Der Niederländer Boyan Slat ist erst 22 Jahre alt und trotzdem schon Millionen auf der Welt als Erfinder und Wissenschaftler bekannt. Was seine Erfindung ist? Boyan will den größten schwimmenden Müllhaufen mitten im Pazifik, den 'Great Pacific Garbage Patch', aufräumen. Und das macht er nicht, in dem er sich in einen Schwimmanzug zwängt und mit einer Handvoll Mülltüten rausschwimmt (was, nur mal so am Rande erwähnt, bei der unvorstellbaren Größe dieses Müllhaufens auch nicht möglich wäre).

Nein, seine Pläne sind ein klein wenig innovativer. Sagte ich klein? Sagen wir besser: gewaltig! Und jetzt soll es sogar früher als erwartet losgehen. Das Projekt steht schon in den Startlöchern.

Was ist der Great Pacific Garbage Patch?

Jedes Jahr finden acht Millionen Tonnen Plastikmüll ihren Weg in unsere Ozeane. Schätzungen errechnen, dass das ca. 5,25 Trillionen Plastikteile ergibt, die aufgrund der Meeresströmung in einem riesigen Wirbel im und auf dem Wasser schwimmen. Einer dieser Wirbel ist der Nordpazifikwirbel oder auch Great Pacific Garbage Patch.

Wo kommt das Plastik her?

Von überall. Der Großteil des Plastikmülls wird über Flüsse ins Meer geschwemmt. In vielen Ländern existieren Mülldeponien und Müllkippen irgendwo in der Wildnis direkt an Flüssen, Sümpfen oder in Küstennähe. Die Schifffahrt produziert Müll, aber genauso auch der Tourismus. Unter Meeres-Plastikmüll versteht man wirklich alles, was aus Plastik hergestellt werden kann, allen voran aber Plastiktüten, Wasserflaschen, Einwegrasierer, CD-Hüllen, Eimer, Kabeltrommeln, Zahnbürsten, Feuerzeuge und und und.   

Warum ist Plastik so beliebt?

Erstens ist es recht billig in der Herstellung. Zweitens ist es je nach Einsatz sehr leicht. Man denke mal an das Gewicht einer Plastikflasche, einer Einkaufstüte oder aber einer Tupperware Dose. Damit ist es einfach zu handhaben und flexibel einsetzbar. Außerdem ist es langlebig. Sehr langlebig. SEHR langlebig.

Plastikflaschen zum Beispiel benötigen laut Umweltbundesamt 450 Jahre für ihre Zersetzung, ein Fischfang-Nylonnetz sogar 600 Jahre. 600 Jahre! Und von diesen Netzen landen jedes Jahr 25.000 Stück irgendwo im Meer.

Diese Kombination – der hohe Gebrauch von Plastik und der gedankenlose Umgang damit – ist der Hauptgrund dafür, dass unsere Meere sich nach und nach zu Müllkippen entwickeln. Wir haben inzwischen mehr Plastik produziert, als wir und unsere kommenden sechs Generationen je brauchen werden.

Inzwischen ist also klar: wir haben ein Müllproblem in unseren Weltmeeren. Was weniger klar ist, ist, wie man das Problem lösen kann.

Einige Stimmen sagen, dass der Great Pacific Garbage Patch (der Größte unter den Müllstrudeln) doppelt so groß sein soll wie Nordamerika.

Versuche aus der Vergangenheit, ihn zu säubern, haben bisher nicht viel Erfolg gebracht. Das Problem ist so groß, dass die meisten Wissenschaftler*innen resigniert aufgegeben haben. Kein Wunder also, dass Politiker*innen und Regierungen inzwischen dazu übergegangen sind, den Schaden so gering wie möglich zu halten, statt eine echte Lösung für die Krise zu finden. 

