Was bereits in ihren jungen Jahren begann, ist für Zoë Kelland mittlerweile zum Beruf geworden: Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Sie wuchs in einem Vorort in Bristol im Südwesten Englands auf und kann sich noch gut daran erinnern, wie sich ihre Eltern stets für den guten Zweck stark machten – vor allem für den Artenschutz und die Umwelt. Ihr Vater war zudem als Treuhänder bei einer Wohltätigkeitsorganisation aktiv, die sich für den Schutz von Walen und Delfinen engagiert.
Als Zehnjährige baute Zoë zusammen mit ihrer Schwester einen Stand vor ihrem Elternhaus auf und versuchte, ihren Nachbar*innen selbstgemachten Schlammkuchen aus der Sandkiste zu verkaufen – in der Hoffnung, mit dem Erlös genug Geld für eine Delfinpatenschaft zusammenzubekommen.
Diese Anekdote ist nicht nur bezaubernd, sondern veranschaulicht auch die Art von Einfallsreichtum und Optimismus, mit der Zoë jedes Problem und jede Ungerechtigkeit angeht, die ihr begegnet.
Heute ist sie Digital Campaigns Direktorin bei Global Citizen. Damit leitet Zoë eine Abteilung, die für die Kampagnen- und Advocacy-Arbeit von zentraler Bedeutung ist. Denn diese setzt sich maßgeblich dafür ein, dass Global Citizens weltweit ihre Stimme erheben und Maßnahmen ergreifen, um extreme Armut bis 2030 zu beenden.
"Wir fungieren als Verbindung zwischen Ansprechpartner*innen aus der Politik, der Interessenvertretung und der Regierung – die sich intensiv mit den Bedingungen befassen, die es für einen systemischen Wandel braucht – sowie zwischen der Öffentlichkeit und der Global Citizen Bewegung", sagt Zoë. "Bei unserer Arbeit geht es darum, die Menschen dort draußen bestmöglich für diese Themen zu begeistern und es ihnen zu ermöglichen, ihre Stimme so zu nutzen, dass sie eine Veränderung bewirken können.”
Das eigentliche Sprungbrett zum Aktivismus nahm Zoë, als sie 18 Jahre alt war. Zwischen der Oberstufe und der Universität nahm sie sich eine Auszeit, um sechs Monate lang als ehrenamtliche Lehrerin an einer staatlichen Grundschule in Nakuru, der viertgrößten Stadt Kenias, Ostafrika, zu arbeiten.
“Das war großartig, aber zeitweise auch sehr schockierend für jemanden wie mich, die noch nie zuvor in einem Land mit einer so hohen Armutsrate gewesen war”, sagt sie. In Nakuru unterrichtete sie jeden Tag eine Klasse aus 65 Schüler*innen, vor allem in der englischen Sprache.
Die Schule war noch recht neu – sie wurde sieben Jahre zuvor von einer Gruppe “großartiger” Lehrer*innen gegründet, die damit auf das Defizit an Schulen in der Region reagierten. Unter ihnen waren die Schulleiterin Joseph Karanja, ihre Stellvertreterin Florence Karani und die leitende Lehrerin Serah Chiuri.
”Sie haben die Klassenzimmer im wahrsten Sinne des Wortes mit ihren bloßen Händen aus Lehm gebaut, um ihren Schüler*innen Räume bereitzustellen”, sagt Zoë.
Sieben Jahre lang haben Lehrer*innen und Eltern dafür gekämpft, diese Schule in einen Ort zum Lernen zu verwandeln, auf den man stolz sein kann. Zu der Zeit, in der Zoë als Freiwillige hinzu kam, waren zu den sechs ursprünglichen Klassenzimmern bereits fünf weitere aus Stein hinzugekommen.
Doch um weiterhin wachsen zu können und mehr Kindern die Chance auf Bildung zu ermöglichen, brauchte die Schule Geld. Deshalb startete Zoë gemeinsam mit den anderen Freiwilligen Rebecca Siddall und Annemarieke Blankestein eine Spendenaktion – mit Erfolg. Was mit einem Projekt begann, ist nun zu der Wohltätigkeitsorganisation Nakuru Children’s Project herangewachsen, die Zoë gemeinsam mit Karani, Chiuri, Karanja, Siddall und Blankestein gegründet hat.
Die NGO arbeitet mit staatlichen Schulen zusammen, um bedürftige Kinder in jeder Phase ihrer Ausbildung zu unterstützen. Dafür stellen sie kostenlose Mahlzeiten zur Verfügung, bauen Klassenräume, bezahlen Schulgebühren und stellen Hilfe für Kinder mit besonderen Bedürfnissen bereit.
Heute, zehn Jahre später, hat das Nakuru Children’s Project bereits über 2.000 Kindern geholfen – indem sie etwa 330.000 Schulmahlzeiten bereitgestellt haben, 148 Kindern die Sekundarschule ermöglichten, 20 Klassenzimmer und weitere Räume gebaut und ein spezielles Team für Kinder mit besonderen Lernbedürfnissen aufgestellt haben, das momentan 42 Kinder unterrichtet.
Es ist nicht leicht, einen Vollzeitjob und die Leitung einer NGO unter einen Hut zu bekommen, sagt Zoë. ”Keiner, der an der Organisation der Projekte beteiligt ist, bekommt ein Gehalt. Wir bezahlen nur unsere Sozialarbeiter*innen und unsere Köch*innen, alle Gründerinnen arbeiten auf Freiwilligenbasis”, fügt sie hinzu. “Deshalb ist es für uns eine große Herausforderung, das alles [neben unseren anderen Jobs] aufrecht zu erhalten.”
