Warum das wichtig ist

Kinderehene sind eine potenzielle Gefahr für jedes Mädchen in Armut, in dielen Regionen der Welt werden sie schon mit zwölf Jahren zu Ehefrauen gemacht. Schätzungen zufolge ereilt zwölf Millionen Mädchen jährlich dieses Schicksal. Das Global Goal 5 der Vereinten Nationen (UN) setzt sich für die Gleischstellung der Geschlechter ein, damit diese Praktiken verhindert werden können. Hier kannst du uns aktiv dabei unterstützen. 


Anm. der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 24.06.21 aktualisiert.

Sonita Alizadeh war 15 Jahre alt, als ihre Eltern sie bereits zum zweiten Mal mit einem älteren Mann verheiraten wollten. Das war 2012.
Heute lebt Sonita im amerikanischen Utah und bereitet sich auf die Uni vor - dank ihrer Rapmusik.

Leider geht nicht jede Geschichte über Zwangsheirat so positiv aus. In Afghanistan, Sonitas Heimatland, werden 57% aller Mädchen noch vor ihrem 19. Geburtstag verheiratet. Im Iran, wohin Sonita mit ihrer Familie flüchten musste, ist es nicht besser: jedes Jahr werden hier 40.000 Mädchen unter 15 Jahren verheiratet.

Sonita wäre fast eines dieser Mädchen gewesen

Mit acht Jahren musste Sonita mit ihren Eltern in den Iran flüchten. Dort konnte sie allerdings eine Geflüchtetenschule besuchen, die Kinder kostenlos unterrichtete. Hier war es auch, wo sie ihre Liebe zur Musik entdeckte, vor allem für die Rapmusik.

Außerdem wurde Sonita immer bewusster, dass das, was ihren älteren Freundinnen passierte, nicht richtig sein kann: Warum werden junge Mädchen dazu gezwungen, einen älteren Mann zu heiraten, der sie daran hindert, weiter zur Schule zu gehen und selbstständig zu werden? Das war in Sonitas Augen nicht gerecht.

Als Sonita zehn Jahre alt war, versuchten ihre Eltern zum ersten Mal, sie zur Ehe zu zwingen. Sonita war am Boden zerstört und wehrte sich. Die Eltern gaben nach. Doch fünf Jahre später versuchten die Eltern es erneut.

Dieses Mal fand Sonita Kraft in der Musik. Von vielen Rapmusikern inspiriert, kreierte sie ihr eigenes Rap-Video und lud es auf YouTube hoch. Und was soll man sagen: es reißt einen vom Hocker!

In dem Video sieht man Sonita mit einem Strichcode auf der Stirn - um zu symbolisieren, dass man als Kinderbraut wie Ware gehandelt wird. Zudem hat sie große Blutergüsse unter ihren Augen, um die häusliche Gewalt darzustellen, der viele Mädchen in ihrer Ehe ausgesetzt sind. Nach der Hälfte des Videos wechselt Sonita dann ihr Outfit. Jetzt trägt sie ein weißes Hochzeitskleid, wie die Menschen es im Westen tragen, aber sie hat immer noch Blutergüsse unter ihren Augen und aus ihrem Mund fließt ebenfalls Blut. Ein absoluter Kontrast, den Sonita hier in einem einzigen Bild darstellt: auf der einen Seite das weiße Hochzeitskleid, das die meisten sicherlich mit einem freudigen Ereignis assoziieren, auf der anderen Seite ihre Verletzungen in ihrem blutigen Gesicht.

Auch Sonitas Songtext bringt absolut überzeugend rüber, wie sich Mädchen fühlen, wenn sie zur Ehe gezwungen werden: „Wie all die anderen Mädchen, sitze ich in der Falle. Die Gesellschaft betrachtet mich als Schaf. Ich bin nur geboren worden, um verkauft zu werden.”

Was auffällt: Ihre Eltern verurteilt Sonita mit keinem einzigen Wort. Stattdessen macht sie auf die wirtschaftlichen Bedingungen aufmerksam, die viele Eltern im Iran und in Afghanistan dazu zwingen, ihre Töchter in die Kinderehe zu drängen. Trotzdem fleht sie ihre Eltern an, sie endlich auch als Menschen zu sehen. Als Mensch, der es genauso verdient hat, mit Würde und Respekt behandelt zu werden, wie jeder andere auch.

Sonitas Eltern haben ihr Video auf YouTube tatsächlich gesehen. Und statt entsetzt zu sein, waren sie beeindruckt von ihrer Tochter. So sehr sogar, dass sie die geplante Ehe absagten! Und vielmehr noch: sie stehen hinter ihrer Tochter und unterstützen sie dabei, ihr Talent fürs Rappen weiter auszubauen!

Mittlerweile wurde das Video über eine Million Mal auf YouTube angesehen - unter anderem von einer privaten Schule aus Utah in den USA, die Schüler auf die Universität vorbereitet. Sie boten Sonita ein Stipendium an, um in den USA an einer Universität studieren zu können.

Mittlerweile ist Sonita 24 Jahre alt. Ihr wurde eine Chance gegeben - von ihren Eltern und von der Privatschule in Utah. Jetzt kann sich Sonita auf ihre Zukunft freuen. Pläne hat sie bereits: sie möchte Rechtsanwältin werden, damit sie sich für andere Mädchen, die zwangsverheiratet werden, einsetzen kann.

Nichtsdestotrotz rappt Sonita weiterhin und absolviert zahlreiche Auftritte in ganz Amerika. Eines Tages möchte sie aber auch ihre Familie und Freunde wieder besuchen und vor ihnen und all ihren anderen Fans im Iran und in Afghanistan auftreten.

Gegenüber PRI sagte Sonita: „Durch den Rap kannst du deine eigene Geschichte anderen Leuten vermitteln. Die Musik gibt dir eine Plattform, um die Worte, die du in deinem Herzen trägst, mit anderen zu teilen.”

Leider hat nicht jedes Mädchen die Möglichkeit, sich durch ein Rapvideo Gehör zu verschaffen. Trotzdem darf die Welt ihre Stimmen nicht überhören. Kein Mädchen sollte zur Ehe gezwungen werden, ganz egal, wie alt sie ist oder woher sie kommt.

Profiles

Gerechtigkeit fordern

Sonita aus Afghanistan entkam Zwangsehe, indem sie einen Rap darüber schrieb

Ein Beitrag von Katrin Kausche