Den Plastikmüll zu regulieren und bessere Recyclingsysteme zu schaffen, ist definitiv ein guter Schritt, aber die allumfassende Lösung kann es nicht sein, denn der Plastikmüll hat einfach zu viele schwerwiegende Konsequenzen. Jedes Jahr sterben Millionen Lebewesen daran.

Je länger das Plastik im Meer schwimmt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nach und nach in kleine Teilchen zersetzt, bis letztendlich Mikroplastikteilchen bis zu unter einem Millimeter entstehen, die es nahezu unmöglich machen, diese aus dem Meer zu fischen.

Es steht also nicht nur das Leben im Meer auf dem Spiel, sondern unser aller. Denn das Meer ist das wichtigste Ökosystem auf unserem Planeten.

Boyans Lösung

Boyan arbeitet nicht erst seit gestern an der Umsetzung seiner Idee. Seine Pläne haben bereits mehrere Jahre Prüfung und Überarbeitung durchlaufen, sowie Unterstützung von externen Expert*innen und Organisationen. Sein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden nennt sich bezeichnenderweise 'The Ocean Cleanup'.

Und wie sieht der Plan konkret aus?

Boyan macht sich die natürliche Strömung des Meeres zunutze. Er will ein V-geformtes Areal durch schwimmende Barrieren bauen, in das das auf dem Wasser schwimmende Plastik durch die Strömung hineingetrieben wird. Im Zentrum wird der Plastikmüll dann gesammelt und alle sechs Wochen von einem Schiff eingesammelt, der den Müll wieder an Land bringt. Der Vorteil dieser Methode ist, dass dadurch keine Meeresbewohner mit eingefangen werden.

So ein großes Vorhaben zieht natürlich auch Gegenstimmen auf sich, die meinen, dass Boyans Vorhaben nicht da andockt, wo das Problem herkommt, nämlich auf dem Land, bei den Produzent*innen und Verbraucher*innn von Plastik. Da sollte man doch seine Erfindung viel lieber in den Flüssen einsetzen, die das Plastik dann in die Meere transportieren. Boyan lässt sich aber nicht abschrecken. Er würde gerne beides sehen und sagt: "Wir müssen Plastik daran hindern, in die Ozeane zu gelangen. Wir müssen aber auch das aufräumen, was schon in den großen Wirbeln dort draußen schwimmt.”

Das Projekt sollte eigentlich erst 2020 starten. In einer Pressekonferenz im Mai gab Boyan nun bekannt: "Leider können wir dieses Versprechen nicht einhalten", um dann dramatisch hinzuzufügen, "Das erste Säuberungssystem wird schon in den nächsten zwölf Monaten gestartet.”

Denn in den letzten Jahren konnte ‘The Ocean Cleanup’ stolze 31 Millionen US-Dollar an Spenden einnehmen. Einer der Spender*innen war der Silicon-Valley-Unternehmer Peter Thiel, der zusammen mit Elon Musk das Online-Bezahlsystem PayPal gründete und Facebook schon von der ersten Stunde an unterstützte.

Boyan geht davon aus, dass er in den nächsten fünf Jahren die Hälfte des Plastikmülls aus dem Great Pacific Garbage Patch fischen kann. Nicht auszumalen! Die Pläne des 21-Jährigen sind revolutionär im Vergleich zu den bisherigen Unternehmungen, die ganze 79.000 Jahre brauchen würden, den Müllstrudel zu beseitigen.

Eins sollte klar sein: unsere Meere und alle Meeresbewohner sind in höchster Gefahr und brauchen uns mehr denn je. Und während Boyan und sein Team ihr Bestes geben, die Ozeane von Müll zu befreien, sollten wir alle unser Bestes geben, das Problem vom anderen Ende anzugehen: die Meere nicht wie Müllkippen behandeln und einfach weniger Müll produzieren.

Editorial

Umwelt schützen

22-Jähriger will Ozean von Plastikmüll säubern. Und er ist auf dem besten Weg

Ein Beitrag von Joe McCarthy