. Bei der im November 2019 stattfindenden GPEI-Versammlung verkünden Regierungen, wie hoch ihr Beitrag für die Initiativen der GPEI in den kommenden Jahren sein wird.
Für ihre neue “2019-2023 Endgame Strategy“ versucht die GPEI eine Finanzierungssumme in Höhe von 3,27 Milliarden USD bereitzustellen. Diese Fördergelder sollen dann insbesondere in die Möglichkeiten der GPEI fließen, die Kinder mit Impfstoffen zu versorgen, die durch anhaltende Konflikte und Krisen derzeit am schwierigsten zu erreichen sind.