Zaatari in Jordanien ist eines der größten Geflüchtetenlager im Nahen Osten. Die Geflüchteten, die dort leben, sind vor dem seit mehr als zehn Jahren andauernden Syrienkonflikt geflohen. 

Das Lager beherbergt 80.000 syrische Geflüchtete. In Azraq, dem zweitgrößten Geflüchtetenlager im Nordosten von Jordanien, leben 40.000 Geflüchtete.

Eine Ausbreitung des Coronavirus innerhalb der überfüllten Lager hätte verheerende Folgen, da der Zugang zu Gesundheits- und Sanitäreinrichtungen stark eingeschränkt ist.

Mehr als 75 Prozent der weltweit 25,9 Millionen Flüchtenden leben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Ländern mit geringem Einkommen. Die Gesundheitssysteme dieser Länder gehören zu den schwächsten der Welt. Das UNHCR hat davor gewarnt, dass ein Ausbruch des Virus unter den Flüchtenden, Einwander*innen und Binnenvertriebenen diese schwachen Gesundheitssysteme “außerordentlich belasten“ würde.

“Ein großer Teil der Bevölkerung sind Kinder. Es ist schwierig, ihnen verständlich zu machen, dass Isolation und zusätzliches Händewaschen gerade so wichtig sind“, sagt Mohammad Tahir, UNHCR-Beamter im Bereich auswärtige Beziehungen. “Ich habe wirklich Sorge, dass es aufgrund der starken Überfüllung sehr schwer sein wird, eventuelle Fälle einzudämmen.“

Nun wurden Maßnahmen ergriffen, um die Menschen in den Lagern zu schützen. Etwa sollen die verfügbaren Gesundheitseinrichtungen ausgebaut werden. Zudem gibt es Berichten zufolge Pläne, dass Verdachtsfälle in nahe gelegenen Krankenhäusern isoliert werden.

Schließung von Schulen

32 Schulen in Zaatari wurden seit Beginn des landesweiten Lockdowns geschlossen, damit Schüler*innen wie Lehrer*innen den Mindestabstand einhalten können. Kinder, deren Bildungschancen aufgrund des Krieges und der Flucht ohnehin extrem beeinträchtigt sind, können nun erneut keinen Unterricht wahrnehmen.

Dr. Ahmad Rababah ist im Bereich Bildung für die NGO Relief International tätig, die in humanitären Krisen Unterstützung leistet. Seit über sieben Jahren leitet er für die Organisation Bildungsprogramme, die sich an syrische Geflüchtetenkinder in Jordanien richtet.

Sein Team arbeitet sowohl in den Geflüchtetenlagern von Zaatari als auch in Azraq, um Schüler*innen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu ermöglichen. In Zaatari nehmen 1.200, in Azraq 850 Schüler*innen die Angebote von Relief International wahr.

Zudem bietet die Organisation Bildungsprogramme für etwa 2.000 Kinder und Jugendliche außerhalb der Lager an – in den Städten Amman, Irbid, Mafraq und Zarqa. Die Schwerpunkte der Programme liegen auf Förderunterricht, frühkindlicher Entwicklung und der Vorbereitung auf die Eignungsprüfung an Universitäten – die sogenannte Tawjihi-Prüfung.

Die Verbreitung von COVID-19 ist für Entwicklungshelfer*innen in Geflüchtetenlagern äußerst besorgniserregend – nicht nur in Jordanien, sondern auf der ganzen Welt.

“Wenn sich das Coronavirus in Jordanien ausbreitet, werden die Geflüchteten von dieser globalen Krise am härtesten betroffen sein“, sagt Rababah gegenüber Global Citizen. “Social Distancing ist für sie ein Luxus, den sie sich schlicht nicht leisten können.“

Unterricht über soziale Medien

“Wir treffen bereits Vorsichtsmaßnahmen, um unsere Schüler*innen vor dem Virus zu schützen, indem wir Online-Kurse anbieten. Das ist jedoch herausfordernd“, fährt Rababah fort.

“Mangels Laptops oder iPads können viele unserer Schüler*innen den virtuellen Unterricht auf E-Learning-Plattformen nicht nutzen“, erklärt er. “Darüber hinaus sind der Zugang zu Internet und Elektrizität innerhalb des Lagers unzuverlässig.“

Relief International versucht, das Problem zu lösen, indem die Lehrer*innen die Inhalte über Social Media bereitstellen. So haben auch Schüler*innen, die nur Smartphones haben, Zugang zu dem Online-Angebot.

Dennoch betont Rababah, dass die Organisation “sehr besorgt darüber ist, wie das Virus die Ausbildung unserer Schüler*innen beeinträchtigen wird.“

“Wenn sich diese Pandemie über Monate hinzieht, wird sie schwerwiegende Folgen haben, insbesondere für diejenigen, die die Teilnahme an der Tawjihi-Prüfung verschieben müssen”, befürchtet er.

Viele der Schüler*innen in den Geflüchtetenlagern seien infolge des Krieges in Syrien bereits seit langem nicht mehr zur Schule gegangen. Zudem werde "das Coronavirus die Bevölkerungsgruppen, mit denen wir arbeiten, unverhältnismäßig stark beeinträchtigen.“

“Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ihre Schulbildung durch diese Krise nicht erneut unterbrochen wird“, sagt er. “Zusammen mit meinem Team arbeiten wir daran, so schnell wie möglich neue Wege zu finden, um unseren Schüler*innen das Lernen zu ermöglichen.“

Rababah und sein Team arbeiten daran, alle Unterrichtsstunden online verfügbar zu machen, sodass die Schüler*innen auf die täglichen Aufgaben und Inhalte zugreifen können. Doch er warnt, dass “dies nicht genug ist.“

“Wir brauchen dringend einen besseren Internetzugang und bessere Geräte für unsere Schülerinnen und Schüler in den Lagern, um sicherzustellen, dass ihre Bildung durch diese Krise nicht gestört wird“, sagt er.

Mehr über die Arbeit von Relief International in Jordanien und anderen Ländern erfährst du hier.

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Geflüchtete Kinder in Jordanien: So bedroht Covid-19 ihren Zugang zu Bildung

Ein Beitrag von Imogen Calderwood