1965 war Yohei Sasakawa 26 Jahre alt, als er seinen Vater, den berühmten Unternehmer und Philanthropen Yōichi Sasakawa, auf einer Reise nach Südkorea begleitete. Der eröffnete dort ein Krankenhaus für Leprakranke.
Lepra ist auch als Hansen-Krankheit bekannt und eine vernachlässigte Tropenkrankheit (im Englischen neglected tropical diseases (NTDs)). Sie befällt hauptsächlich die Haut, führt zu schweren Augen- und Nervenschädigungen und verengt die Atemwege. Lepra lässt sich durch den Einsatz verschiedener Antibiotika heilen. Wird die Krankheit in einem frühen Stadium behandelt, kann eine Behinderung verhindert werden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden im Jahr 2019 mehr als 200.000 neue Leprafälle weltweit registriert.
"Mein Vater umarmte [die Patient*innen des Krankenhauses] eine*n nach dem/der anderen. Er hielt ihre verletzten Hände und Füße. Das ist etwas, was ich in meinem Leben noch nie erlebt hatte. Es war ein entscheidender Moment", sagt Sasakawa zu Global Citizen. In diesem Moment habe er beschlossen, die Arbeit seines Vaters zur Unterstützung der von Lepra Betroffenen fortzuführen.
In den vergangenen vier Jahrzehnten hat Sasakawa genau das getan. Als Vorsitzender der Nippon Foundation, der größten wohltätigen Stiftung Japans, setzt er sich für die von verschiedenen Krankheiten Betroffenen ein und unterstützt sie. Die Stiftung hat seit dem Jahr 1967 über 640 Millionen US-Dollar (rund 549,66 Millionen Euro) ausgezahlt. Damit hat sie die Verteilung von Medikamenten vorangetrieben und mit Regierungen, der WHO und den Vereinten Nationen zusammengearbeitet, um die Ausrottung von Lepra zu beschleunigen.
Mr. Sasakawa visited New Dehli, India in January 2019 to advocate to end the stigma and discrimination against leprosy. He also traveled to communities to hear the voices of those affected by leprosy and to better understand leprosy elimination programs.
Im Jahr 1995 verpflichtete sich die Nippon Foundation, jedem an Lepra erkrankten Menschen weltweit eine kostenlose Antibiotika-Therapie zur Verfügung zu stellen. Die Medikamente wurden von der WHO verteilt. Innerhalb von fünf Jahren habe sich die Zahl der Leprapatient*innen weltweit um fünf Millionen Menschen verringert, so Sasakawa. Anschließend trafen die Nippon Foundation, die WHO und das Pharmaunternehmen Novartis eine Vereinbarung, wonach das Unternehmen bis zum Jahr 2025 jedem Menschen, der sie benötigt, kostenlos Medikamente zur Behandlung von Lepra zur Verfügung stellen wird.
Sasakawa erkannte jedoch, dass die Behandlung von Leprakranken nur ein erster Schritt sei. Das Stigma, das Erkrankte umgibt, hindert sie daran, sich in die Gesellschaft zu integrieren. So werden Erkrankte in Indien, dem Land mit den meisten Leprafällen weltweit, stark stigmatisiert.
Im Jahr 1979 baute der Vater von Sasakawa ein Krankenhaus in Indien. Seither war er selbst häufig im Land und bemerkte dabei die Stigmatisierung von Menschen mit Lepra. Er sagte, es sei üblich, dass ihre Familien sie verleugnen und als "unberührbar" ansehen. Infolgedessen werden die Erkrankten von der Gesellschaft isoliert und leben in Kolonien mit anderen Leprakranken – ungeachtet dessen, dass die Krankheit nicht durch zufälligen Kontakt übertragen werden kann.
"Wenn (ein Mensch) an Lepra erkrankt ist, gibt es keine Arbeit, die sie annehmen können, selbst wenn sie den Willen haben zu arbeiten und gesund sind. Selbst gesunde Kinder können nicht zur Schule gehen, nur weil ihre Eltern (von Lepra) betroffen sind, oder sie werden schikaniert, wenn sie es doch tun", sagt er.
Deshalb, so Sasakawa, gehe es ihm bei der Bekämpfung von Lepra um einen ganzheitlichen Ansatz. Zum einen um die medizinische Behandlung der Krankheit, zum anderen um die die Bekämpfung der Stigmatisierung von Erkrankten.
In Neu-Delhi, Indien, leitet Sasakawa die India Leprosy Foundation. Sie schärft das Bewusstsein für Lepra, setzt sich für Leprakranke ein und bietet Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Kinder aus von Lepra betroffenen Familien an. Außerdem unterstützt sie von der Krankheit betroffene Unternehmer*innen bei der Gründung eines eigenen Geschäfts.
