Warum das wichtig ist
Die Entführung und Ermordung von Sarah Everard sorgte in Großbritannien für große Empörung und löste Debatten über Gewalt gegen Frauen, ihre Sicherheit in öffentlichen und privaten Räumen sowie die Arbeitsweise der Polizei aus. Tatsache ist: Sexualdelikte werden selten strafrechtlich verfolgt und durch die COVID-19-Pandemie wachsen Fälle der häuslichen Gewalt. Das Global Goal 5 der Vereinten Nationen (UN) zielt auf die Gleichberechtigung der Geschlechter ab, damit Frauen und Mädchen gerecht behandelt werden – und ein Mitspracherecht bei der Schaffung von sicheren Räumen erhalten. Du kannst hier zusammen mit uns zu diesem Thema aktiv werden.

Von Sonia Elks

Thomson Reuters Foundation — Frauen in ganz Großbritannien schlossen sich am vergangenen Wochenende und in diesen Tagen Mahnwachen an, um den Tod von Sarah Everard zu betrauern. Zudem fordern sie ein härteres Vorgehen bei der Gewalt gegen Frauen, nachdem der Mord an der Londonerin eine breite Debatte über die Sicherheit von Frauen ausgelöst hatte.

Nachdem sie bei einer Mahnwache in Clapham Common im Süden Londons in der Nähe des Ortes, an dem Everard verschwand — einem gut beleuchteten und stark bevölkerten Gebiet der britischen Hauptstadt — mit einer Menschenmenge zusammengestoßen war, sieht sich die Polizei mit Forderungen nach Ermittlungen konfrontiert.

Die Empörung über Everards Ermordung hat dafür gesorgt, dass die Polizeiarbeit, das Gesetz und die Gesellschaft genaueren Überprüfungen unterliegen. Frauenrechtsgruppen wollen wissen, warum nur 1,5 Prozent der registrierten Vergewaltigungen und 3,6 Prozent aller Sexualdelikte in England und Wales strafrechtlich verfolgt werden — und was unternommen wird, um einen Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt während der COVID-19-Pandemie zu verhindern.

Der Grund, warum Sarah Everards Tod einen Nerv getroffen hat. 

Wer ist Sarah Everard und wie ist sie gestorben?

Die 33-jährige Marketing Managerin Everard verschwand am 3. März gegen 21:30 Uhr, als sie vom Haus einer Freundin im Süden Londons nach Hause ging. Videoüberwachungskameras zeigen sie in Turnschuhen, einer grünen Regenjacke, Kopfhörern und mit einem Lächeln im Gesicht.

Einige Tage nach ihrem Verschwinden wurde eine Leiche in einem Wald etwa 80 km entfernt im Südosten Englands gefunden. Die Forensiker benötigten mehrere Tage, um zu bestätigen, dass es sich hierbei um Everard handelte.

Der diensthabende Londoner Polizeibeamte Wayne Couzens, 48 Jahre alt, wurde am 13. März für ihre Entführung und ihren Mord angeklagt.

Was wollen die Aktivist*innen erreichen?

Die Organisator*innen der Mahnwache und die Frauenrechtsgruppe "Reclaim These Streets" hoffen, dass die Veranstaltungen "den Beginn einer Bewegung markieren, die ein Feuer für Veränderungen entfachen wird". Frauen und Aktivist*innen sagen, sie wollen Maßnahmen, damit jede*r ohne Angst auf die Straße gehen kann. Debatten über die Verhinderung von Missbrauch müssen sich zudem weniger darauf konzentrieren, dass Frauen sich selbst schützen, sondern mehr darauf, Missbrauch und Gewalt durch Männer zu verhindern.

Einige sagen, die Polizei lasse Frauen "systematisch" im Stich und fordern eine radikale Überarbeitung des Strafrechtssystems oder die Streichung von Mitteln für die Polizei.

Der Nationale Rat der Polizeichefs (National Police Chiefs' Council) hat die Bedenken über die polizeiliche Überwachung der Mahnwache in London anerkannt, so der Vorsitzende Martin Hewitt, als er am Montag eine Dringlichkeitssitzung der Polizeichefs ankündigte, um zu diskutieren, wie Frauen besser vor männlicher Gewalt geschützt werden können.

“Wir sehen uns nach wie vor in der Verpflichtung, dazu beizutragen, dass Frauen sicher sind und sich auch sicher fühlen", sagte er in einer Erklärung.

Auch die Staatsanwaltschaft hat in den letzten Tagen versprochen, die Strafverfolgung von Gewalt gegen Frauen zu verstärken.

Die Kritik am Umgang der Polizei mit der Mahnwache führte auch zu einer erneuten Prüfung eines Gesetzesentwurfs der Regierung, der die Befugnisse der Polizei bei Protesten erweitern würde. Die oppositionelle Labour Partei kündigte jedoch bereits an, dagegen zu stimmen.

Wie hoch sind die aktuellen Verurteilungsraten bei Fällen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Großbritannien?

Es gibt eine große Bandbreite an Straftaten, die es schwer macht, geschlechtsspezifische Unterschiede zu erfassen — ganz zu schweigen von den vielen Vorfällen, die nicht angezeigt werden oder die nicht vor Gericht landen.

Nur 3,6 Prozent der polizeilich erfassten sexuellen Übergriffe führten zu einer Anklage oder einer Vorladung vor Gericht, zeigen die letzten offiziellen Jahresdaten. Davon sind 1,5 Prozent Vergewaltigungsfälle. 

Diese Zahlen stehen im Vergleich zu einer Rate von sieben Prozent für Gewalteinwirkung auf den Körper einer Person, fünf Prozent für Diebstahl und 23 Prozent für Drogendelikte.

Ein Bericht, der die Tötungen von 1.425 Frauen durch Männer zwischen 2009 und 2018 analysierte, fand heraus, dass 62 Prozent der Täter wegen Mordes verurteilt wurden, stellte aber fest, dass die Strafen für Totschlag in Fällen von intimer Gewalt oft relativ gering waren. 

Vergangene Woche — pünktlich zum Internationalen Frauentag — hat die Abgeordnete Jess Phillips im britischen Parlament eine Liste der 118 Frauen vorgelesen, die im vergangenen Jahr getötet worden waren.

"Fälle von getöteten Frauen sind nicht selten — sie häufen sich", sagte sie im Parlament. 

People gather in Parliament Square, London, on March 14, 2021 in honor of Sarah Everard. Everard disappeared while walking home from a friend’s apartment and was found dead a week later.
People gather in Parliament Square, London, on March 14, 2021 in honor of Sarah Everard. Everard disappeared while walking home from a friend’s apartment and was found dead a week later.
Image: Catherine Wylie/PA/AP

Wenn auch du dich für die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen einsetzen möchtest, dann werde hier aktiv. 


(Ein Beitrag von Sonia Elks; Bitte die 'Thomson Reuters Foundation' als Quelle angeben, wenn dieser Artikel zitiert / geteilt wird. Die Thomson Reuters Foundation liefert Beiträge über humanitäre Hilfe, Frauenrechte, Menschenhandel, Klimawandel und vieles mehr auf http://news.trust.org/climate.)

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Warum der Mord an Sarah Everard in Großbritannien solche Wut ausgelöst hat