In einer einzigen pakistanischen Stadt haben sich mehr als 500 Kinder innerhalb kürzester Zeit mit HIV infiziert. Ein Gemeindearzt wurde bereits dafür schuldig gesprochen, kriminell und medizinisch fahrlässig gehandelt zu haben. Dieser Vorfall offenbart jedoch auch weitreichende Probleme im gesamten Gesundheitssystem der Region.
Die zahlreichen Neuinfektionen ereigneten sich in Rato Dero, einer Stadt in der südöstlichen Provinz Sindh. Aufgedeckt wurde dies von einer Kinderärztin, die im April 2019 bei acht Kindern anhaltendes Fieber festgestellt hatte. Bei anschließenden Untersuchungen zeigte sich, dass alle acht Kinder HIV-positiv waren. Da befürchtet wurde, dass sich die Krankheit weiter ausbreiten könnte, wurde ein Screening-Programm durchgeführt, durch das weitere 700 Neuinfektionen ans Licht kamen.
“Etwa 681 Menschen, von denen 537 Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren sind, wurden bis gestern in Rato Dero als HIV-positiv getestet", sagte Pakistans Gesundheitsberater Zafar Mirza am Sonntag vor Journalist*innen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad.
Vergangene Woche wurde der Gemeindearzt Muzaffar Ghangharo festgenommen, nachdem er mehrere der Kinder kurz vor der Diagnose noch behandelt hatte. Der Verdacht: Er soll die jungen Patient*innen absichtlich mit dem Virus infiziert haben.
HIV is not a death sentence. The conflation of HIV & AIDS is fueling stigmatization of the most vulnerable people in Pakistan. This can not & should not be tolerated. I stand by my fellow Pakistanis who have contracted HIV, be they in Ratodero, Swabi, Sargodha or Turbat. pic.twitter.com/3cQ9sBey4h
— BilawalBhuttoZardari (@BBhuttoZardari) 26. Mai 2019
Wenige Tage später wurde diese Anklage gegen Ghangharo fallen gelassen, dafür wurde der Arzt für fahrlässiges kriminelles Handeln verurteilt. Obwohl sich die Schuldzuweisungen auf Ghangharo fokussierten, machen Einwohner*innen die unzureichende Gesundheitsversorgung der Region für das Scheitern einer Eindämmung der Infektionskrankheit verantwortlich.
Wie National Public Radio (NPR) berichtet, gibt es in der Provinz erschreckend viel ungeschultes Personal, die ihre Dienste anbieten oder sich als günstige Ärzt*innen ausgeben. Diese Dienste werden vor allem deshalb in Anspruch genommen, weil das staatliche Gesundheitssystem für viele nicht bezahlbar ist.
Die unqualifizierten “Ärzt*innen”, von denen es in der Provinz ca. 270.000 geben soll, ist dafür bekannt, Spritzen wiederzuverwenden und Bluttransfusionen nicht wie vorgesehen durchzuführen.
“Um Geld zu sparen, behandeln diese Quacksalber mehrere Patient*innen mit ein und derselben Spritze. Dieses Vorgehen könnte der Hauptgrund für die Verbreitung von HIV sein“, sagte Sikandar Memon, Leiter der regionalen Aktion “Sindh Aids Control Program”, laut Nachrichtenmagazin Al Jazeera.
Das “Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS“ gibt an, dass die Zahl der Neuinfektionen in Pakistan seit 2010 um 45 Prozent angestiegen ist – was der höchsten Anstiegsrate in ganz Asien entspricht. Allein in 2017 wurden weitere 20.000 Infektionen gemeldet.
Von den landesweiten 150.000 Einwohner*innen, die HIV-positiv sind, lebt fast die Hälfte in der Provinz Sindh.
Um einer wachsenden Verbreitung der Krankheit entgegenzuwirken, hat die Regierung von Sindh bekanntgeben, dass sie in Zukunft mit Hilfe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Vereinten Nationen umfangreiche öffentliche Aufklärungskampagnen durchführen und kostenlose HIV-Screenings anbieten, sowie drei neue Behandlungszentren einrichten und gegen unautorisierte Arztpraxen vorgehen wird.
Laut NPR wurden in den vergangenen drei Wochen bereits 147 solcher illegalen Kliniken geschlossen.