Seit ihrem Einstieg bei Global Citizen 2014 hat Zoës Rolle wahrscheinlich eine der größten Entwicklungen durchgemacht – von einer Design-Assistentin, die “viel Zeit mit dem Malen von Karotten und Zwiebeln für ein Rezeptbuch verbrachte”, bis hin zu der Social Media Beauftragten für das Global Citizen Team in Großbritannien, bis zu ihrer heutigen Position als Leiterin der digitalen Kampagnenarbeit, die sie seit Anfang 2019 ausübt.
Wir haben Zoë einige Fragen über ihre Arbeit bei Global Citizen gestellt und sie gefragt, was sie sich von unserer bisher größten Kampagne in diesem Jahr – Global Goal Live: The Possible Dream – erhofft.
Weil wir durch diese Aktionen alle etwas verändern können. Zusammengenommen können einzelne Aktionen zu Veränderungen führen und selbst wenn Regierung bereit sind, gewisse Entscheidungen zu treffen, benötigen sie dennoch den Rückhalt der Gesellschaft und Menschen, die das auch öffentlich zeigen. Denn nur so können sie sicher sein, dass ihre Taten auf Zuspruch stoßen, und nicht verurteilt werden.
Es ist also überaus wichtig, dass wir alle unsere Stimme für eine gerechtere Welt einsetzen.
Die #SheWill-Kampagne, die wir 2016 durchgeführt haben, sticht für mich besonders heraus. Hier haben wir uns dafür eingesetzt, dass das DfID [das britische Ministerium für internationale Entwicklungszusammenarbeit] neue Zusagen für die Bildung von Mädchen macht, um sicherzustellen, dass alle Mädchen mindestens 12 Jahre lang eine qualitativ hochwertige Schulbildung erhalten. Die Kampagne fand ihren Höhepunkt bei einer Veranstaltung ganz oben im Shard [Londons höchstem Gebäude und Wahrzeichen] mit den Sänger*innen Tom Odell und Laura Mvula, für die Global Citizens durch ihre Aktionen im Vorfeld des Events Tickets gewinnen konnten.
Das Event fand genau eine Woche vor dem Brexit Referendum statt, weshalb wir bereits Monate zuvor mit der Kampagnenarbeit angefangen haben. Letztendlich haben über 100.000 Global Citizens an Aktionen teilgenommen, um die britische Regierung zu dieser Zusage aufzufordern.
Als dann das Referendum kam, versank die gesamte Regierung im Chaos. Innerhalb kürzester Zeit kam es zu großen Veränderungen, wie dem Rücktritt von David Cameron, der Umstrukturierung des Kabinetts und so weiter.
Während dieser Zeit kam es zu keinen finanziellen Ankündigungen seitens der Regierung und dass, obwohl unser Event ja in einer Woche stattfinden sollte. Dennoch hat das DfID letztendlich 100 Millionen Pfund für die Bildung von Mädchen zugesagt und damit über 175.000 der weltweit ärmsten und benachteiligsten Mädchen Zugang zu hochwertiger Bildung verschafft.
Das DfID sagte uns, dass wir ihre Zusage dem kontinuierlichen Druck zu verdanken hatten, den Global Citizens in den vergangenen Monaten durch ihre Aktionen ausgeübt hatten. Ohne die Kampagne und die Erwartungen, die dadurch entstanden waren, wäre es nicht zu dieser Ankündigung gekommen.
Das war ein großer Moment für uns, vor allem, weil wir damals noch ein sehr kleines Team waren. Das war unser erstes Event in Großbritannien und deshalb eine besonders große Herausforderung – inklusive der Hürde, Tom Odells Klavier in die Spitze des Shards zu transportieren.
Ganz besonders gefällt mir, dass das Global Citizen Format darauf abzielt, politische Themen in eine möglichst breite und junge Öffentlichkeit zu bringen und dabei stets den Bezug zu kulturellen Ereignissen herstellt.
Ich denke, dass der Wohltätigkeitssektor ohne diese breite Ansprache, insbesondere von jungen Menschen, am Ende stagnieren würde. Es ist einfach wichtig, so viele Menschen wie möglich in diese politischen Themen mit einzubeziehen.
Zudem mag ich es, dass das Modell eine Verbindung zwischen den Herausforderungen eines Menschens in einem Land und den Herausforderungen eines anderen Menschens auf der anderen Seite der Welt herstellt und Parallelen zwischen beiden aufzeigt.
Und dass es zeigt, dass die einzigen Dinge, in denen sich diese beiden Menschen unterscheiden, ihr Glück und die Umstände betreffen, unter den sie geboren wurden.
Ich hoffe, dass wir einen echten globalen Wandel in der Einstellung zu diesen Themen erzielen können, sowie ein größeres Bewusstsein, als auch einen stärkeren Einsatz.
Ich hoffe, dass wir bei Menschen auf der ganzen Welt das Gefühl hervorrufen können, dass sie etwas bewirken können und dass sie Einfluss auf diese großen, komplexen, strukturellen Herausforderungen wie Armut und den Klimawandel nehmen können, indem sie ihre Stimme erheben.
Und ich hoffe, dass Regierungen, Unternehmen und private Geldgeber darauf mit den Verpflichtungen reagieren, die wir brauchen, um Armut endgültig zu überwinden.