Nachdem die russische Regierung am 24. Februar gewaltsam in die Ukraine eindrang, sind Millionen von Bürger*innen der Ukraine auf der Flucht – doch inzwischen gibt es immer mehr Berichte über Rassismus gegen Schwarze und People of Color (PoC), die ebenfalls versuchen, das Land zu verlassen.

Unter dem Twitter-Hashtag #AfricansinUkraine wird auf ungerechte Fälle hingewiesen und verdeutlicht, wie BIPoC-Menschen (Englisch für Schwarze, Indigene und People of Color) auf der Flucht vor der Gefahr zurückgelassen werden.

Nach Angaben des Independent wurden Schwarze, die das Land verlassen wollten, an Grenzübergängen zurückgelassen und bei ihren Versuchen, öffentliche Verkehrsmittel zu besteigen, diskriminiert. Ein Bürger berichtete sogar, dass ihm und seiner Familie der Zutritt zu einem Bus verweigert wurde, der auf dem Weg zum Grenzübergang war, weil man ihnen sagte: "Keine Schwarzen".

"Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem weißen Ukrainern jemals Asyl verweigert würde, also ist die Art, wie sie uns behandeln, ungerechtfertigt. Es ist unbegründet. Wir sind alle auf der Flucht, also lasst uns einen gemeinsamen Nenner finden", sagte er

Nach Angaben der Irish Times sind schätzungsweise 20 Prozent der ukrainischen Student*innen Afrikaner*innen – Marokko, Nigeria und Ägypten gehören zu den zehn Ländern mit den meisten ausländischen Student*innen in der Ukraine. 

Eine Medizinstudentin, die ebenfalls in den Konflikt verwickelt war, berichtete in den sozialen Medien von ihren Erfahrungen und sagte, dass der Konflikt auch dann noch anhielt, als sie nach stundenlanger Reise endlich die Grenze passieren konnte.

"... Mehrere Busse überqueren stündlich die Grenze und kein*e einzige*r Ausländer*in darf passieren", schrieb sie auf Twitter. "Wir haben es endlich geschafft und uns wurde gesagt, dass die Unterkunft im Hotel nur für Ukrainer*innen bestimmt ist. Kein Schlaf oder Essen in 3 Tagen... Warum bestimmt Nationalität, wer sich ausruhen darf?"

Führende Politiker*innen kritisieren Rassismus an ukrainischen Grenzen

Es waren afrikanische Aktivist*innen, die den Hashtag #AfricansinUkraine ins Leben riefen, um auf das Problem von Rassismus und Diskriminierung aufmerksam zu machen. Seitdem der Hashtag ins Leben gerufen wurde, überschwemmen Videos und Bilder von BIPoC und afrikanischen Bürger*innen, denen die Evakuierung aus der Ukraine verweigert wird, weltweit die Timelines der sozialen Medien.

Da die Flüge aus der Ukraine gestoppt wurden, mussten afrikanische Regierungen ihre Bürger*innen aus großer Entfernung unterstützen. Das nigerianische Außenministerium gab am Sonntag, den 27. Februar, in einer Erklärung bekannt, dass Nigerianer*innen visumfreien Zugang zu Ungarn und Rumänien erhalten würden, und forderte seine Bürger*innen auf, diese Grenzen anzusteuern. 

Auch der nigerianische Präsident Buhari verurteilte auf Twitter die Diskriminierung nigerianischer Bürger*innen in der Ukraine und schrieb: "...es ist von größter Wichtigkeit, dass jede*r mit Würde und ohne Bevorzugung behandelt wird. Alle, die vor einer Konfliktsituation fliehen, haben nach der UN-Konvention das gleiche Recht auf sicheres Geleit und die Farbe ihres Passes oder ihrer Haut sollte keinen Unterschied machen."

Die Afrikanische Union (AU) gab ebenfalls eine eigene Erklärung ab, in der es heißt, dass die AU-Vorsitzenden über die Berichte zu den Diskriminierungen "beunruhigt" seien. "Berichte, wonach Afrikaner*innen in inakzeptabler Weise unterschiedlich behandelt werden, sind schockierend rassistisch und verstoßen gegen das Völkerrecht", heißt es in der Erklärung. "In diesem Zusammenhang fordern die Vorsitzenden alle Länder auf, das Völkerrecht zu respektieren und allen Menschen, die vor dem Krieg fliehen, ungeachtet ihrer rassischen Identität Empathie und Unterstützung zukommen zu lassen." 

Das Büro des polnischen Premierministers reagierte in einer Erklärung auf die Berichte und bezeichnete sie als "Fake News".

"Flüchtende, die aus der vom Krieg zerrütteten Ukraine fliehen, reisen unabhängig von ihrer Nationalität nach Polen ein", heißt es in der Erklärung. "Unter denen, die vom Grenzschutz abgefertigt werden, sind auch Bürger*innen anderer Länder wie die USA, Nigeria, Indien, Georgien..." 

Führende Politiker*innen und Behörden aus aller Welt haben ebenfalls auf die Berichte reagiert und sich mit den Bürger*innen vor Ort solidarisiert. 

"Es ist ziemlich beunruhigend, dass es immer noch Fälle von Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe gibt, vor allem unter solchen Bedingungen", sagte der Sprecher des südafrikanischen Ministeriums für internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, Clayson Monyela.

"Eine Sortierung [der Flüchtenden] nach ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft ist unwürdig", sagte der Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann. "Die polnische Regierung muss sich an unsere Prinzipien und das Gesetz halten. Wir fordern Solidarität mit den Tausenden von blockierten afrikanischen Student*innen".

Die deutsch-iranische Fernsehjournalistin Isabel Schayani berichtet ebenfalls auf ihrem persönlichen Twitter-Account von Betroffenen:

Solidarität für alle Menschen, unabhängig von Nationalität und Hautfarbe

Gestrandete afrikanische Bürger*innen in der Ukraine haben am Wochenende auch auf Twitter Spaces über die Evakuierungslogistik diskutiert und ihre Erfahrungen mit dem Versuch, das Land zu verlassen, mitgeteilt. Die Irish Times berichtet außerdem, dass Afrikaner*innen, die in der Ukraine festsitzen, zu den gleichen Zwecken über WhatsApp und Telegram miteinander in Verbindung stehen. 

​​Ein nigerianischer Staatsbürger, der auf einem Bahnhof in Kiew gestrandet war, berichtete dem Independent: "Das passiert nicht nur Schwarzen, sondern auch Inder*innen, Araber*innen und Syrer*innen – und das sollte nicht der Fall sein." 

Solidarität für die Ukraine bedeutet Solidarität für alle Menschen, die auf der Flucht sind und Sicherheit suchen. Nationalität und Hautfarbe sollten da keinen Unterschied machen. 

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Gerechtigkeit fordern

Schwarze Menschen in der Ukraine berichten über Rassismus beim Versuch, das Land zu verlassen

Ein Beitrag von Khanyi Mlaba