Fest steht: Die Einzigen, die sexuelle Belästigung wirklich beenden können, sind die Menschen, die andere belästigen. Doch Experten sagen, dass letztendlich wir alle eine Rolle spielen können, wenn wir das Problem ins Visier nehmen. Denn wenn wir uns mit dem Thema auseinandersetzen und uns mit den Opfern solidarisieren, kann das ihren emotionalen Druck lindern.
Ein Aspekt der MeToo-Bewegung war – neben den Geschehnissen selbst – besonders erschreckend. Nämlich, dass so viele Menschen von den Übergriffen und Belästigungen wussten und nichts unternommen haben.
Dies ist bekannt als "Zuschauereffekt" oder "Bystander-Effekt" und beschreibt das soziale Phänomen, dass es weniger wahrscheinlich ist, einem Opfer zu helfen, wenn viele andere Menschen in der Nähe sind.
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Es gibt viele Gründe, weshalb Zuschauer eine Situation ignorieren. Etwa, weil sie das Gefühl haben, nicht verantwortlich zu sein. Oder, weil sie nicht wissen, was sie sagen oder tun sollen, um eine Situation zu lösen. Vielleicht auch, weil sie nicht bevormundend wirken wollen oder ihre Nase nicht in fremde Angelegenheiten stecken wollen.
Dabei ist es in Wirklichkeit das Wichtigste, dafür zu sorgen, dass die Opfer wissen, dass sie nicht alleine sind.
Also müssen wir die Frage klären: Was tun, wenn man auf der Straße, bei der Arbeit, im Bus oder wo auch immer Zeuge von sexueller Belästigung wird?
1. Beobachte und beurteile die Situation
Bevor du irgendetwas tust, musst du die Situation genau beobachten und überlegen, wie du eingreifen kannst. Es ist wichtig, dass du dich selbst nicht in Gefahr bringst oder die Situation eskaliert.
2. Direkte Konfrontation
Wenn du das Gefühl hast, dass die Situation sicher ist, dann kann du eingreifen. Es ist wichtig, dass du die Person, von der die Belästigung ausgeht, klar und direkt ansprichst - keine Entschuldigungen oder unsichere, vorsichtige Worte. Nach Meinung von Hollaback!, einer globalen Bewegung zur Beendigung von Belästigung, ist es entscheidend etwas zu sagen, dass sich für dich ganz natürlich anfühlt. Du könntest beispielsweise sagen: „Das ist Belästigung“ oder „Sprich nicht so mit ihr“ oder „Das ist unangemessen“. Das was du sagst, muss nicht besonders smart oder originell sein. Es muss nur dafür sorgen, dass sich die Person darüber bewusst wird, dass das, was sie da gerade tut, falsch ist.
Wenn der ‚Störenfried‘ anfängt, mit dir zu diskutieren, lass dich nicht darauf ein. Besser ist es, sich dann mit der Person zu unterhalten, die belästigt wurde, rät Hollaback!.
3. Versuchs mit einer Ablenkung
Wenn du lieber nicht mit dem Belästiger interagieren möchtest oder es sich für dich so anfühlt, als könnte die Situation eskalieren, kann es auch helfen etwas zu tun, das den Störenfried ablenkt, berichtet das Rape, Abuse, and Incest National Network (RAINN).
Du kannst zum Beispiel mit der Person, die gerade belästigt wird, ein Gespräch anfangen – nicht über die Belästigung selber, sondern über ein komplett anderes Thema.
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Du kannst zum Beispiel vorgeben, den Weg nicht zu kennen oder nach der Uhrzeit fragen oder die Person so begrüßen, als würdet ihr euch kennen und sie fragen, ob ihr zusammen einen Drink nehmen oder einen Spaziergang machen wollt. Es geht hierbei nicht in erster Linien darum, den Belästiger einfach zu ignorieren, sondern eine Situation zu schaffen, die sich so banal normal anfühlt, dass sie den Belästiger irritiert und er/sie spürt, dass sein Opfer nicht unsichtbar für Außenstehende ist.
4. Suche jemanden, der dich unterstützen kann
Wenn du dich nicht zwischen die Fronten begeben möchtest, kannst du jemanden ansprechen, der der Situation gewachsen ist und eventuell schon ähnliche Situationen gemeistert hat. Wer das sein könnte, kommt sehr darauf an, wo sich die Situation ereignet. Aber um ein paar Beispiele zu nennen: Es könnte ein Busfahrer sein oder ein Lehrer, ein Ladenbesitzer oder ein Türsteher. Ganz nach dem Prinzip: alle gegen einen.
5. Frag die belästigte Person, ob alles okay ist
Manchmal passieren Belästigungen genauso schnell wie sie wieder vorbei sind. Etwa wenn jemand aus dem Fenster eines vorbeifahrenden Autos ruft oder im Vorbeigehen einen Kommentar fallenlässt. In solch einer Situation kannst du die belästige Person immer noch kurz fragen, ob alles okay ist und anbieten, sie ein Stück zu begleiten.
6. Dokumentiere den Vorfall
Wenn bereits jemand anderes eingeschritten ist, kannst du noch immer hilfreich sein, indem du die Szene beispielsweise mit deinem Handy filmst.
Manchmal kann man eine Situation schon allein dadurch beenden, wenn der/die Täter/in glaubt, vor laufender Kamera ertappt zu werden, insbesondere in der heutigen Zeit von Social-Media. Eine solche Situation zu filmen kann aber auch im Nachhinein hilfreich sein, zum Beispiel wenn die belästigte Person eine Anzeige erstatten will.
Aber auch hier gilt: Nur aktiv werden, wenn du dich sicher fühlst.
Sobald der Vorfall vorbei ist, ist es wichtig, dass du die belästigte Person fragst, was du mit dem Material machen sollst. Also nicht ohne Erlaubnis ins Internet stellen - denn das könnte den Vorfall für die betroffene Person (emotional) noch schwieriger machen.
Für alle, die Hilfe brauchen, einfach nicht mehr weiter wissen oder anonym Rat suchen: Hier findest du rund um die Uhr Hilfe und Unterstützung, kostenfrei, auch am Wochenende:
Beratung und Hilfe für Frauen und Mädchen, Hilfetelefon: 08000 - 116 016 (nur aus Deutschland aus erreichbar)
Männerberatung, Informations- und Beratungsstelle für männliche Betroffene von sexueller Gewalt
Beratung für junge Männer zwischen 13 und 21 Jahren bei Gewalt, Mobbing, Gerichtsverfahren etc.
Kinder- und Jugendtelefon, Die Nummer gegen Kummer: (0202) 25 90 59 - 0