Mr. Sasakawa speaks with a person affected by leprosy.
Seit dem Jahr 2001 ist Sasakawa zudem WHO-Botschafter “des guten Willens” für die Ausrottung von Lepra und Japans Botschafter des “guten Willens” für die Menschenrechte der von Lepra betroffenen Menschen.
Sasakawa setzt sich besonders für die Änderung diskriminierender Gesetze ein. Als beispielsweise im Jahr 2008 Menschen mit Lepra im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in Peking die Einreise nach China verweigert wurde, legte er Einspruch gegen das Verbot ein. Das wurde schließlich aufgehoben.
"Es ist eine meiner wichtigsten Aufgaben, diskriminierende Gesetze zu kippen", sagte er.
Er verweist auch auf Vorfälle in den vergangenen Jahren, die die immer noch bestehenden Vorurteile verdeutlichen. "Selbst im Vatikan benutzt der Papst manchmal schlechte Vergleiche für Lepra. So sagte er zum Beispiel, dass Kindersexualstraftäter wie Lepra sind", erklärt er.
Nachdem er Papst Franziskus das im Jahr 2014 habe sagen hören, habe er dem Papst einen Brief geschrieben, so Sasakawa. Er mache das noch immer, wann immer er auf eine ähnlich diskriminierende Bemerkung von hochrangigen Persönlichkeiten stoße.
“Diese Briefe halten mich auf Trab. Aber der Anlass ist sehr, sehr bedauerlich”, sagt Sasakawa.
In dem Brief an Papst Franziskus habe er ihn gebeten, ein internationales Symposium zu veranstalten. Dabei sollte es darum gehen, dass Bewusstsein für Lepra zu schärfen und die Diskriminierung Betroffener zu beenden. 2016 fand die Veranstaltung im Vatikan statt. Dabei habe Sasakawa dem Papst einen Brief überreicht, in dem er ihn bat, keine stigmatisierende Sprache mehr zu verwenden.
"Er grinste schüchtern und steckte den Zettel sofort in seine Tasche", sagt Sasakawa.
Inzwischen ist die Bekämpfung der sozialen Stigmatisierung auch Teil des WHO-Ansatzes zur Ausrottung von Lepra. Darin enthalten sind auch die Änderung diskriminierender Gesetze und die Beseitigung der Diskriminierung von Leprakranken und ihren Familienangehörigen.
Mr. Sasakawa is photographed at a colony in Vijayawada, India. In January 2019, Mr. Sasakawa visited New Dehli to attend the "Global Appeal 2019: To end stigma and discrimination against persons affected by leprosy."
Der 82-jährige Sasakawa möchte das Erbe seines Vaters fortsetzen. Er will marginalisierte Menschen unterstützen, indem er sein philanthropisches Engagement auf die von Naturkatastrophen und Armut am stärksten Betroffenen ausweitet.
"Ich will weder Geld noch Macht noch sonst etwas. Ich will nur ein gutes Leben und Zufriedenheit, wenn ich sterbe. Das wird das größte Geschenk sein, das ich mir jemals machen kann", sagt er.
Seine Arbeit halte ihn jung, so Sasakawa. In Japan werden zuerst ältere Menschen gegen COVID-19 geimpft, "aber ich bin noch nicht an die Reihe gekommen... Ich bin also noch ein junger Mann", sagt er lachend.
Sasakawa, der bisher 127 Länder bereist hat, sagt, dass er sich darauf freue, wieder sicher reisen zu können.
"Viele Leute sagen: 'Bleib in der Stadt, wo es klimatisiert ist und es schöne Büros gibt'", sagt er. "Ich finde, das ist nicht richtig, das ist nicht meine Art zu arbeiten. Ich mag es nicht, in einem Büro eingesperrt zu sein und die Menschen, für die ich arbeite, nicht zu sehen... Ich bin der festen Überzeugung, dass die Lösungen für die Probleme dort liegen, wo die Probleme selbst liegen, und das ist vor Ort."
Die Serie “The Last Milers” stellt Menschen vor, die mit vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs) arbeiten. Indem sie sich für einen gleichberechtigten Zugang zu Präventionsmaßnahmen, Behandlungsmethoden und Informationen einsetzen, unterstützen diese Menschen die Bekämpfung von NTDs in verschiedenen Bereichen.
Diese Serie wurde mit Unterstützung durch die Bill and Melinda Gates Stiftung ermöglicht. Jeder der Beiträge ist redaktionell unabhängig erstellt worden.